6. September 2023
Kapitalerhöhung Zukunftsfinanzierungsgesetz
Zukunftsfinanzierungsgesetz

Kapitalerhöhungen – Erleichterungen durch ZuFinG und EU Listing Act geplant

Neue Gesetzesvorhaben sehen Lockerungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Aufnahme neuen Eigenkapitals vor. Wachstums- und KMU sollen gestärkt werden.

Die Bundesregierung hat in ihrer 71. Kabinettssitzung am 16. August 2023 den Entwurf eines Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen – oder kurz: Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) – beschlossen. Durch die Gesetzesänderungen soll die Mobilisierung von Kapital für Investitionen gefördert werden, unter anderem durch Erleichterungen bei Kapitalerhöhungen.

Gesetzliche Vorgaben zu Kapitalerhöhungen sollen abgesenkt und so Kapitalaufnahme erleichtert werden

Die Kapitalerhöhung stellt ein essenzielles Mittel der (Eigenkapital-)Unternehmensfinanzierung dar. Aufgrund der unterschiedlichen betroffenen Interessen von Gesellschaft, Anteilsinhabern und Dritten sind vielfältige Anforderungen bei Beschluss und Durchführung der Erhöhung sowie regulatorische Vorgaben zu beachten. Jüngste Gesetzgebungsvorhaben auf nationaler und EU-Ebene (ZuFinG und EU-Listing Act) erkennen wachsende sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) als Innovationstreiber an und beabsichtigen, die Aufnahme von Eigenkapital und den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern. Der Beitrag beleuchtet die geplanten Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen von Kapitalerhöhungen.

Gesellschaftsrechtliche Änderungen an drei Stellen

Mit der Erhöhung des Grundkapitals kann die Eigenkapitalbasis von Aktiengesellschaften auch nach dem Gründungsakt noch erweitert werden. Damit wird die zentrale Funktion der AG als Kapitalsammelstelle über die Gründung auf die weitere Bestandsdauer der Gesellschaft ausgedehnt. Praktisch dient die Kapitalerhöhung jungen bzw. wachsenden Unternehmen im Rahmen von Finanzierungsrunden zur Aufnahme frischen Eigenkapitals durch neue oder bestehende Investoren. 

Technisch ist dabei neben diversen Beschluss- sowie registergerichtlichen Verfahrensvoraussetzungen v.a. das Bezugsrecht der bereits vor der Kapitalmaßnahme beteiligten Aktionäre (Altaktionäre) zu beachten, durch welches diese vor einer Verwässerung ihrer Beteiligung geschützt werden und welches nur in engen Grenzen ausgeschlossen werden kann. Neben der regulären Kapitalerhöhung dient auch die bedingte Kapitalerhöhung dem Zufluss neuer Mittel. Diese kennt grundsätzlich kein Bezugsrecht, denn sie ist zweckgebunden auf u.a. die Vorbereitung eines Zusammenschlusses mehrerer Unternehmen oder die Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer oder Geschäftsführer (§ 192 Abs. 2 AktG). Ist das Bezugsrecht im Rahmen der regulären oder (ausnahmsweise) bedingten Kapitalerhöhung ganz oder zum Teil ausgeschlossen, können die Altaktionäre den Erhöhungsbeschluss nach bisheriger Rechtslage mit der Begründung anfechten, dass der Ausgabe- bzw. Mindestbetrag unangemessen niedrig ist.

Im Rahmen dieser vorgenannten Teilaspekte der Kapitalerhöhung sollen gemäß dem aktuellen Regierungsentwurf des ZuFinG nun gesellschaftsrechtliche Erleichterungen an drei Stellen erfolgen:

  • Die Grenze beim vereinfachten Bezugsrechtsausschluss soll von bisher 10 % des Grundkapitals auf 20 % angehoben werden.
  • Die Grenzen des bedingten Kapitals bei Unternehmenszusammenschlüssen sowie für Bezugsrechte von Arbeitnehmern und Mitgliedern der Geschäftsführung sollen von 50 % und 10 % auf jeweils 60 % bzw. 20 % erhöht werden.
  • Streitigkeiten über die Angemessenheit der Höhe des Ausgabebetrages bei Kapitalmaßnahmen sollen nunmehr (außerhalb von Fällen des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses) nicht mehr im Rahmen eines Anfechtungsverfahrens sondern im Spruchverfahren zu entscheiden sein. Im Fall der Unangemessenheit soll ein Ausgleich durch Barzahlung sowie durch Gewährung zusätzlicher Aktien möglich sein.

Bezugsrechtsausschluss bei 20 statt 10 Prozent des Grundkapitals

Nach derzeitiger Gesetzeslage kann bei börsennotierten Aktiengesellschaften jedem Altaktionär zustehende Bezugsrecht insbesondere dann (vereinfacht, d.h. ohne sachlichen Grund) ausgeschlossen werden, wenn die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen 10 % des Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet (§ 186 Abs. 3 S. 4 AktG). Diese Grenze soll nun auf 20 % des Grundkapitals angehoben werden. Laut Begründung des Gesetzesentwurfs sollen dadurch Kapitalerhöhungen erleichtert und deren Durchführung beschleunigt werden. Das leuchtet ein, denn im Fall eines Bezugsrechts steht den Altaktionären eine zweiwöchige Frist zur Ausübung dieses Rechts zu. Dadurch wird nicht nur der Prozess der Kapitalaufnahme verlangsamt, es erhöht sich auch der Verwaltungsaufwand und die Kostenlast – Faktoren, die besonders für Wachstumsunternehmen mit oft hohem und kurzfristigem Kapitalbedarf kritisch sind. Insbesondere führt die Einräumung von Bezugsrechten auch zu einem öffentlichen Angebot und damit zu einer Prospektpflicht.

Zu berücksichtigen ist andererseits, dass die geplante Änderung einseitig dem Finanzierungsinteresse der Gesellschaft vor dem – ebenfalls durch die Vorschrift geschützten – Bestandsinteresse der Altaktionäre dient. Dies mag man kritisch sehen. Die Erhöhung des Schwellenwertes erscheint jedoch aus zumindest vier Gründen gerechtfertigt.

  • Eine Verkürzung der Ausübungsfrist selbst kommt nicht, jedenfalls nicht ohne Weiteres, in Betracht. Denn sie wurde durch europarechtliche Vorgaben aufgenommen und könnte nur unter Mitwirkung des europäischen Gesetzgebers geändert werden.
  • Altaktionäre bleiben nach wie vor geschützt durch das Erfordernis einer Dreiviertelmehrheit für den Kapitalerhöhungsbeschluss, die Koppelung des Ausgabebetrages an den Börsenpreis sowie die Möglichkeit des Nachkaufs von Aktien an der Börse.
  • Es ist anzuerkennen, dass sich die Unternehmenslandschaft und deren Finanzierungsmärkte seit der Einführung der 10 % Schwelle im Jahr 1994 wesentlich verändert haben. Start-Ups und Wachstumsunternehmen haben an Bedeutung gewonnen. Diese sind häufig wegen langer Entwicklungszeiten besonders kapitalintensiv. Es besteht daher ein Bedürfnis, auch im Wettbewerb um (inter)nationale Kapitalgeber, die gesetzlichen Voraussetzungen und das Verfahren bei Kapitalerhöhungen zu erleichtern.
  • Darüber hinaus ermöglicht die Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG („Prospektverordnung″) bereits die prospektfreie Durchführung von Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluss, wenn die neuen Aktien weniger als 20 % der Zahl der am selben geregelten Markt einer Börse zugelassenen Aktien ausmachen. 

Die geplante Anhebung des Grenzwerts beim vereinfachten Bezugsrechtsausschluss führt zu einer höheren Flexibilität für die Finanzierung von Aktiengesellschaften. Dass die gesetzlichen Voraussetzungen dadurch (leicht) zulasten der Bestandsaktionäre verschoben werden, ist angesichts deren verbleibender Schutzmöglichkeiten und der überwiegenden Bedürfnisse nach Vereinfachung, Beschleunigung und Kostenreduzierung hinzunehmen.

Erhöhung von Schwellenwerten bei bedingtem Kapital 

Die bedarfsabhängige, bedingte Kapitalerhöhung darf nach aktueller Gesetzeslage zur Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten auf Grund von Wandelschuldverschreibungen, für Zwecke der Vorbereitung des Zusammenschlusses mehrerer Unternehmen oder zur Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer oder Mitglieder der Geschäftsführung nur durchgeführt werden, wenn der Nennbetrag des bedingten bzw. beschlossenen Kapitals 50 % und konkret in Bezug auf die Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung 10 % des zur Zeit der Beschlussfassung vorhandenen Grundkapitals nicht überschreitet (§ 192 Abs. 2 Nr. 2 u. 3, Abs. 3 S. 1 AktG). Diese Grenzwerte sollen auf 60 % bzw. 20 % angehoben werden. Hinsichtlich der Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten auf Grund von Wandelschuldverschreibungen soll es hingegen beim Grenzwert von 50 % des Grundkapitals verbleiben.

Die Erhöhung der Grenzen beim bedingten Kapital für Unternehmenszusammenschlüsse soll Aktiengesellschaften eine höhere Flexibilität und größeren Spielraum beim Zusammenschluss mit anderen Gesellschaften einräumen. Es bleibt jedoch fraglich, wie schlagkräftig sich diese geplante Änderung auswirken würde. In der Praxis stellt der Hauptanwendungsfall des bedingten Kapitals die Verwirklichung von Umtausch- oder Bezugsrechten dar. Dies gilt insbesondere hinsichtlich von Wandelschuldverschreibungen, für die nach dem Gesetzesentwurf aber ausdrücklich keine Erhöhung vorgesehen ist. Sie profitieren von den Grenzwerterhöhungen lediglich mittelbar, indem sich der Beschluss zur Ausnutzung eines bedingten Kapitals für die übrigen Zwecke um bis zu maximal 10 % nicht nachteilig auf die Nutzung für Wandelschuldverschreibungen auswirkt. Bei Unternehmenszusammenschlüssen stehen in der Praxis hingegen oftmals anderweitige Finanzierungsformen im Vordergrund.

Die Erhöhung des maximalen Nennbetrags des bedingten Kapitals auf 20 % im Zusammenhang mit der Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung (sog. Stock Options) soll Aktiengesellschaften mehr Möglichkeiten bei der Mitarbeiterincentivierung gewähren. Gerade junge und wachsende Unternehmen haben ein hohes Bedürfnis, talentierte Mitarbeiter zu finden und Anreize für eine stärkere Identifikation mit dem Unternehmen, eine längerfristige Bindung und unternehmerisches Denken zu schaffen – ohne dabei die knappe Liquidität zu belasten und um eine im Vergleich zu etablierten Unternehmen wettbewerbsfähige Vergütung anbieten zu können. Mitarbeiterbeteiligungen wie Stock Options stellen hierfür ein wichtiges Mittel dar. Die Erhöhung des Grenzwertes des bedingten Kapitals erweitert die Möglichkeiten solcher Mitarbeiterbeteiligungen und ist zur Förderung von Start-Ups zu begrüßen. Auch hier bedeutet die geplante Änderung eine einseitige Verschiebung der gesetzlichen Voraussetzungen zugunsten der Interessen der Gesellschaft. Eine Beeinträchtigung der Altaktionäre erscheint dem Gesetzgeber angesichts der o.g. gewichtigen Gründe aber als hinnehmbar, denn es bleibt beim Erfordernis einer Grundsatzentscheidung der Gesellschaft (Dreiviertelmehrheit) und die Altaktionäre sind durch die strengen Mitteilungserfordernisse hinsichtlich Berechtigter und Aufteilung der Bezugsrechte geschützt, zumal die verbesserten Wachstumsmöglichkeiten und damit verbundenen Wertsteigerungen auch ihnen zugute kommen. Schließlich bleibt auch hier die Auswirkung der Änderung in der Praxis abzuwarten, insbesondere wo Mitarbeiterincentivierung nicht über bedingtes Kapital, sondern über (weit verbreitete) schuldrechtliche Vereinbarungen (einschließlich virtueller Beteiligungsformen) vorgenommen wird.

Beschleunigung durch Spruch- statt Anfechtungsverfahren 

Nach bisheriger Gesetzeslage sind Aktionäre, die bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen unter Ausschluss ihres Bezugsrechts der Auffassung sind, dass der Ausgabebetrag unangemessen niedrig ist, angehalten, den Kapitalerhöhungsbeschluss anzufechten (§ 255 Abs. 2 S. 1 AktG). Die geplante Gesetzesänderung sieht vor, dass Streitigkeiten über die Angemessenheit der Höhe des auf eine Aktie entfallenden Wertes der Einlage fortan im Spruch- statt dem Anfechtungsverfahren zu erörtern sind. Dies wird bereits seit einiger Zeit in Praxis und juristischer Fachliteratur diskutiert und gefordert. Ähnlich wie die oben ausgeführten Änderungen soll die Neuerung der Erleichterung und Beschleunigung der Durchführung von Kapitalerhöhungen dienen. Dies leuchtet ein, denn die bislang vorgesehene Anfechtung kann dazu führen, dass der Kapitalerhöhungsbeschluss für einen längeren Zeitraum nicht eingetragen werden kann, da für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens eine Hemmung der Wirksamkeit der Kapitalerhöhung besteht. Demgegenüber besteht der in der Praxis geäußerte Wunsch, Kapitalerhöhungen möglichst zeitnah nach der Beschlussfassung eintragen zu können und wirksam werden zu lassen. 

Gegenüber diesen gewichtigen Interessen von Aktiengesellschaften und Kapitalgebern sind die Rechte der betroffenen Aktionäre nicht beschnitten: Der Gesetzesentwurf sieht im Fall der Unangemessenheit einen Ausgleichsanspruch der Aktionäre vor, dessen Bestimmung dem Spruchverfahren unterliegt. Dies erscheint angemessen, denn das berechtigte Interesse der Aktionäre bezieht sich bei einem unangemessen niedrigen Ausgabebetrag auf die Erhöhung dieses Betrags und nicht auf eine Beseitigung der Kapitalerhöhung an sich. Dies wäre aber gerade die Folge der Anfechtungsklage. Demgegenüber ist eine Erhöhung des Ausgabebetrages ohne größere Probleme auch noch nach erfolgter Kapitalerhöhung möglich, so dass eine Hemmung der Wirksamkeit nicht zwingend notwendig ist. Die geplante Gesetzesänderung bedeutet insoweit lediglich eine andere Verortung des Streitverfahrens und baut damit Hemmnisse für in der Praxis geforderte rasche Kapitalerhöhungen ab, während die betroffenen Aktionäre vor einer Verwässerung durch einen Ausgleichsanspruch geschützt bleiben.

Allerdings nimmt der Regierungsentwurf im Unterschied zum Referentenentwurf solche Kapitalerhöhungen vom Spruchverfahren aus, die im Wege des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses durchgeführt werden. Hintergrund sind die sonst insbesondere im Fall der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals unter vereinfachtem Bezugsrechtsausschluss entstehenden praktischen Probleme für börsennotierte Gesellschaften, die sich simultan verschiedenen Spruchverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem soll die Anfechtung beim vereinfachten Bezugsrechtsausschluss nicht zu Erschwerungen für die Praxis führen, da es sich hierbei nicht um schwierige Bewertungsfragen handelt und so in vielen Fällen eine Entscheidung im Freigabeverfahren nach § 246a AktG Beschleunigung bringt. 

Weiterhin ist im Regierungsentwurf die Einführung zweier neuer Paragraphen, der §§ 255a, 255b AktG-E, vorgesehen. Nach § 255a AktG-E soll im Kapitalerhöhungsbeschluss bestimmt werden können, dass anstelle der Barausgleichszahlung zusätzliche Aktien der Gesellschaft gewährt werden. Damit wird der Schutzmechanismus über die Ausgleichszahlung insbesondere für die Fälle erweitert, in denen als Sacheinlage die Einbringung von Unternehmen oder Unternehmensanteilen erbracht werden soll. Da die wirtschaftliche Lage dann mit derjenigen bei der Verschmelzung vergleichbar ist, soll in Anlehnung an § 72a UmwG ein entsprechender Ausgleich in Aktien ermöglicht werden. Dies ist zu befürworten, da so in diesen Fällen der Gefahr begegnet werden kann, dass durch Ausgleichsansprüche die Liquidität der Gesellschaft übermäßig belastet wird. Streitigkeiten zur Durchsetzung des Anspruchs auf Gewährung zusätzlicher Aktien sollen ebenfalls dem Spruchverfahren zugeordnet sein. Flankierend zur Möglichkeit der Gewährung zusätzlicher Aktien statt Barausgleich sieht § 255b AktG-E, angelehnt an § 72b UmwG, vor, dass die zusätzlichen Aktien im Wege einer (weiteren) Sachkapitalerhöhung geschaffen werden können. Dieser Gleichlauf zum UmwG leuchtet an der Stelle ein, da so ein Liquiditätsabfluss der Gesellschaft vermieden werden kann und § 255a AktG-E nicht nur auf Fälle begrenzt ist, in denen die Gesellschaft die zusätzlichen Aktien durch Übertragung eigener Aktien gewähren kann. 

Kapitalmarktrechtliche Aspekte im Kontext des Listing Acts der Europäischen Union 

Die neuen Akzente für Kapitalerhöhungen von Aktiengesellschaften, die das ZuFinG setzen wird, lassen sich nicht losgelöst von den Entwicklungen im europäischen Kapitalmarktrecht betrachten. Der noch vor dem Referentenentwurf des ZuFinG von der Europäischen Kommission veröffentlichte Entwurf des EU Listing Act beabsichtigt die Steigerung der Attraktivität der öffentlichen Kapitalmärkte in der Union für Unternehmen und soll der Erleichterung des Kapitalzugangs für kleine und mittlere Unternehmen dienen. Er enthält u.a. Änderungen der Prospektverordnung (Verordnungsentwurf COM[2022]762).

Die Prospektverordnung regelt, dass grundsätzlich die Veröffentlichung eines Prospekts erforderlich ist, wenn übertragbare Wertpapiere wie Aktien öffentlich angeboten oder zum Handel an einem geregelten Markt (d.h. im organisierten Markt einer Börse) zugelassen werden sollen. Während die Prospektverordnung in ihrem Art. 1 Abs. 5 für die Zulassung von Wertpapieren, die mit bereits zum Handel am selben geregelten Markt zugelassenen Wertpapieren fungibel sind und über einen Zeitraum von 12 Monaten weniger als 20 % der bereits zugelassenen Wertpapiere ausmachen, eine Ausnahme vorsieht, besteht für ein öffentliches Angebot von Wertpapieren keine vergleichbare Ausnahme. Die Ausgabe neuer Aktien im Rahmen einer Bezugsrechtskapitalerhöhung (also ohne Ausschluss des Bezugsrechts der Altaktionäre) einer bereits börsennotierten Aktiengesellschaft ist allerdings als öffentliches Angebot neuer Aktien aufzufassen. Folglich ist die organisatorisch aufwändige, kostenträchtige und zeitintensive Erstellung und Veröffentlichung eines von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gebilligten Wertpapierprospekts aktuell bereits immer dann erforderlich, wenn das Grundkapital der Gesellschaft im Rahmen einer Barkapitalerhöhung um mehr als 10 % erhöht werden soll, weil der vereinfachte Bezugsrechtsausschluss dann nicht in Frage kommt. Durch die Erhöhung des Grenzwerts zum vereinfachten Ausschluss der Bezugsrechte auf 20 % des Grundkapitals erleichtert das ZuFinG somit börsennotierten Gesellschaften die Aufnahme neuer Eigenmittel in bar erheblich.

Der EU Listing Act sieht übrigens weitere Erleichterungen vor. Die aktuell auf den geregelten Markt beschränkte Ausnahme des Art. 1 Abs. 5 der Prospektverordnung soll auf Unternehmen ausgedehnt werden, deren Wertpapiere mindestens in den zurückliegenden 18 Monaten zum Handel ununterbrochen im Freiverkehr an einem KMU-Wachstumsmarkt notiert waren. Zusätzlich soll die Schwelle von 20 % auf 40 % erhöht werden.

Darüber hinaus soll auch das öffentliche Angebot neuer Aktien für eine Kapitalerhöhung prospektfrei ermöglicht werden, sofern sie innerhalb der zurückliegenden 12 Monate insgesamt weniger als 40 % der bereits zum Handel im geregelten Markt zugelassenen bzw. in den Freiverkehr an einem KMU-Wachstumsmarkt einbezogenen Aktien betreffen und mit diesen fungibel sind. Ein öffentliches Angebot sowie die Zulassung fungibler Wertpapiere zu solchen, die bereits mindestens 18 Monate zum Handel am regulierten Markt oder KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind, soll außerdem auch oberhalb der Schwelle von 40 % prospektfrei möglich sein, sofern u.a. ein in Anhang IX beschriebenes 10-seitiges Dokument bei der BaFin eingereicht und veröffentlicht wird.

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