Das abgestimmte Auftreten von Investoren gegenüber Unternehmen ermöglicht die gebündelte Einflussnahme in ESG-Belangen, stellt aber eine Gratwanderung dar.
In der heutigen Unternehmenslandschaft spielen Nachhaltigkeitsfaktoren eine immer größere Rolle. Nicht zuletzt im Interesse ihrer Stakeholder stellen (institutionelle) Investoren dahingehend zunehmende Anforderungen. Zur Verfolgung dieser gemeinsamen Ziele ist es für sie interessant, in Dialog zu treten und gegenüber ihren Beteiligungsunternehmen ihre Kräfte zu bündeln. Doch diese Form der Zusammenarbeit birgt auch erhebliche rechtliche Risiken, insbesondere wenn sie als „Acting in Concert“ gewertet wird, was organisatorische und finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen kann.
Collaborative Engagements als effektives Mittel zur Stärkung der Einflussmöglichkeit
„Collaborative Engagements“ beschreiben die Zusammenarbeit mehrerer Investoren, die gemeinsam auf die Geschäftspolitik eines Unternehmens Einfluss nehmen möchten. Dies kann sowohl formell als auch informell geschehen, wobei auch beide Formen kombiniert werden können. Formelles Collaborative Engagement meint die Ausübung von Aktionärsrechten. In Betracht kommen insbesondere die Ausübung von Stimm-, Frage- und Rederechten zu Hauptversammlungspunkten mit ESG-Bezug, die Stellung von Gegenanträgen und eigener Wahlvorschläge (insbesondere zur Aufsichtsratswahl) und die Erhebung von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage. Minderheitenrechte wie das Stellen von Ergänzungsverlangen und Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung sind ebenfalls denkbar. Informelles Collaborative Engagement meint dagegen jede andere Art der Einflussnahme, etwa Hintergrundgespräche zwischen Investoren und dem Vorstand oder Aufsichtsrat eines Unternehmens sowie (nicht) öffentliche Schreiben an das Management und Medienkampagnen.
Zur Koordination des Collaborative Engagements können Investoren auf speziellen Plattformen zusammentreten. Beispiele für Engagement-Plattformen in europäischen Ländern sind u.a. Eumedion (Niederlande), das Investor Forum (Großbritannien), Assogestinoni (Italien) oder Ethos (Schweiz). In Deutschland hat der Sustainable Finance Beirat der Bundesregierung die Grundlagen einer Engagement-Plattform erarbeitet (sog. Engagement Platform for Sustainable Impact (GEPSI) und in einem aktuellen Abschlussbericht dargelegt. Die Implementierung einer Plattform obliegt demnach jedoch den angesprochenen Investoren-Gruppen.
Collaborative Engagements bieten Investoren dabei gewichtige Vorteile: Neben der Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses komplexer Sachverhalte, Austausch von Fachwissen und Formulierung der gewünschten Unternehmensmaßnahmen steht die Steigerung von Effizienz durch Bündelung von Ressourcen und Vermeidung von Doppelarbeit im Vordergrund. Dieser Ansatz ermöglicht auch kleineren Investoren eine effektivere Beteiligung, indem sie sich mit größeren, ressourcenstärkeren Gruppen zusammenschließen. Maßgeblich ist zudem die verbesserte Einflussmöglichkeit und Legitimität: Gemeinsame Anstrengungen verstärken den Einfluss der Anleger auf ESG-Themen und machen ihre Forderungen für die Unternehmensleitung überzeugender. Eine stärker aufgestellte Gruppe von Investoren ist eher in der Lage, solide Strategien zu entwickeln, beschleunigt nachhaltige Veränderungen voranzutreiben und so erfolgreich mit Unternehmen zusammenzuarbeiten.
Risiko: Folgepflichten und Bußgeldgefahr bei Acting in Concert
Neben praktischen Faktoren wie ggf. erhöhten Kosten- und Verwaltungsrisiken liegt die Hauptgefahr bei Collaborative Engagements darin, unbeabsichtigt die Schwelle zum „Acting in Concert“ zu überschreiten. In Deutschland tritt „Acting in Concert“ ein, wenn das abgestimmte Verhalten von zwei oder mehr Aktionären einer börsennotierten Gesellschaft bestimmte Zurechnungstatbestände des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) und des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) erfüllt. Sind demnach die Stimmrechtsanteile der kollaborierenden Aktionäre gegenseitig zuzurechnen, obliegen diese beim Erreichen bestimmter (addierter) Schwellenwerte (3%, 5%, 10%, 15%, 20%, 25%, 30%, 50% oder 75% der Stimmrechte) gem. §§ 33, 34 WpHG einer Meldepflicht gegenüber dem Unternehmen. Darüber hinaus wird gem. §§ 35, 30 WpÜG bei Erreichen oder Überschreiten einer Stimmrechtsschwelle von 30% die Pflicht zur Abgabe eines Übernahmeangebots an alle übrigen Aktionäre ausgelöst, was für die beteiligten Investoren erhebliche finanzielle Folgen haben kann.
Verstöße gegen diese Pflichten sind zum einen bußgeldbewehrt (§ 120 WpHG, § 60 WpÜG). Zum anderen droht als gesetzliche Sanktion der Verlust der Rechte aus den betroffenen Aktien (etwa Dividenden- und Bezugsrechte) für die Zeit, für welche die Pflichten nicht erfüllt werden (§ 44 WpHG, § 59 WpÜG). Den Rechtsverlust können die übrigen Aktionäre etwa im Rahmen von Anfechtungsklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse geltend machen. Auch hieraus können sich erhebliche finanzielle Folgen ergeben. Daher ist auf Investorenseite vor allem ein Bewusstsein für die Zurechnungstatbestände wichtig.
Wann liegt Stimmrechtszurechnung für Acting in Concert vor?
Eine Zurechnung von Stimmrechtsanteilen nach § 34 Abs. 2 WpHG und § 30 Abs. 2 WpÜG liegt vor, wenn Aktionäre ihr Verhalten in Bezug auf eine Zielgesellschaft abstimmen. Ein abgestimmtes Verhalten in diesem Sinne setzt voraus, dass die Aktionäre sich über die Ausübung von Stimmrechten verständigen (Var. 1) oder mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft in sonstiger Weise zusammenwirken (Var. 2). Ausgenommen davon sind Vereinbarungen in Einzelfällen.
Als Grundvoraussetzung erfordert das abgestimmte Verhalten zunächst eine kommunikative Auseinandersetzung, so dass die reine Mitgliedschaft bei einer Engagement-Plattform noch nicht zur Zurechnung führt. Eine Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten (Var. 1) betrifft formelles Collaborative Engagement in Bezug auf das Stimmverhalten bei der Hauptversammlung. Ein sonstiges Zusammenwirken (Var. 2) betrifft weitergehend andere Formen des formellen (Ausübung sonstiger Aktionärsrechte) und informellen Engagements. Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist jeweils die Absicht einer konkreten und tatsächlichen Einflussnahme auf die Zielgesellschaft erforderlich. In Var. 2 muss das Zusammenwirken auf eine dauerhafte und erhebliche Änderung der Unternehmenspolitik, also der grundlegenden Charakteristika wie Geschäftsmodell und Ausrichtungen der Geschäftsbereiche (Einkauf, Entwicklung, Vertrieb etc.) und Finanzierungsstruktur, gerichtet sein und mithilfe gesellschaftsrechtlichen Einflusses umgesetzt werden sollen.
Kritisch ist oft, ob die Zurechnung aufgrund einer Einzelfallausnahme ausscheidet. Ob ein abgestimmtes Verhalten lediglich einen Einzelfall betrifft, ist nach der Rechtsprechung des BGH formal zu beurteilen. In einem Fachartikel aus 2023 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) anhand von Fallbeispielen ihre Auffassung zur Einordnung von Collaborative Engagements als Acting in Concert dargelegt. Hinsichtlich des Merkmals der Einzelfallausnahme folgt sie darin der Auffassung des BGH. Demnach liegt ein Einzelfall grundsätzlich immer dann vor, wenn die jeweilige Verhaltensabstimmung einen einzelnen Sachverhalt betrifft und nicht Bestandteil eines (abgestimmten) Gesamtplans ist bzw. kein Fortsetzungszusammenhang besteht und es somit an einer Kontinuität des abgestimmten Verhaltens fehlt. Daher kann ein Einzelfall sowohl bei einzelnen Abstimmungen über unterschiedliche Gegenstände als auch bei wiederholten Abstimmungen zum selben Sachverhalt gegeben sein: Ist das Verhalten auf einen Lebenssachverhalt beschränkt oder sind die Abstimmungen zu verschiedenen Sachverhalten nur punktuell und außerhalb eines Gesamtplans, erfolgt keine Zurechnung. Gerade in ESG-Belangen betrifft das Collaborative Engagement oft nicht nur einzelne Maßnahmen, so dass eine ganz genaue Betrachtung erforderlich ist. Insbesondere wenn formelle und informelle Arten des Engagements verbunden werden, wird es sich oft nicht mehr um denselben Lebenssachverhalt handeln, mit der Folge der Stimmrechtszurechnung.
Collaborative Engagement: Handlungsempfehlungen für Investoren
Investoren müssen sich zunächst der möglichen Zurechnungstatbestände und potenziellen Folgen bewusst sein. Um die Risiken zu minimieren, dass das Collaborative Engagement als Acting in Concert zu werten ist, sollten bei Abstimmungen mit anderen Aktionären die verschiedenen Formen der Zusammenarbeit beachtet und die Tatbestände sorgfältig geprüft werden. Hierbei kann eine transparente Kommunikation und Dokumentation hilfreich sein: Klare Absprachen, Protokolle und sorgfältige Dokumentation aller Interaktionen und Entscheidungen können im Zweifelsfall nachweisen, dass kein abgestimmtes Handeln vorlag, wenn dies nicht beabsichtigt ist. Zudem ist es vor dem Eingehen von Collaborative Engagements ratsam, rechtlichen Rat einzuholen, um Strategien zur Risikominimierung zu entwickeln und konkrete Abstimmungen abzusichern. Erste Anhaltspunkte hinsichtlich der Zurechnungstatbestände können die Fallgruppen der BaFin geben. Wie aber von ihr selbst dargelegt, sind gerade die Merkmale der Änderung der unternehmerischen Ausrichtung und der Einzelfallausnahme in hohem Maße von den Umständen des Einzelfalls abhängig und bedürfen daher einer sorgfältigen Würdigung, zumal Zivilgerichte an die Ausführungen der BaFin nicht gebunden sind.
Darüber hinaus gilt es, aktuelle Entwicklungen im deutschen Rechtsrahmen abzuwarten. Interessant ist, dass die deutschen Zurechnungsregelungen über die europäischen Vorgaben hinausgehen (anders als in der Übernahme-RL kommt es nach dem WpÜG und WpHG nicht auf den Zweck der Erlangung der Kontrolle sondern auf das Ziel zur Änderung der unternehmerischen Ausrichtung an, womit ein Zusammenwirken schon im Vorfeld formaler Vereinbarungen zur Kontrollerlangung erfasst ist). Dies hat auch den Sustainable Finance Beirat der Bundesregierung in seinem Abschlussbericht veranlasst, eine Absenkung der rechtlichen Hürden für kollaboratives Engagement im Sinne eines europaweit einheitlichen Ansatzes zu empfehlen. Auch der Deutsche Juristentag hat sich mit möglichen Gesetzesänderungen beschäftigt: So wurde auf dem 74. Deutschen Juristentag jüngst im Rahmen der Diskussion, ob sich im Kampf gegen den Klimawandel gesetzgeberische Maßnahmen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts empfehlen, ein Beschluss angenommen, nach dem im Gesetz eine Klarstellung aufgenommen werden soll, dass ein abgestimmtes Verhalten von Aktionären jedenfalls im Hinblick auf eine Verminderung klimaschädlicher Emissionen des Emittenten nicht zu einer Stimmrechtszurechnung führt. Weiterhin würde eine höhere Rechtssicherheit durch Implementierung einer Engagement-Plattform erreicht werden, auf der statt individueller Kollaboration Austausch mit Co-Akteuren und der Aufsichtspraxis hergestellt werden könnte.
Bis dahin sind Investoren aber gehalten das Spannungsfeld zwischen Collaborative Engagement und Acting in Concert im gegebenen Rechtsrahmen mit besonderer Sorgfalt und Weitsicht zu beschreiten.