13. Februar 2020
Aufsichtsratsvergütung Umsatzsteuerpflicht
Steuerrecht

Ist die Aufsichtsratsvergütung umsatzsteuerpflichtig?

Die Frage nach umsatzsteuerpflichtiger Aufsichtsratsvergütung sollten sich aktuell Aufsichts- und Verwaltungsräte sowie betroffene Unternehmen stellen.

Bislang konnte ohne weitere Unterscheidung bei der Vergütung eines Aufsichtsratsmitglieds von einem umsatzsteuerpflichtigen Entgelt ausgegangen werden. Nach einer neuen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) dürfte sich dies zukünftig ändern.

Nach der Entscheidung könnte zukünftig in vielen Fällen die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds für Zwecke der Umsatzsteuer als unselbstständig anzusehen sein, so dass die Vergütung hierfür nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Die Entscheidung sollte sowohl von Aufsichtsratsmitgliedern als auch von Unternehmen berücksichtigt werden, um steuerliche Schäden zu vermeiden.

BFH: Mitwirkung des Aufsichtsratsmitglieds keine selbstständige unternehmerische Tätigkeit, wenn feste Vergütung gezahlt wird

Der BFH sah in dem entschiedenen Fall die Vergütung eines Aufsichtsratsmitglieds mangels Selbstständigkeit der Leistungen als Aufsichtsratsmitglied für Zwecke der Umsatzsteuer als nicht steuerbar an.

Die Fallkonstellation, die der Entscheidung zugrunde lag, lässt sich wie folgt zusammenfassen: Das Aufsichtsratsmitglied war zugleich leitender Angestellter der Muttergesellschaft derjenigen Aktiengesellschaft (AG), für die er als Mitglied des Aufsichtsrats tätig war. Die Tätigkeit wurde durch eine Festvergütung und Auslagenersatz vergütet. Die Vergütung wurde ferner auf sein Gehalt bei der Muttergesellschaft angerechnet. Die AG rechnete zunächst durch Gutschrift unter Ausweis von Umsatzsteuer mit dem Aufsichtsratsmitglied ab.

Das Mitglied widersprach im Nachhinein dem Umsatzsteuerausweis und zahlte die Umsatzsteuer nachträglich an die AG zurück. Das Aufsichtsratsmitglied machte geltend, dass er seine Aufsichtsratstätigkeit nicht als Unternehmer ausübe. Das Finanzamt und auch das Finanzgericht gingen weiterhin von einer Umsatzsteuerpflicht aus.

Der BFH gab in seiner Entscheidung vom 27. November 2019 (Az. V R 23/19) dem Kläger Recht. Nach Auffassung des BFH ist die Mitwirkung des Aufsichtsratsmitglieds an den Beschlüssen des Aufsichtsrats (§ 108 AktG) jedenfalls dann keine selbstständige unternehmerische Tätigkeit, wenn das Mitglied lediglich eine feste Vergütung erhält. In diesem Fall sieht der BFH ungeachtet einer potentiellen Haftung des Aufsichtsratsmitglieds kein hinreichendes wirtschaftliches Risiko für eine selbstständige Tätigkeit im umsatzsteuerrechtlichen Sinne.

Entscheidung zur Aufsichtsratsvergütung von grundsätzlicher Bedeutung

Überraschend an dieser Wertung ist, dass weder die Unabhängigkeit des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds noch die fehlende Weisungsbindung oder das Gebot der persönlichen Ausübung des Amts den BFH dazu veranlassten, für Zwecke der Umsatzsteuer eine Selbstständigkeit anzunehmen.

Nach der Begründung der Entscheidung spielte es für den BFH hierbei keine Rolle, dass das Aufsichtsratsmitglied zugleich Angestellter der Muttergesellschaft war und die Vergütung dort auf dessen Gehalt angerechnet wurde. Damit hat die Entscheidung auch für andere Fallkonstellationen Bedeutung und ist somit grundsätzlicher Natur.

Der BFH begründete dieses Abweichen von seiner bisherigen Rechtsprechung mit einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in einen niederländischen Vorabentscheidungsverfahren. Der Gerichtshof hatte in dem Verfahren ebenfalls eine selbstständige Tätigkeit des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds u.a. deshalb verneint, weil dieser die dem Aufsichtsrat übertragenen Befugnisse nicht individuell ausüben könne und er bei einer festen Vergütung, die

weder von seiner Teilnahme an Sitzungen noch von seinen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhänge,

im Unterschied zu einem Unternehmer keinen nennenswerten Einfluss auf seine Einnahmen oder Ausgaben ausübe.

Offen ließ der BFH, ob bei Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung (§ 113 (3) AktG) eine Unternehmereigenschaft des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds vorliegt. Auch dies ist einigermaßen überraschend, da bislang eine ergebnisabhängige Vergütung kein maßgebliches Kriterium für die umsatzsteuerrechtliche Selbstständigkeit war und, allerdings in etwas anderen Zusammenhängen – nämlich zur Frage der Steuerbarkeit eines Gesellschafterbeitrags –, gerade eine ergebnisabhängige Vergütung eher für eine Nichtsteuerbarkeit sprechen würde. Die ertragsteuerliche Würdigung einer Aufsichtsratsvergütung als Teil der selbstständigen (freiberuflichen) Einkünfte wird durch die Entscheidung zwar nicht beeinträchtigt; allerdings verbleibt ein gewisser Wertungswiderspruch.

Erfreulich war für das Aufsichtsratsmitglied im entschiedenen Fall, dass er entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung den für ihn in der Gutschrift ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag nicht aufgrund eines falschen Steuerausweises nach § 14c UStG weiterhin schuldete. Die Gutschrift, mit welcher die Aktiengesellschaft zunächst gegenüber dem Kläger unter Ausweis von Umsatzsteuer abgerechnet hatte, wirkt danach bei einem Nicht-Unternehmer nicht als Rechnung.

Nichtsteuerbarkeit von Aufsichtsratsvergütungen dürfte auch für Verwaltungsratsvergütungen gelten

Es ist zu vermuten, dass die Finanzverwaltung noch ihre Auffassung zur Anwendungsbreite der BFH-Entscheidung in ihrem Umsatzsteuer-Anwendungserlass veröffentlichen wird. Bis dahin besteht in gewissem Umfang eine Rechtsunsicherheit, welche daraus resultiert, dass der BFH sich von der bisherigen Rechtsprechung unter Hinweis auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union abwendet, es gleichzeitig jedoch an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den in Deutschland bislang angewendeten Kriterien für die Beurteilung einer umsatzsteuerrechtlichen Selbstständigkeit und den (wohl) abweichenden Kriterien des Gerichtshofs der Europäischen Union mangelt.

Eine Unterscheidung der umsatzsteuerrechtlichen Qualifizierung einer Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied nach fester einerseits und erfolgsabhängiger Vergütung andererseits würde nach Auffassung des Autors nicht überzeugen, so dass – sollte sich diese Rechtsprechung verfestigen – von einer regelmäßigen Nichtsteuerbarkeit von Aufsichtsratsvergütungen auszugehen wäre. Es ist ferner davon auszugehen, dass die Rechtsprechung Verwaltungsräte gleichermaßen erfasst, wenn deren satzungsmäßige Stellung dem gesetzlichen Vorbild eines Aufsichtsratsmitglieds entspricht.

Eine mangelnde Steuerbarkeit kann für Unternehmen kostensenkend wirken, wenn diese nicht oder nicht vollständig zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Insoweit kommt es zu einem (für die meisten Unternehmen wohl eher geringen) wirtschaftlichen Vorteil.

Für das einzelne Aufsichtsratsmitglied bedeutet eine Einordnung als unselbstständige Tätigkeit, dass es keine Umsatzsteuer mehr in Rechnungen gegenüber dem Unternehmen für die Vergütung ausweisen darf, da es andernfalls (bei Rechnungen) diese Steuer nach § 14c UStG schulden würde, während die Gesellschaft eine solche unzutreffend ausgewiesene Steuer per se nicht als Vorsteuer abziehen darf. Ebenfalls wären Vorsteuerbeträge, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied anfallen, dann mangels Selbstständigkeit nicht mehr erstattungsfähig. Darüber hinaus stellen sich für die Vergangenheit Fragen der Rückwirkung und die Frage eines möglichen Vertrauensschutzes.

Tags: Aufsichtsratsvergütung Umsatzsteuerpflicht Verwaltungsrat