Ab welcher Transaktionsgröße kommt der Abschluss einer W&I-Versicherung in Betracht? Zahlen und praktische Orientierungshilfen im Small- und Mid-Cap-Bereich.
Versicherungen, die Garantien und (Steuer-)Freistellungen unter dem Unternehmenskaufvertrag absichern, sogenannte Warranty & Indemnity-Versicherungen (W&I-Versicherungen), erfreuen sich seit Jahren zunehmender Beliebtheit. In einem Haftungsfall haftet mithin regelmäßig nicht der Verkäufer für den eingetretenen Schaden, sondern der W&I-Versicherer unter der abgeschlossenen W&I-Versicherung.
W&I-Versicherung im Small- und Mid-Cap-Bereich
Bei M&A-Transaktionen mit einem Kaufpreis von über EUR 100 Millionen (klassischer Mid-Cap-Bereich) sind W&I-Versicherungen bereits seit langem ein etabliertes Mittel, um Risiken für Verkäufer und Käufer im Zusammenhang mit Garantieverletzungen aus dem Unternehmenskaufvertrag abzusichern. Darüber hinaus werden W&I-Versicherungen aber auch im Small- und unteren Mid-Cap-Bereich zunehmend nachgefragt, wie nicht zuletzt die Ergebnisse der seit 2009 jährlich erscheinenden CMS European M&A Study zeigen:
- Bei M&A-Transaktionen mit einem Kaufpreis von mehr als EUR 100 Millionen ist der Abschluss von W&I-Versicherungen seit langem bewährt. Dies zeigen die Ergebnisse der CMS European M&A Study durchgehend für die Jahre ab 2017 (bereits 35 % in 2017 sowie zuletzt 58% in 2022).
- Der Trend zum Einsatz einer W&I-Versicherung bei Kaufpreisen von über EUR 100 Millionen und damit im klassischen Mid-Cap-Bereich hält weiterhin an.
- Aber auch bei Transaktionen mit einem kleineren Transaktionsvolumen sind W&I-Versicherungen nicht ungewöhnlich. Die CMS European M&A Study 2023 zeigt, dass im Jahr 2022 bei 27 % aller Transaktionen mit einem Volumen von EUR 25 bis 100 Millionen W&I-Versicherungen abgeschlossen worden sind. Datengrundlage für die CMS European M&A Study 2023 waren 509 M&A-Transaktionen.
- Bei Transaktionen mit einem Volumen von unter EUR 25 Millionen wurden im Jahr 2022 immerhin noch bei 5 % der Transaktionen W&I-Versicherungen eingesetzt.
- Über die Jahre zeigt sich in Bezug auf den Einsatz von W&I-Versicherungen bei Kaufpreisen von unter EUR 100 Millionen ein relativ konstantes Bild.
Sind W&I-Versicherungen zu teuer für den Small- und (unteren) Mid-Cap-Bereich?
Bei kleineren M&A-Transaktionen, insbesondere bei Familienunternehmen, war es in der Vergangenheit meist unüblich, eine W&I-Versicherung abzuschließen. Verkäufer waren regelmäßig gewillt, die Haftung für angemessene Garantien und Freistellungen selbst zu übernehmen. Gerade Familienunternehmer betonten, dass sie „ihr Unternehmen ja ohnehin gut genug kennen würden“. Eine W&I-Versicherung wurde und wird daher teils noch oft in Anbetracht der Transaktionsgröße als pauschal ungeeignet und/oder zu teuer angesehen. Zwar hängen die Versicherungsprämien prozentual von der Größe des versicherten Risikos ab, Versicherer werden regelmäßig aber auf eine Mindestprämie bestehen. Bei kleinen Transaktionen und einer niedrigen Versicherungssumme kommt es daher vor, dass aufgrund der Mindestprämie, versichertes Risiko und Versicherungsprämie außer Verhältnis stehen.
Der Kostenaspekt ist indes auch den Anbietern von W&I-Versicherungen nicht verborgen geblieben. Seit ein paar Jahren drängen neue W&I-Versicherer auf den europäischen Markt, die sich auf Angebote speziell für M&A-Transaktionen im Small- und Mid-Cap-Bereich fokussieren und die niedrigere Mindestprämien anbieten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass zunehmend auch Verkäufer in kleineren M&A-Transaktionen Interesse am Abschluss einer W&I-Versicherung bekunden.
„Clean Cut“ & „Clean Exit“ bei Familienunternehmen und Private Equity-Fonds auf Verkäuferseite
Neben dem Ausschluss einer Haftung der Verkäufer für mögliche spätere Schäden, zum Beispiel aus Garantieverletzungen oder Steuerfreistellungen, bietet der Abschluss einer W&I-Versicherung den Vorteil, dass insoweit kein teilweiser Einbehalt des Kaufpreises (Treuhandbetrag) vonnöten ist. Somit steht der Kaufpreis ab Vollzug des Kaufvertrags der Verkäuferseite vollständig zur Verfügung. Bei M&A-Transaktionen im Mittelstand kann dies insbesondere im Falle eines Verkaufs vor dem Hintergrund eines (anstehenden) Generationenwechsels interessant sein, wenn die Verkäuferseite an einer schnellen Abwicklung der Transaktion interessiert ist.
Im Small- und Mid-Cap-Bereich handelt es sich auf Verkäuferseite zudem oftmals um natürliche Personen. Für diese kann ein sogenannter „Clean Cut“ einen interessanten Anreiz für den Einsatz einer W&I-Versicherung bieten. Indem der Käufer die W&I-Versicherung abschließt, kann der Verkäufer als natürliche Person in der Regel eine vertragliche Haftungsbeschränkung auf EUR 1,- für Garantieverletzungen und Ansprüche aus der Steuerfreistellung erreichen. Die W&I-Versicherung kann somit dazu beitragen, den erhaltenen Kaufpreis hinter die „Brandmauer“ zu bringen.
Daneben stehen M&A-Transaktionen, bei denen auf Verkäuferseite ein Private Equity-Fonds (PE-Fonds) auftritt. Es gibt zahlreiche PE-Fonds, die sich auf den deutschen Mittelstand und damit Small- und Mid-Cap-Transaktionen spezialisiert haben. Ein PE-Fonds hat typischerweise – unabhängig von der Transaktionsgröße – ein Interesse an einem „Clean Cut“ bzw. „Clean Exit“. Da die W&I-Versicherung für die von ihr abgedeckten Risiken die Haftung des Verkäufers ersetzt, kann der PE-Fonds die aus dem Verkauf resultierenden Erträge unmittelbar an seine Anleger ausschütten oder für neue Investitionen verwenden, ohne einen Teil des Kaufpreises für etwaige Garantie- und/oder Freistellungsansprüche zurückstellen zu müssen (Clean Exit). Auch für den Käufer ist der Abschluss einer W&I-Versicherung regelmäßig zielführend, da dies die Verhandlungen über Garantien und Freistellungen wesentlich erleichtern kann. Ein PE-Fonds hält seine Beteiligung typischerweise als reiner Finanzinvestor, ohne unmittelbar in das Management des zu verkaufenden Unternehmens eingebunden zu sein. PE-Fonds als Verkäufer scheuen daher eher davor zurück, ohne entsprechenden Versicherungsschutz weitreichende oder bei einem inhaber- oder familiengeführten Unternehmen üblichere operative Verkäufergarantien abzugeben. Das vom PE-Fonds eingesetzte Fremd-Management wird in aller Regel keine eigene Haftung für durch den Verkäufer abzugebende operative Garantien übernehmen wollen. Der Abschluss einer W&I-Versicherung kann sich daher als Win-win-Situation für alle Beteiligten darstellen.
Worauf es beim Abschluss von W&I Versicherungen im Small- und Mid-Cap-Bereich besonders zu achten gilt
Auch wenn nicht selten erst bei den Verhandlungen über den Kaufvertrag die Frage nach einer W&I-Versicherung gestellt wird, ist es empfehlenswert, sich so früh wie möglich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der Abschluss einer W&I-Versicherung im konkreten Fall sinnvoll sein könnte. Denn die Entscheidung wirkt sich auf den gesamten Verkaufsprozess aus.
Vor allem im Small-Cap-Bereich steht auf der Käuferseite oftmals nur ein begrenztes Budget für die Durchführung der Due-Diligence zur Verfügung. Der W&I-Versicherer wird die im Unternehmenskaufvertrag vorgesehenen Garantien und Freistellungen aber nur dann versichern, wenn ihm der Due-Diligence-Report eine hinreichende Grundlage für die eigene Risikoeinschätzung bietet. Die relevanten Unternehmensinformationen und -daten müssen vom Verkäufer aufbereitet und zur Verfügung gestellt werden, um dem Käufer eine hinreichend detaillierte Due-Diligence-Prüfung zu ermöglichen, die den Ansprüchen der W&I-Versicherung genügt. Der damit verbundene Zeit- und Kostenaufwand auf Käufer- und Verkäuferseite darf gerade bei Small-Cap-Transkationen nicht unterschätzt werden.
Bei kleinen Transaktionen, die zudem oft mit einem strikten, kurzen Zeitplan einhergehen, kann zusätzlich die Frage aufkommen, ob der Einsatz einer W&I-Versicherung den Verkaufsprozess nicht verkompliziert und damit verlangsamt. Aufgrund der heutzutage weitgehenden Professionalisierung und Standardisierung des Prozesses zum Abschluss einer W&I-Versicherung ist dies jedoch kaum mehr der Fall. Bei guter Vorbereitung ist der Abschluss einer W&I-Versicherung in aller Regel innerhalb von zwei Wochen, mitunter sogar binnen weniger Tage, möglich.
Synthetische W&I-Versicherung
Bei sogenannten synthetischen W&I-Versicherungen werden (bestimmte) Garantien und Steuerfreistellungen ausschließlich zwischen dem Käufer und dem W&I-Versicherer verhandelt. Die Versicherung erfolgt „synthetisch“, da die betreffenden Garantien und Steuerfreistellungen keinen Eingang in den Unternehmenskaufvertrag finden und mithin von diesem losgelöst sind. Es ist sodann zum Beispiel möglich, dass der Verkäufer im Unternehmenskaufvertrag nur noch sogenannte Fundamentalgarantien (Garantien auf das unbelastete Eigentum am Verkaufsobjekt) abgibt und daneben haftet, wenn er arglistig getäuscht oder vorsätzlich gehandelt hat. Obgleich synthetische W&I-Versicherungen auf dem W&I-Versicherungsmarkt zunehmend zu finden sind, bleibt abzuwarten, inwiefern diese bei Small- und Mid-Cap-Transaktionen zukünftig eine Rolle spielen werden.
Kosten der W&I-Versicherung und wer trägt diese?
Bei der Frage nach der Sinnhaftigkeit einer W&I-Versicherung im Small- und Mid-Cap-Bereich sollten immer auch die Kosten der W&I-Versicherung berücksichtigt werden. Während die Prämien zu Beginn des Aufkommens von W&I-Versicherungen bei M&A-Transaktionen noch eher hoch waren, sinken diese nunmehr seit einigen Jahren kontinuierlich. Grund hierfür ist ein hoher Wettbewerb im W&I-Versicherungsmarkt.
Häufig trägt der Käufer als Versicherungsnehmer die Kosten der W&I-Police, selbst wenn der Abschluss einer W&I-Versicherung zumeist von der Verkäuferseite verlangt und ggf. bereits im Vorfeld der Transaktion angestoßen wird. So kann der Verkäufer in einem Bieterverfahren etwa frühzeitig seine Erwartung an den Abschluss einer W&I-Versicherung kommunizieren. Jedenfalls in einem kompetitiven Bieterverfahren wird ein Kaufinteressent sodann sorgfältig abwägen müssen, ob er den Abschluss einer W&I-Versicherung pauschal ablehnen will oder nicht. Wird der Wunsch der Verkäuferseite auf Abschluss einer W&I-Versicherung abgelehnt, besteht für den betreffenden Bieter das Risiko, aus dem Bieterverfahren auszuscheiden.
Zusammenfassung & Ausblick
In der Praxis spielen W&I-Versicherungen nach wie vor insbesondere bei Transaktionen mit einem Kaufpreis von mehr als EUR 100 Millionen eine bedeutende Rolle. Die W&I-Versicherung ist inzwischen aber auch bei M&A-Transaktionen mit kleineren Transaktionsvolumina angekommen.
Im Ergebnis gilt es, die mit dem Abschluss einer W&I-Versicherung verbundenen Vor- und Nachteile anhand des konkreten Einzelfalls abzuwägen. Insoweit bieten sich auch im Small- und Mid-Cap-Bereich vielfältige Einsatzmöglichkeiten für eine W&I-Versicherung. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich W&I-Versicherungen bei Small- und Mid-Cap-Transaktionen weiterhin am Markt etablieren werden.