21. Juni 2024
Unternehmensrestrukturierung nach dem StaRUG

Insolvenzanfechtungsrecht nach dem StaRUG

Die §§ 89 – 91 StaRUG: Eigenständiger Regelungsinhalt oder lediglich klarstellender Charakter? Wir klären auf!

Die EU-Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz (Restrukturierungsrichtlinie) enthält in Kapitel 4 (Art. 17, 18) besondere Vorschriften zur Insolvenzanfechtung. Diese hat der deutsche Gesetzgeber mit den §§ 89 – 91 StaRUG in nationales Recht umgesetzt. Daher lohnt sich ein vertiefter Blick auf diese Vorschriften.

Richtliniengeber möchte Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen schützen

Ziel des Richtliniengebers ist es, neue Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen, die im Rahmen eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens auf der Grundlage der Richtlinie gewährt werden, vor einer späteren Insolvenzanfechtung zu schützen.

Von neuen Finanzierungen ist dabei die Rede, wenn diese Bestandteil eines Restrukturierungsplans sind. Zwischenfinanzierungen hingegen sind finanzielle Hilfestellungen während der Aussetzung von Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen, bei denen eine Erwähnung im Restrukturierungsplan nicht erforderlich ist.

Solche Finanzierungen sollen im Fall einer späteren Insolvenz nicht deshalb für anfechtbar erklärt werden, weil eine solche Finanzierung die Gläubiger benachteiligt. Im Kern will die Restrukturierungsrichtlinie den Gläubigern, die die Restrukturierung finanziell unterstützen, eine gewisse Sicherheit vermitteln. Damit soll die Bereitschaft erhöht werden, zum Zwecke der Krisenbewältigung frisches Geld bereitzustellen. Die Richtlinie erlaubt es aber ausdrücklich, eine Anfechtungsmöglichkeit vorzusehen, wenn zusätzliche, im nationalen Recht festgelegte Gründe hierfür vorliegen. 

Es handelt sich folglich um einen Fall der Mindestharmonisierung. Im Grunde geht es um den Spagat zwischen sinnvollem Anreiz zur Nutzung der neuen Sanierungsmöglichkeiten einerseits und der Beachtung des (insolvenzrechtlichen) Prinzips der Gläubigergleichbehandlung auf der anderen Seite.

Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber im StaRUG

Der deutsche Gesetzgeber sowie die ganz überwiegende Meinung in der Literatur ist der Ansicht, dass die §§ 89 Abs 1, 2, 90, 91 StaRUG lediglich einen klarstellenden Charakter haben, weil die Restrukturierungsrichtlinie keinen Umsetzungsbedarf auslöse. Hauptargument hierbei ist, dass im deutschen Anfechtungsrecht bereits ein ausreichendes Maß für den Schutz vor späteren Anfechtungen bei aussichtsreichen Sanierungsbemühungen vorhanden sei. Mit anderen Worten: Der überwiegende Teil der Vorschriften der §§ 89 – 91 StaRUG dient vorrangig dem Zweck, das bisherige Rechtsprechungsrecht zu präzisieren und vorhersehbar(er) zu machen.

§ 89 StaRUG: Rechtshandlungen, die während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache vorgenommen werden

§ 89 Abs. 1 StaRUG bezieht sich auf Rechtshandlungen, die während der Rechtshängigkeit einer Restrukturierungssache vorgenommen werden. Im Falle des Scheiterns der außergerichtlichen Restrukturierung und einer späteren Insolvenz kann die Annahme eines sittenwidrigen Beitrags zur Insolvenzverschleppung oder einer Rechtshandlung, die mit dem Vorsatz einer Benachteiligung der Gläubiger vorgenommen wurde, nicht allein darauf gestützt werden, dass ein an der Rechtshandlung Beteiligter Kenntnis von der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache hatte oder dass der Schuldner Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in Anspruch genommen hat.

Die Beteiligung als Gläubiger an einem Restrukturierungsverfahren allein soll keine spätere Anfechtung begründen können. Der Gläubiger soll somit keine gesteigerten Anfechtungsrisiken tragen müssen, wenn die Sanierung scheitert und der Schuldner später doch ein Insolvenzverfahren durchlaufen soll. Das ist im Grundsatz nachvollziehbar und sinnvoll. Die Umsetzung bereitet dann aber doch einige Schwierigkeiten und schließt das Risiko einer späteren Anfechtung nicht vollständig aus. 

Dem Wortlaut nach bezieht sich die Norm auf die Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO, weil sie sich auf Rechtshandlungen bezieht, die mit einem Benachteiligungsvorsatz vorgenommen wurden. Andere Anfechtungstatbestände werden dagegen nicht erfasst, so dass eine Anfechtung auf der Grundlage insbesondere der §§ 130, 131 und 134 InsO weiter möglich bleibt. Dies ist zwar in der Literatur umstritten, stellt aber aufgrund des ausdrücklichen Hinweises auf die für § 133 InsO zentrale Funktion der Kenntnis eines Benachteiligungsvorsatzes weiterhin die herrschende Meinung dar. Somit muss ein Gläubiger auch im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens mit Restrukturierungsplan diese Anfechtungsrisiken weiter im Blick behalten und Vorsorge gegen eine spätere Anfechtung treffen.

Die Fiktion in § 89 Abs. 1 StaRUG schließt es aus, eine Anfechtung mit der Kenntnis eines Restrukturierungsverfahrens oder der Inanspruchnahme von Sanierungsinstrumenten des neuen Rechts zu begründen. Da dieses Verfahren eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners voraussetzt, wird ein beteiligter Gläubiger automatisch Kenntnis auch von diesem Umstand haben. Deshalb kann man davon ausgehen, dass auch die Kenntnis der drohenden Zahlungsfähigkeit über den Schutz des § 89 Abs. 1 StaRUG keine spätere Anfechtung begründen kann. Der im Rahmen der Vorsatzanfechtung oft streitentscheidende subjektive Tatbestand wird somit durch § 89 Abs. 1 StaRUG stark eingeschränkt. Zu einem vollständigen Anfechtungsausschluss führt er aber nicht. 

§ 89 Abs. 1 StaRUG gilt für alle Rechtshandlungen und nicht nur – wie in der Restrukturierungsrichtline vorgesehen – für neue Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen. Erfasst werden also auch Kredite, Beratungshonorare und sonstige Rechtshandlungen, wie z.B. die Darlehensrückzahlung.

Die Absätze 2 und 3 erweitern den dargestellten Schutz auf Fälle, in denen der Schuldner während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache insolvenzreif wird und dies dem Gericht anzeigt. Hebt das Gericht die Restrukturierungssache sodann nicht auf, erfolgen alle nachfolgenden Rechtshandlungen in Kenntnis der Insolvenzreife und wären damit eigentlich anfechtbar. Die Vorschrift des § 89 Abs. 2 StaRUG sorgt aber nun dafür, dass diese Kenntnis im Rahmen der Vorsatzanfechtung irrelevant ist. Gemäß Absatz 3 gilt der Schutz zudem auch für eine potenzielle Haftung nach § 15b Abs. 1 InsO.

Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass § 89 Abs. 3 StaRUG über eine Bestätigung der gelebten Praxis hinausgeht und eine tatsächliche Haftungserleichterung bei angezeigter Restrukturierungssache darstellt.

§ 90 StaRUG: Planfolgen und Planvollzug

§ 90 beschränkt die Anfechtbarkeit von Regelungen und Rechtshandlungen, die auf der Grundlage eines Restrukturierungsplans bzw. in seinem Vollzug vorgenommen wurden. Der Restrukturierungsplan ist der Dreh- und Angelpunkt des präventiven Restrukturierungsrahmens, so dass auch aus diesem Grund eine Privilegierung wünschenswert und sinnvoll ist. Über den Verweis in § 97 Abs. 3 StaRUG ist der anfechtungsrechtliche Schutz auch auf den gerichtlich bestätigten Sanierungsvergleich zu erstrecken.

Nach Absatz 1 des § 90 StaRUG sind die Regelungen eines rechtskräftig bestätigten Restrukturierungsplans und Rechtshandlungen, die im Vollzug eines solchen Plans erfolgen, mit bestimmten Ausnahmen bis zur nachhaltigen Restrukturierung einer Anfechtung nur zugänglich, wenn die Bestätigung auf der Grundlage unrichtiger oder unvollständiger Angaben des Schuldners erfolgte und dem anderen Teil dies bekannt war. Die Beteiligten einer Restrukturierungssache sollen vom Bestand und der Wirksamkeit des Plans sowie der in seinem Vollzug vorgenommenen Rechtshandlungen ausgehen dürfen, sofern dieser auf zutreffenden Angaben beruht. Ausgenommen sind ausdrücklich Forderungen im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO (Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens) und Sicherheitsleistungen (sowie nach herrschender Ansicht auch die Tilgung der Forderungen nach § 39 abs. 1 Nr. 5 InsO), welche nach § 135 InsO oder §§ 6, 6a AnfG anfechtbar sind. Demzufolge gilt wie in der Insolvenz auch im Rahmen eines Restrukturierungsplans ein strengeres Anfechtungsregime für den Gesellschafter oder für einen diesem gleichgestellten Dritten.

„Regelungen eines rechtskräftig bestätigten Restrukturierungsplans″ und „Rechtshandlungen, die im Vollzug eines solchen Plans erfolgen″, sind voneinander abzugrenzen. Klare Definitionen dieser unterschiedlichen Voraussetzungen gibt es bislang noch nicht. Grob lässt sich zusammenfassen, dass die erste Alternative nicht den Plan selbst meint, sondern Rechtsänderungen, die im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans aufgeführt sind und unmittelbar, also ohne Vollzugsakt, wirken. Zu nennen sind z.B. Willenserklärungen (vgl. § 68 StaRUG). Vollzugshandlungen sind dagegen Rechtshandlungen, die nötig sind, um die im gestaltenden Teil des Restrukturierungsplans genannten Maßnahmen umzusetzen. Noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, ob auch vom Restrukturierungsplan abweichende Vollzugshandlungen privilegiert sind. Dieser Punkt ist bislang also noch streitig. Nicht anfechtbar sind zumindest somit Rechtshandlungen, die der Schuldner auf der Grundlage der Bestimmungen im Plan zugunsten der Gläubiger vornimmt. Zu nennen sind hierbei vor allem die für Sanierungskredite bestellten Sicherheiten, vorgesehene Zins- und Tilgungsleistungen und Quotenausschüttungen auf der Grundlage des Plans.

§ 91 StaRUG: Berechnung von Fristen

In § 91 StaRUG wird bestimmt, dass die Zeit der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache bei der Berechnung von Anfechtungsfristen nicht berücksichtigt wird. Der Gesetzgeber will durch diese Regelung die Flucht des Schuldners ins Restrukturierungsverfahren zum Zwecke des „Aussitzens″ von Anfechtungsfristen verhindern.

Für die Zukunft gilt: Chancen nutzen; weiter Anfechtungsschutz, aber dennoch vorsichtig bleiben

Das außergerichtliche Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG bietet erstmals eine fundierte Grundlage für eine Sanierung außerhalb eines förmlichen Insolvenzverfahrens. Dabei kann auf einen Teil der aus einer Insolvenz bekannten Instrumente zurückgegriffen werden. Außerdem reicht es aus, wenn eine qualifizierte Mehrheit der Gläubiger die Restrukturierung unterstützt. 

Eine Restrukturierung kann aber auch immer scheitern und letztlich doch in einer Insolvenz enden. Müssten die Gläubiger in diesem Fall befürchten, dass sie alle in der Zwischenzeit erhaltenen Gelder oder sonstigen Leistungen zurückgewähren müssen, würden sie sich kaum an der Sanierung beteiligen. Das aber würde zum Scheitern des neuen Restrukturierungsverfahrens führen, bevor sich das neue Recht überhaupt in der Praxis bewähren kann. 

Die im StaRUG verankerte Beschränkung, teilweise sogar Ausschließung späterer Anfechtungsrechte im Falle eines Scheiterns der Sanierung, ist daher zu begrüßen und eine sinnvolle Hilfe für die Akzeptanz der neuen Regelungen. Nun gilt es, die neuen Sanierungsmöglichkeiten zu nutzen und mit Leben zu füllen. Der Teufel liegt aber wie immer im Detail. Daher werden Gläubiger auch in Zukunft bei der Beteiligung an einem solchen Verfahren sachkundigen Rat in Anspruch nehmen müssen, um zusätzliche Ausfallrisiken vermeiden zu können. 

Tags: Finanzierung Insolvenzanfechtungsrecht Unternehmensrestrukturierung nach dem StaRUG
Avatar-Foto

Philipp Freiherr von dem Bussche-Haddenhausen

Autor:innenprofil