Mit dem Start des ersten Gebotsverfahrens am 12. März 2024 wurden entscheidende Weichen für die Dekarbonisierung der Industrie gestellt.
Zur Erreichung nationaler und internationaler Klimaschutzziele ist eine grundlegende Transformation von industriellen Produktionsprozessen notwendig. Die Umstellung auf eine klimafreundliche Produktion ist für Unternehmen häufig noch mit hohen Kosten und Preisrisiken verbunden. Das am 12. März 2024 gelaunchte Förderinstrument Klimaschutzverträge soll Unternehmen aus emissionsintensiven Industrien dabei unterstützen, in klimafreundliche Produktionsanlagen zu investieren, die sich andernfalls noch nicht wirtschaftlich rechnen würden.
Durch die Förderung klimafreundlicher Anlagen sollen über die Laufzeit des Förderprogramms bis 2045 zum einen rund 350 Millionen Tonnen CO2 vermieden werden. Zum anderen sollen die Klimaschutzverträge die Markttransformation beschleunigen, indem Infrastruktur, Leitmärkte, Wissen und Expertise aufgebaut werden, die für die Dekarbonisierung insgesamt erforderlich sind.
Wie funktionieren Klimaschutzverträge?
Ihren Ursprung haben die Klimaschutzverträge in den Contracts for Difference (CfD), die auf den Kapitalmärkten entwickelt wurden. Differenzverträge dienen der Absicherung gegen Preisschwankungen, beispielsweise bei Investitionen in Aktien oder Rohstoffe. Beim Vertragsabschluss legen die Vertragsparteien einen bestimmten Basispreis für ein Wirtschaftsgut fest. Zu einem späteren Zeitpunkt hat die eine oder andere Seite der anderen Vertragspartei die Differenz zwischen dem Basispreis und dem aktuellen Preis des Wirtschaftsgutes zu zahlen. Inzwischen werden Differenzverträge auch als Subventionsinstrumente eingesetzt.
Die deutschen Klimaschutzverträge stellen in ihrer Funktionsweise eine neuartige Weiterentwicklung dieses Instruments dar. Mit den Klimaschutzverträgen werden nach dem Konzept von CO2-Differenzverträgen (engl. Carbon Contracts for Difference) die Mehrkosten von Unternehmen aus emissionsintensiven Branchen gefördert, die diesen durch eine klimafreundliche Produktion im Vergleich zu einer konventionellen Referenztechnologie entstehen. Die Unternehmen sind aufgefordert, einen Gebotspreis anzugeben, den sie zur Abdeckung ihrer Mehrkosten für eine klimafreundliche Produktion je Tonne vermiedener Treibhausgasemissionen veranschlagen (sog. Basis-Vertragspreis). Dabei können sie sowohl Investitionsausgaben (CAPEX) als auch Betriebskosten (OPEX) berücksichtigen.
Die Zuwendungen werden über einen Zeitraum von 15 Jahren, beginnend mit dem operativen Beginn des Vorhabens, gewährt. Die Höhe der jährlichen Zuwendungen wird unter Berücksichtigung der Differenz zwischen dem Basis-Vertragspreis und dem effektiven CO2-Preis berechnet (daher auch „CO2-Differenzvertrag“). Über eine sog. Dynamisierung des Basis-Vertragspreises wird zudem die Entwicklung von Energieträgerkosten berücksichtigt. Je weiter der dynamisierte Basis-Vertragspreis und der effektive CO2-Preis auseinanderliegen, umso höher ist die Zuwendung. Nähern sich die Preise im Laufe der Zeit an (z.B., weil der CO2-Preis steigt oder die CO2-Vermeidungskosten aufgrund günstigerer klimafreundlicher Energieträger sinken), wird der Auszahlungsbetrag niedriger. Sofern die transformative Produktion günstiger erfolgen kann als die konventionelle, kehrt sich die Zahlungspflicht um und die Unternehmen müssen Überschusszahlungen an den Staat leisten.
Fördervoraussetzungen im Rahmen des ersten Gebotsverfahrens
Förderfähig ist sowohl die Neuerrichtung von klimafreundlichen Anlagen als auch der Umbau von herkömmlichen Anlagen zu klimafreundlicheren Anlagen. Voraussetzung für die Förderung ist, dass die Vorhaben ab dem dritten vollständigen Kalenderjahr innerhalb der Laufzeit des Klimaschutzvertrags eine relative Treibhausgasemissionsminderung von mindestens 60 % im Vergleich zu einem vorab festgelegten Referenzsystem erreichen. Im letzten Jahr der Vertragslaufzeit müssen die Treibhausgasemissionen um 90 % reduziert sein. Die Referenzsysteme orientieren sich an effizienten und emissionsarmen konventionellen Anlagenkonstellationen.
Gefördert werden nur Mehrkosten transformativer Produktionsverfahren. Transformativ sind solche Produktionsverfahren, die sich durch
- grundlegende technologische Änderungen konventioneller Produktionsverfahren auszeichnen,
- einen erheblichen Bedarf für Investitionen in neue, bislang nicht im Markt etablierte oder den Marktpreis setzende Technologien mit sich bringen und
- fossile Energieträger oder Rohstoffe durch klimafreundlich bereitgestellte Energieträger oder Rohstoffe substituieren.
Das Förderprogramm enthält klare Vorgaben an die zum Einsatz kommenden Energieträger. Sofern Wasserstoff oder Wasserstoffderivate eingesetzt werden, müssen die Anforderungen an grünen oder CO2-armen Wasserstoff erfüllt sein. Fossile Energieträger dürfen nur unter strengen Voraussetzungen zeitlich beschränkt als Brückentechnologie Anwendung finden.
Für den Abschluss eines Klimaschutzvertrags kommen nur Vorhaben infrage, die eine Mindestgröße von durchschnittlich jährlich zehn Kilotonnen CO2 im Referenzsystem aufweisen. Für kleinere Industrieanlagen stehen andere Fördermöglichkeiten zur Verfügung, wie etwa die voraussichtlich in Kürze startende Bundesförderung Industrie und Klimaschutz.
Start des ersten Gebotsverfahrens als Meilenstein
Das erste Gebotsverfahren ist am 12. März 2024 gestartet und umfasst ein Fördervolumen von bis zu vier Milliarden Euro. Dem ersten Gebotsverfahren ist im Sommer 2023 ein vorbereitendes Verfahren vorausgegangen, das dazu diente, Informationen für die Ausgestaltung des Förderprogramms und des ersten Gebotsverfahren zu sammeln und interessierten Unternehmen die Möglichkeit zu geben, Fragen zum Förderprogramm zu stellen. Die Antragsteller mussten zu diesem Zweck verschiedene Informationen zu den von ihnen geplanten Vorhaben zur Verfügung stellen, etwa zu den herzustellenden Produkten, ihrem Referenzsystem, den verwendeten Technologien und Energieträgern sowie den voraussichtlich erreichbaren Treibhausgasemissionseinsparungen.
Unternehmen, die erfolgreich am ersten vorbereitenden Verfahren teilgenommen haben, können noch bis zum 11. Juli 2024 ein Gebot abgeben. Grundsätzlich sind alle Unternehmen im Sinne von § 14 BGB antragsberechtigt. Adressaten des Programms sind vor allem Betreiber emissionsintensiver Anlagen, beispielsweise in der Stahl-, Papier-, Chemie-, Metall- oder Glasindustrie. Die zu fördernden Produktionsanlagen müssen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland betrieben werden. Mehrere Antragsberechtigte können sich unter bestimmten Voraussetzungen auch zu einem Konsortium zusammenschließen und gemeinsam eine Förderung beantragen.
Die Auswahl der geförderten Vorhaben erfolgt über ein wettbewerbliches Gebotsverfahren. Je niedriger der Basis-Vertragspreis ist, den die Unternehmen bieten, umso größer ist die Chance, einen Zuschlag zu erhalten. Hauptkriterium bei der Auswahl von Geboten stellt die Förderkosteneffizienz dar, die aus dem Basis-Vertragspreis und der Kosteneffizienz anderweitiger Förderungen errechnet wird. Bei der Bewertung der Gebote wird außerdem berücksichtigt, welche relative Treibhausgasemissionsminderung bereits in den ersten fünf Jahren erreicht wird. Wer also schon zeitnah eine besonders hohe Emissionsminderung vorweisen kann, hat bessere Chancen auf eine Förderung.
Angesichts des wettbewerblichen Charakters der Gebotsverfahren entfällt die Notwendigkeit einer (Selbst-)Kostenprüfung aufgrund von ANBest-P oder ANBest-P-Kosten und damit der hiermit einhergehende Verwaltungsaufwand. Die Berechnungen zur Ermittlung des Basis-Vertragspreises müssen gegenüber der Bewilligungsbehörde nicht offengelegt werden.
Klimaschutzverträge als weltweites Förderinstrument und bevorstehende Meilensteine
Mit dem Förderprogramm Klimaschutzverträge wurde ein Förderregime eingeführt, das in dem derzeitigen Förderinstrumentenspektrum weltweit einzigartig ist. Auch international findet das Instrument daher Beachtung. Neben verschiedenen europäischen Staaten haben auch Kanada und Südkorea bereits ihr Interesse daran bekundet, nach dem Vorbild der Klimaschutzverträge ähnliche Förderprogramme einzuführen.
Den nächsten großen Meilenstein bildet der Abschluss der ersten Klimaschutzverträge, der so schnell wie möglich nach Ablauf des 11. Juli 2024 erfolgen soll. Das zweite Gebotsverfahren soll nach Ankündigung des Bundeswirtschaftsministers in der Pressekonferenz zum Start des ersten Gebotsverfahrens noch 2024 folgen. Dem zweiten Gebotsverfahren wird voraussichtlich wieder ein vorbreitendes Verfahren vorgeschaltet sein, das im Sommer 2024 starten soll.