„Corporate Purpose“ gewinnt für Unternehmen an Bedeutung. Was verbirgt sich dahinter? Kann, gar: muss ein Unternehmen einem höheren Sinn verpflichtet sein?
In diesem Beitrag stellen wir das Konzept des Corporate Purpose vor. Was verbirgt sich eigentlich dahinter? Fest steht: Der Corporate Purpose ist kein rechtliches Konzept – zumindest nicht im klassischen Sinne.
Was ist der Corporate Purpose?
Hinter dem Begriff des Corporate Purpose verbirgt sich eine bestimmte Philosophie, die in den letzten Jahren vermehrt Aufmerksamkeit in der juristischen Literatur und Unternehmenslandschaft gefunden hat. Im Kern beschreibt der Corporate Purpose den Zweck eines Unternehmens, der über den wirtschaftlichen Erfolg und die Gewinnerzielungsabsicht hinausgeht und zusätzlich gesellschaftliche Verantwortung integriert. Die Idee ist simpel, allerdings in gewisser Weise revolutionär: Unternehmen sollen nicht nur für ihre Aktionäre (Shareholder) handeln, sondern auch für alle anderen, die von ihren Tätigkeiten betroffen sind – die sogenannten Stakeholder.
Die gesellschaftliche Diskussion um den Corporate Purpose hat in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen. Durch die zunehmende Sensibilisierung der Öffentlichkeit für soziale und ökologische Verantwortung, getrieben durch den Klimawandel und der Erkenntnis, dass „auf einer begrenzten Erde grenzenloses Wachstum nicht möglich ist“ (so der Club of Rome schon 1972), wird die Legitimität von Unternehmen stärker hinterfragt. Dazu tragen auch Skandale in Bereichen wie Umweltverschmutzung und Ausbeutung von Arbeitskräften bei.
Corporate Purpose ist kein rechtliches „Muss“, kann aber positive Effekte haben
Gesetzliche Vorgaben zur Implementierung eines solchen übergeordneten Gesellschaftszwecks gibt es nicht. In der Satzung muss dieser nicht verankert werden. Auch der Deutsche Corporate Governance Kodex erwähnt in seiner Präambel keine dahingehenden verbindlichen Vorgaben.
Ist der Corporate Purpose deswegen lediglich eine leere Hülle, eine Modeerscheinung und blumiges Management-Sprech?
In der Rechtswissenschaft wird eine solche Annahme kritisch gesehen. So spricht Holger Fleischer von „eine[r] fundamentale[n] Neuausrichtung der Rahmenbedingungen unternehmerischer Betätigung“ (Fleischer, ZIP 2021, 5-15). Danach führt die Neuausrichtung zu einer Verschiebung: Weg von einem ausschließlich gewinnorientierten Handeln hin zu einer Symbiose zwischen Gewinnstreben und der Verfolgung eines gesamtgesellschaftlichen Nutzens.
Wichtig ist dabei: Es geht nicht darum, den Gewinn zugunsten des Gemeinwohls zu reduzieren. Vielmehr soll durch eine auf das Wohl der Allgemeinheit ausgerichtete Tätigkeit langfristig der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens gesteigert werden. Ein solcher Unternehmenszweck schafft einen Mehrwert, der sich positiv auf den Umsatz auswirken kann. Wenn ein Unternehmen nach innen und außen als gesamtgesellschaftlich nützlich wahrgenommen wird, wirkt sich das nicht nur auf die Kundenbindung, sondern auch auf die Mitarbeitergewinnung aus.
Corporate Purpose versus Beitrag zu nachhaltigem Wirtschaften
Ist die Frage nach dem Inhalt des Corporate Purpose beantwortet, stellt sich die Frage seiner eigenen Legitimation: Gibt es nicht bereits seit Langem die Idee desfreiwilligen Beitrags von Unternehmen zu nachhaltiger Unternehmensentwicklung?
Anzuerkennen sind die vielfachen Überschneidungen. Unberücksichtigt bleibt dabei aber die Stoßrichtung und Dimension, welche die hinter dem Corporate Purpose Konzept stehende Philosophie für sich beansprucht: Während freiwillige Beiträge zu nachhaltigem Wirtschaften sich auf bestimmte unternehmerische Maßnahmen konzentrieren, die soziale und ökologische Aspekte im Sinne der Definitionen maßgeblicher, aber unverbindlicher Rahmenwerke (GRI, ISO 26000 etc.) in die Geschäftstätigkeit integrieren, geht der Corporate Purpose weiter. Er ist der zentrale Unternehmenszweck, der nicht nur einzelne Handlungen betrifft, sondern das gesamte unternehmerische Handeln lenkt.
Wo bleibt nun aber das Recht?
Angesichts der steigenden Bedeutung der Idee des Corporate Purpose stellt sich die Frage nach seiner Kodifizierung, nach den geschriebenen rechtlichen Regeln und Pflichten, und vor allem nach seiner Verbindlichkeit. Aus bloßen Unternehmensslogans und Werbetexten lassen sich keine Handlungsmaximen ableiten. Tatsächlich steht der Corporate Purpose aber weiterhin nicht im Fokus gesetzlicher Regelungen oder Sanktionen. Vielmehr geht es um eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen, ihre Handlungen am gesellschaftlichen Wohl auszurichten.
Aufnahme eines übergeordneten Gesellschaftszwecks in die Satzung denkbar
In anderen Ländern wie Frankreich hat die Idee eines übergeordneten Zwecks bereits Einzug in das nationale Gesellschaftsrecht im Sinne einer fakultativen Aufnahme erhalten.
Sicher: Auch in Deutschland wäre die freiwillige oder gar verpflichtende Aufnahme eines übergeordneten Gesellschaftszwecks in die Satzung oder in sonstige vertragliche Vereinbarungen jedenfalls denkbar. Eine Pflicht zur Aufnahme würde allerdings fraglos Rufe nach Bevormundung aufkommen lassen. Bei einer Normierung der Möglichkeit zur freiwilligen Implementierung würden jedenfalls Fragen nach der eigentlichen Bedeutung und den Anforderungen an den Corporate Purpose an Relevanz gewinnen.
Corporate Purpose als unternehmerische Chance
Letztendlich steht bei der Implementierung des Corporate Purpose nicht die rechtliche Verankerung oder Sanktionierung im Vordergrund. Vielleicht bedarf es ihrer auch gar nicht. Vielmehr geht es um ein klares Bekenntnis zu einer Handlungsorientierung, die das gesamtgesellschaftliche Wohl in den Mittelpunkt stellt. Unternehmen, die sich dieser Verantwortung stellen, können nicht nur ihre gesellschaftliche Legitimität stärken, sondern langfristig auch wirtschaftlich profitieren. Der Corporate Purpose ist somit mehr als nur eine Philosophie – er ist eine Chance, unternehmerischen Erfolg mit gesellschaftlichem Nutzen zu verbinden.