Der BFH hat die restriktive Auslegung der Finanzverwaltung zur Befreiung konzerninterner Umstrukturierungen von der Grunderwerbsteuer weitgehend verworfen.
Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit seinem Urteil v. 19. Dezember 2018 in der Rechtssache C-374/17 entschieden hat, dass die Steuerbefreiung des § 6a Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) für konzerninterne Umstrukturierungen keine verbotene Beihilfe darstellt, hat nunmehr der BFH sogleich sieben Verfahren (u.a. Az II R 15/19) zu umstrittenen Fallkonstellationen entschieden.
An entscheidenden Stellen hat der BFH dabei der jeweils restriktiven Auslegung der Finanzverwaltung – zugunsten einer (nach seiner Auffassung dem Ziel der Regelung entsprechenden) weiten Auslegung – eine Absage erteilt.
Die GrESt als Umstrukturierungshindernis
In den letzten zehn Jahren hat die Grunderwerbsteuer für Steuerpflichtige und Fiskus gleichermaßen erheblich an Bedeutung gewonnen. Das zeigt die Entwicklung der Steuereinnahmen im Bundesgebiet sehr deutlich: Generierten die Länder noch 2009 weniger als EUR 5 Mrd. an Grunderwerbsteuern, wurden die Steuereinnahmen aus der Grunderwerbsteuer 2019 mit etwa EUR 16 Mrd. mehr als verdreifacht.
Um die Bedingungen für konzerninterne Umstrukturierungen „krisenfest, planungssicherer und mittelstandsfreundlicher″ (BT-Drs. 17/15) auszugestalten, hat der Gesetzgeber Umwandlungen im Sinne des Umwandlungsgesetzes (UmwG) unter bestimmten Voraussetzungen von der Grunderwerbsteuer befreit. Diese in § 6a GrEStG kodifizierte Steuerbefreiung ist äußerst komplex und seit ihrer Einführung für nahezu jede denkbare Fallkonstellation strittig. Dabei tendiert die Finanzverwaltung zu einer restriktiven Auslegung, die sich in der Praxis häufig als Umstrukturierungshindernis auswirkt.
Konzeptionell werden Erwerbsvorgänge, die aufgrund einer Umwandlung im Sinne des UmwG erfolgen, zunächst der Grunderwerbsteuer unterworfen. Der Übergang des Eigentums an Grundstücken bzw. der Übergang von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften wird sodann auf einer zweiten Stufe von der Steuer befreit. Dies setzt voraus, dass ein „herrschendes Unternehmen″ und eine oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen „abhängige Gesellschaften″ beteiligt sind. Als abhängig werden dabei solche Gesellschaften verstanden, an denen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Erwerbsvorgang und fünf Jahre nach dem Erwerbsvorgang (unmittelbar oder mittelbar) zu mindestens 95% ununterbrochen beteiligt ist.
Unternehmereigenschaft im Sinne des UStG keine Voraussetzung für „herrschendes Unternehmen″ nach § 6a GrEStG
Eine entscheidende Voraussetzung für die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG ist das Vorliegen eines herrschenden Unternehmens. Als solche hat die Finanzverwaltung bisher nur Rechtsträger qualifiziert, die Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sind. Diese einschränkende Auffassung ist bereits in der Literatur auf erheblichen Gegenwind gestoßen, weil der Wortlaut des § 6a GrEStG gerade nicht auf die Unternehmereigenschaft im Sinne des § 2 UStG verweist. Der BFH hat nunmehr klargestellt, dass alle Rechtsträger, die wirtschaftlich tätig sind, herrschendes Unternehmen sein können. Insoweit komme es nicht auf die Unternehmereigenschaft im Sinne des UStG an.
Weitergehend hält es der BFH erfreulicherweise nicht für erforderlich, dass die Beteiligung an einer abhängigen Gesellschaft im Betriebsvermögen gehalten wird. Eine solche Anknüpfung an bilanzielle oder ertragsteuerrechtliche Begriffe sei der Grunderwerbsteuer als Verkehrsteuer fremd. Vor diesem Hintergrund können natürliche Personen und vermögensverwaltende Personengesellschaften ebenso herrschendes Unternehmen sein, wie Mitunternehmerschaften, Kapitalgesellschaften und gemeinnützige Körperschaften.
Dies sollte im Ergebnis auch für Hoheitsträger gelten. Die bisher postulierte Auffassung der Finanzverwaltung, wonach Hoheitsträger die Beteiligung in einem Betrieb gewerblicher Art halten müssen, dürfte nicht mehr haltbar sein. Anders als zu gemeinnützigen Körperschaften hat dies der BFH allerdings in seinen Entscheidungen nicht ausdrücklich angesprochen.
BFH verwirft das Konstrukt des „Verbunds″ für Steuerbefreiungen nach § 6a GrEStG
Die Steuerbefreiung des § 6a GrEStG setzt weiterhin voraus, dass das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor und fünf Jahren nach dem Erwerbsvorgang zu mindestens 95% ununterbrochen an der oder den abhängigen Gesellschaft/en beteiligt ist. Umwandlungsvorgänge, bei denen eine beteiligte Gesellschaft erlischt oder neu entsteht, würden demnach nicht in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung fallen. Da bei einer solch strengen Auslegung der Anwendungsbereich sehr eng begrenzt wäre, hat die Finanzverwaltung bisher versucht, diese Schwäche über das Rechtskonstrukt des „Verbunds″ zu lösen. Dieses Erfordernis verkompliziert in der Praxis die Anwendung der Steuerbefreiung allerdings erheblich.
Der BFH hält den „Verbund″ weder vom Wortlaut der Vorschrift noch von der Konzeption des Gesetzes gedeckt. Vielmehr widerspreche diese Auslegung der Finanzverwaltung nach Auffassung des BFH dem Sinn und Zweck der Regelung, Umstrukturierungen im Konzern zu erleichtern.
Wie schon zu anderen Regelungen des GrEStG hat der BFH für die Behaltensfristen des § 6a GrEStG deshalb entschieden, dass sie nur insoweit einzuhalten sind, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können. Das ist beispielsweise nicht der Fall, wenn der betroffene Rechtsträger erst durch die Umwandlung entsteht oder aufgrund der Umwandlung untergeht. In Fällen der Verschmelzung ist insoweit nur die Vorbehaltensfrist zu berücksichtigen. In Fällen der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung wiederum kann nur die Nachbehaltensfrist eingehalten werden. Dem Rechtskonstrukt des „Verbunds″ bedarf es insoweit künftig nicht mehr.
BFH-Urteile erleichtern Umgang mit der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG bei Umstrukturierungen
Die Entscheidungen des BFH sind sehr zu begrüßen. Sie sorgen für mehr Klarheit und Rechtssicherheit bei Umstrukturierungen im Konzern. Dies erleichtert den Umgang für die Praxis mit der Steuerbefreiung des § 6a GrEStG und trägt zur vom Gesetzgeber intendierten Planungssicherheit bei.
Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die Finanzverwaltung die Rechtsprechung des BFH akzeptieren wird, oder ob sie die anstehende Reform der Grunderwerbsteuer zum Anlass nehmen wird, auch die Steuerbefreiung des § 6a GrEStG nachzujustieren.