Die neue EU-Entwaldungsverordnung ist im Juni 2023 in Kraft getreten. Sie gilt ab Ende 2024 und erfasst nicht mehr nur den Holzhandel.
Ziel der EU-Entwaldungsverordnung ist es, den Beitrag Europas zur weltweiten Entwaldung und Waldschädigung sowie zu Emission von Treibhausgasen und dem Verlust biologischer Vielfalt zu verringern. Auch Unternehmen, die z.B. Kakao, Kaffee, Kautschuk, Soja und Ölpalmen sowie insbesondere deren Derivate wie Palmöl in den Verkehr bringen, müssen sich auf die Regularien einstellen.
EU-Entwaldungsverordnung gilt in vollem Umfang ab dem 30. Dezember 2024
In Deutschland gibt es ca. 27.000 Unternehmen, die Holz oder Holzerzeugnisse importieren. Das Thünen Institut stellte in einer Umfrage 2018 fest, dass nur 42 % dieser Importeure von der Existenz der bereits 2013 in Kraft getretenen European Timber Regulation (EUTR) gehört hatten. Die EUTR stellt für die Abgabe von Holz und Holzerzeugnissen auf dem EU-Binnenmarkt bereits umfassende Compliance-Anforderungen auf. Viele Unternehmen – insbesondere solche, deren Hauptgeschäft nicht das Bereitstellen von Holz ist (z.B., weil sie nur Verpackungen aus Pappe in den Verkehr bringen) – sind in der Vergangenheit von Kontrollen der dafür zuständigen Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung überrascht worden.
Dies könnte zukünftig noch mehr Unternehmen drohen. Am 9. Juni 2023 wurde bereits der verschärfte Nachfolger der EUTR im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Er heißt jetzt Verordnung (EU) 2023/1115 über die Bereitstellung bestimmter Rohstoffe und Erzeugnisse, die mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen, auf dem Unionsmarkt und ihre Ausfuhr aus der Union (EU-Entwaldungsverordnung) und gilt in vollem Umfang ab dem 30. Dezember 2024.
Die EU-Entwaldungsverordnung löst die EUTR ab. Danach dürfen bestimmte Rohstoffe und Erzeugnisse nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn sie aus entwaldungsfreien Lieferketten stammen, gemäß der einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt sind und eine sogenannte Sorgfaltserklärung nachweisen können. Auch bei der EU-Entwaldungsverordnung besteht die Gefahr, dass viele Adressaten von den Anforderungen zu spät erfahren, zumal durch die neue Verordnung weitere Produkte erfasst werden (u.a. auf Werkzeuge, Werkzeugfassungen, Bücher, Zeitungen, Bilddrucke).
Nicht mehr nur Holz: Weitere Rohstoffe erfasst
Ziel der neuen Verordnung ist es – wie der Name schon erahnen lässt – die weltweite Entwaldung einzudämmen. Der Verordnungsgeber beruft sich auf Zahlen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen. Danach sind zwischen 1990 und 2020 weltweit etwa 420 Mio. Hektar Wald – eine Fläche größer als die EU – verloren gegangen. Bereits die derzeit noch gültige EUTR wendet sich mit ihrer Zielrichtung gegen den illegalen Holzeinschlag.
Die neue EU-Entwaldungsverordnung nimmt jetzt zusätzlich die Gewinnung von Holz zur Schaffung landwirtschaftlicher Flächen in den Blick und geht damit über die bloße Rechtskonformität des Holzeinschlages hinaus. Zentrales Kriterium ist die Entwaldungsfreiheit der Lieferketten: Sie ist nach der neuen Verordnung nur sichergestellt, wenn die Produkte auf Flächen erzeugt wurden, die zum Stichtag 31. Dezember 2020 noch nicht entwaldet waren oder – sogar noch weitgehender – die zum Stichtag noch nicht geschädigt waren (Waldschädigung). Die EU-Entwaldungsverordnung nimmt deshalb jetzt auch Akteure in den Anwendungsbereich auf, die mit Rindern, Kakao, Kaffee, Ölpalmen (Palmöl), Kautschuk, Soja (sog. relevante Rohstoffe) und den jeweiligen Erzeugnissen (Derivaten) Handel treiben.
EU-Entwaldungsverordnung weitete den Kreis der Verpflichteten aus
Die EU-Entwaldungsverordnung richtet sich an Unternehmen, die die genannten Rohstoffe oder Erzeugnisse in der EU in Verkehr bringen (Marktteilnehmer) oder diese im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit auf dem Unionsmarkt bereitstellen (Händler).
Noch dringlicher als unter der EUTR ist Unternehmen dabei zu empfehlen, den Anhang I der EU-Entwaldungsverordnung auf mögliche Überschneidungen mit ihren Produkten zu überprüfen. Selbst Unternehmen, die lediglich holzhaltige Verpackungen und Druckerzeugnisse für ihr eigentliches Produkt in der EU in Verkehr bringen, können erfasst sein. Mehr noch: Zukünftig sind auch viele handelsübliche und weit verbreitete Derivate wie Palmöl, Glycerin, Stearinsäure, Schokolade, Reifen und Förderbänder, die im Anhang zur Verordnung aufgelistet sind, erfasst – obwohl diese auf den ersten Blick gar nichts mir Holz zu tun haben.
Welche Sorgfaltspflichten bestehen?
Die EU-Entwaldungsverordnung erfordert für das Inverkehrbringen relevanter Rohstoffe und Erzeugnisse, dass diese entwaldungsfrei sind, gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt wurden und eine Sorgfaltserklärung vorliegt. Um nachzuweisen, dass die relevanten Erzeugnisse diesen Voraussetzungen entsprechen, müssen die Marktteilnehmer und Händler eine Reihe von Sorgfaltspflichten erfüllen. Diese richten sich wie schon unter der EUTR nach dem Dreiklang Informationsgewinnung, Risikobewertung und Risikominimierung.
Adressaten der EU-Entwaldungsverordnung müssen demnach zunächst eine Fülle von Informationen entlang der Lieferkette ihres zu importierenden Erzeugnisses sammeln. Dazu zählt die Verordnung unter anderem
- die genaue Bezeichnung des Produkts,
- Name und Kontaktdaten aller Unternehmen, Marktteilnehmer oder Händler, von denen sie mit den relevanten Erzeugnissen beliefert wurden sowie
- angemessene, schlüssige und überprüfbare Informationen darüber, dass die relevanten Erzeugnisse entwaldungsfrei sind.
Anhand dieser Informationen führen die Marktteilnehmer und Händler dann eine Risikobewertung durch, um festzustellen, ob die Gefahr besteht, dass die relevanten Erzeugnisse die nach der Verordnung erforderliche Konformität nicht besitzen. Bei Vorliegen eines nicht vernachlässigbaren Risikos ist dieses durch die Einholung weiterer Informationen oder andere Maßnahmen (wie z.B. das Durchlaufen besonderer Zertifizierungsverfahren) zu minimieren. Über die Einhaltung dieser Sorgfaltspflichten hat der Marktteilnehmer vor Inverkehrbringen der relevanten Erzeugnisse eine Sorgfaltserklärung gegenüber der zuständigen Behörde zu erbringen. Damit übernimmt der Markteilnehmer die Verantwortung für die Verordnungskonformität des Erzeugnisses.
Höhere Sanktionen drohen bei Verstoß gegen EU-Entwaldungsverordnung
Die EU-Entwaldungsverordnung drängt im Vergleich zur EUTR auch mit seinen Sanktionen auf eine schärfere Umsetzung. Zwar bleibt den Mitgliedstaaten die konkrete Ausgestaltung eines Sanktionssystems vorbehalten – so wie der deutsche Gesetzgeber dies bei der EUTR mit dem Holzhandels-Sicherungs-Gesetz (HolzSiG) gemacht hat. Allerdings stellt die Verordnung Mindeststrafen auf. So ist der Höchstbetrag für etwaige Geldstrafen bei juristischen Personen auf mindestens 4 % des jährlichen Gesamtumsatzes festzusetzen.
Daneben sollen die zuständigen Behörden ermächtigt werden, die Rücknahme eines relevanten Erzeugnisses vom Markt und dessen sofortigen Rückrufs zu erzwingen. Angesichts dieser Ausgangslage ist zu erwarten, dass der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Entwaldungsverordnung die bestehenden Sanktionen verschärfen wird.
EU-Entwaldungsverordnung führt zu einer notwendigen Verschärfung bisheriger Compliancesysteme
Für Unternehmen, die bereits von der EUTR erfasst waren, führt die neue EU-Entwaldungsverordnung zu einer Verschärfung ihrer bisherigen Compliancesysteme und für viele weitere Unternehmen zu einer erstmaligen Implementierung eines entsprechenden Systems.
Diese Entwicklung zeigt einmal mehr, dass gerade in Umweltfragen ESG-Erwägungen stetig in rechtlich verbindliche Regelungen umgesetzt werden. Unternehmen ist grundsätzlich zu raten, diese Entwicklung mit Blick auf ihr Geschäftsfeld im Blick zu halten. Die EU-Entwaldungsverordnung zeigt darüber hinaus (wie auch schon ihr Vorgänger die EUTR), dass Unternehmen ihre Lieferketten regelmäßig unabhängig von ihrem Kerngeschäft auf mögliche regulatorische Vorgaben überprüfen sollten.
Der Beitrag wurde mit Unterstützung von Herrn Philipp Lührmann erstellt.