Der aktuelle Diskussionsentwurf des Grunderwerbsteuer-Novellierungsgesetzes will grunderwerbsteueroptimierte Anteilstransaktionen noch weitergehend bekämpfen.
Nach einem aktuellen Diskussionsentwurf des Bundesministeriums für Finanzen zum Grunderwerbsteuer-Novellierungsgesetz (GrEStNG-Entwurf) soll die Besteuerung von Anteilstransaktionen (sog. Share Deals) für Zwecke der Grunderwerbsteuer erneut verschärft werden. Bereits vor etwa zwei Jahren war der Gesetzgeber zu diesem Zweck umfangreich tätig geworden.
Aus dem Diskussionsentwurf ergeben sich weitreichende Änderungen für Immobilienunternehmen einschließlich Immobilienfonds.
Neues Konzept zur Vermeidung von grunderwerbsteuerlich optimierten Anteilstransaktionen
Der GrEStNG-Entwurf streicht die bisherigen Besteuerungstatbestände der rechtlichen oder wirtschaftlichen Anteilsvereinigung sowie die erst vor etwa zwei Jahren wesentlich erweiterte Gesellschafterwechselbesteuerung zugunsten eines einheitlichen Besteuerungstatbestands, nämlich die Vereinigung der Gesamtheit der Anteile. Der Besteuerungstatbestand setzt im Grundsatz voraus, dass alle Anteile an einer Gesellschaft mit inländischem Grundbesitz (z.B. durch Anteilskauf) (un)mittelbar vereinigt werden.
Die bisherigen starren prozentualen Beteiligungsgrenzen (in der Regel < 90 Prozent der Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft) und das Instrument der Gesellschafterwechselbesteuerung werden darüber hinaus zur Vermeidung von Gestaltungen im GrEStNG-Entwurf durch zwei neue Konzepte ersetzt, nämlich durch das Konzept der „Erwerbergruppe“ und durch das Halten von Anteilen „im dienenden Interesse“.
Eine Erwerbergruppe soll nach dem GrEStNG-Entwurf dann vorliegen, wenn mindestens zwei Rechtsträger aufgrund miteinander abgestimmter Rechtsgeschäfte (oder miteinander abgestimmter Übergänge des Eigentums) an den relevanten Anteilen gemeinsam die Gesamtheit der Anteile an einer Grundstücksgesellschaft unmittelbar oder mittelbar erwerben. Kein Mitglied der Erwerbergruppe soll hierbei ein Rechtsträger sein, dessen Erwerb bereits zuvor zur Verwirklichung einer steuerpflichtigen Vereinigung der Gesamtheit der Anteile in der Vergangenheit beigetragen hatte, wenn der betreffende Rechtsträger bereits vor den abgestimmten Rechtsgeschäften (oder den abgestimmten Übergängen des Eigentums) unmittelbar oder mittelbar an der Grundstücksgesellschaft beteiligt war und wenn sich dessen Beteiligung durch den abgestimmten Vorgang nicht erhöht. Der GrEStNG-Entwurf enthält weitere Regelungen zu der Frage, unter welchen Umständen ein abgestimmtes Verhalten vorliegen soll, wobei eine Abstimmung zwischen allen Erwerbern hierfür nach dem Wortlaut des GrEStNG-Entwurfs nicht erforderlich ist. Wenn ein zeitlicher oder sachlicher Zusammenhang der relevanten Vorgänge vorliegt, soll bspw. eine Abstimmung regelmäßig vorliegen.
Die geplante Regelung nimmt erkennbar den Rechtsgedanken der bisherigen Gesellschafterwechselbesteuerung auf. Ein gemeinsam geplanter Erwerbsvorgang, der sich auf alle Anteile der Gesellschaft bezieht, bleibt damit grunderwerbsteuerpflichtig, auch wenn sich nicht alle Anteile in der Hand eines Rechtsträgers vereinigen.
Keine Berücksichtigung von Anteilen, die im dienenden Interesse gehalten werden
Dies wird ergänzt durch das Konzept des Haltens von Anteilen im dienenden Interesse des Erwerbers oder der Erwerbergruppe. Anteile, die im dienenden Interesse gehalten werden, sollen bei der Prüfung, ob eine Vereinigung der Gesamtheit der Anteile vorliegt, unbeachtlich sein. Sie werden wie eigene Anteile der Grundbesitzgesellschaft behandelt.
Der GrEStNG-Entwurf enthält eine ganze Reihe von Regelbeispielen dazu, unter welchen Umständen ein dienendes Interesse regelmäßig vorliegen soll. Die Frage, unter welchen Umständen die einzelne Vermutung widerlegt werden kann (Gegenbeweis), wird gesetzlich nicht geregelt. Beispielsweise soll ein dienendes Interesse eines Rechtsträgers (regelmäßig ein (ggf. auch mittelbarer) Minderheitsgesellschafter der Grundbesitzgesellschaft) in den folgenden Fällen regelmäßig vorliegen:
- Der Verkehrswert der Minderheitsbeteiligung ist geringer als die Grunderwerbsteuer, die sich ohne Berücksichtigung dieser Anteile beim Erwerber (oder der Erwerbergruppe) ergeben würde.
- Die Gesellschafterrechte des Minderheitsgesellschafters sind eingeschränkt.
- Der Minderheitsgesellschafter erhält eine Festvergütung für seine Gesellschafterstellung, die nicht alle Gesellschafter erhalten.
- Der Minderheitsgesellschafter vermittelt keine prozentuale Beteiligung an der Grundbesitzgesellschaft an den Gesellschafter und der Erwerber oder die Erwerbergruppe können einen mitbestimmenden Einfluss auf den Minderheitsgesellschafter ausüben. Hierdurch will der Gesetzgeber insbesondere als sog. RETT-Blocker eingesetzte Stiftungsstrukturen erfassen.
Erweiterung der Grunderwerbsteuer auf Fondsanteilstransaktionen
Sondervermögen im Sinne von § 1 Absatz 10 des Kapitalanlagegesetzbuch oder ein vergleichbares Investmentvermögen in Vertragsform nach ausländischem Recht sowie jeder haftungs- und vermögensrechtlich voneinander getrennte Teil eines Investmentfonds (Teilfonds) werden im GrEStNG-Entwurf den Grundbesitzgesellschaften (bei unmittelbaren Halten von inländischem Grundbesitz) bzw. den sog. „vermittelnden Gesellschaften“ (bei mittelbarem Halten von inländischem Grundbesitz) gleichgestellt. Das Kaufen bzw. die Übertragung von Fondsanteilen (sog. Unit-Deals) könnten somit zukünftig unter den gleichen Voraussetzungen, die für Gesellschaftsanteile im GrEStNG-Entwurf vorgesehen sind, zum Anfallen von Grunderwerbsteuer führen.
Das treuhänderische Halten von inländischen Grundstücken durch eine Kapitalverwaltungsgesellschaft für ein Sondervermögen erlaubt es bislang, die Anteile an einem solchen Sondervermögen (unter Fortführung der Verwaltung durch die Kapitalverwaltungsgesellschaft) vollständig grunderwerbsteuerneutral zu übertragen. Diese Möglichkeit bestünde nach dem GrEStNG-Entwurf so nicht mehr. Dies betrifft vor allem Spezialfonds-Strukturen, während bei Publikumsfonds wegen der Vielzahl unverbundener Anleger die Übertragung von Fondsanteilen wohl weiterhin in der Regel nicht der Grunderwerbsteuer unterliegen dürfte.
Ferner erweitert der GrEStNG-Entwurf durch diese Gleichstellung von Investmentfonds mit Gesellschaften den Anwendungsbereich des Grunderwerbsteuerrechts signifikant. Die gesamte Komplexität der gegen grunderwerbsteueroptimierte Gestaltungen gerichteten Vorschriften wäre demnach zukünftig auch bei allen Transaktionen, die Fondsanteile mit (unmittelbarem oder mittelbarem) inländischem Grundstücksbezug betreffen, zu berücksichtigen.
Weitere Hinweise zu Anteilstransaktionen
Es gilt auch nach dem GrEStNG-Entwurf, dass der Besteuerungstatbestand bereits durch das Verpflichtungsgeschäft ausgelöst wird. Die spätere Anteilsübertragung ist nur dann maßgeblich, wenn das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft nicht bereits der Grunderwerbsteuer unterlag.
Es gelten weiter im Falle von grunderwerbsteuerpflichtigen Anteilstransaktionen entsprechende Steuererklärungspflichten des Anteilserwerbers bzw. der Erwerbergruppe. Diese sollen innerhalb eines Monats elektronisch zu erfüllen sein.
Es wird eine persönliche Haftung der Grundstücksgesellschaft und eine dingliche Haftung des Grundstücks eingeführt. Die Grundstücksgesellschaft wird als Haftungsschuldner bestimmt, wenn die Anzeigepflicht nicht oder nicht fristgerecht oder nicht vollständig erfüllt wurde. Die Grunderwerbsteuer soll dann als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhen, so dass zur Durchsetzung des Besteuerungsanspruchs in das Grundstück vollstreckt werden könnte.
Steuerbefreiungen infolge des MoPeG
Ferner erfolgen Anpassungen der Steuerbefreiungen für Gesamthandsgemeinschaften im Lichte des zum 1. Januar 2024 in Kraft tretenden Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG).
Vor dem Hintergrund der weitgehenden Abschaffung des Rechtskonzepts des Gesamthandsvermögens ab dem 1. Januar 2024 werden die Steuerbefreiungen für Grundstücksübertragungen zwischen dem Gesellschafter und „seiner“ Gesellschaft neu geregelt, ohne dass auf Gesamthandsgemeinschaften im Gesetzeswortlaut Bezug genommen wird. Die Steuerbefreiung erfordert unter anderem eine 5-jährige Vor- bzw. Nachbehaltensfrist der betreffenden Beteiligung. Der Wortlaut des Diskussionsentwurfs ist dahingehend unklar, ob und inwieweit diese Steuerbefreiungen zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften unterscheiden. Folgerichtig wäre eine rechtsformneutrale Ausgestaltung. Das weitere Gesetzgebungsverfahren bleibt insoweit abzuwarten.
Anpassung der Konzernklausel bei Umstrukturierungen
Die bisherige Grunderwerbssteuerbefreiung für Umstrukturierungsmaßnahmen in Konzernen soll durch den GrEStNG-Entwurf auf alle Arten von grunderwerbsteuerpflichtigen Tatbeständen erweitert werden, also insbesondere einschließlich Grundstücksverkäufen im Konzern. Beabsichtigt dürfte eine weitreichende Steuerbefreiung für Vorgänge zwischen Konzerngesellschaften einschließlich der Konzernmuttergesellschaft sein, wenn die Konzernmutter die Anteile an den relevanten Gesellschaften vollständig (ggf. auch mittelbar) hält. Wesentliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass sich der bestimmende Einfluss des Rechtsträgers über das Grundstück durch den Vorgang nicht ändert. Unseres Erachtens bedarf der Entwurf noch der sprachlichen Präzisierung; insbesondere sind Einschränkungen der Steuerbefreiung im Wortlaut des Entwurfs enthalten, deren Reichweite als unklar erscheint.
Ermäßigte Grunderwerbsteuer für selbstgenutzte Wohnimmobilien
Der GrEStNG-Entwurf gewährt den Bundesländern die Möglichkeit, für den Erwerb von selbstgenutzten Wohnimmobilien eine Steuerbefreiung bzw. Steuererleichterungen einzuführen. Die genaue Ausgestaltung bleibt der Gesetzgebung des einzelnen Bundeslandes vorbehalten.
Umsetzung der Grunderwerbsteuerreform könnte zügig erfolgen
Etwa zwei Jahre nach der letzten großen Reform zur Unterbindung von grunderwerbsteuerlich optimierten Share Deals scheint der Gesetzgeber nun nachfassen zu wollen. Hierbei werden die bisher starren Beteiligungsgrenzen durch abstrakte Rechtsbegriffe ersetzt. Im Falle einer Umsetzung des GrEStNG-Entwurfs dürften Rechtsstreitigkeiten zwischen Finanzverwaltung und Steuerzahler zur Auslegung dieser Begriffe im Einzelfall in großer Zahl zu erwarten sein. Die Auslegung dürfte auch in der Gestaltung von entsprechenden Transaktionen zu mehr Rechtsunsicherheit als die prozentualen Beteiligungsgrenzen führen. Entsprechendes gilt für die beabsichtigte Einbeziehung von Fondsanteilen.
Der GrEStNG-Entwurf wurde den Verbänden zur Stellungnahme übersandt. Wir befinden uns somit in einer sehr frühen Phase des Verfahrens. Es ist unseres Erachtens jedoch mit einer zügigen Fortführung des Gesetzgebungsverfahrens zu rechnen. Die entsprechenden Neuregelungen könnten bereits zu Beginn des kommenden Jahres in Kraft treten und fortan für Immobilientransaktionen gelten, die nach Jahresbeginn verwirklicht werden. Soweit inländische Grundstücke bei beabsichtigten Transaktionen (mittelbar) involviert sind, sollten die Akteure den GrEStNG-Entwurf in ihre Überlegungen daher einbeziehen. Dies gilt insbesondere für Transaktionen unter Einbeziehung von Stiftungen oder von Fondsanteilen.
Das weitere Gesetzgebungsverfahren sollte auch im Hinblick auf die Steuerbefreiungen für Transaktionen innerhalb eines Konzerns und für Grundstückstransaktionen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter weiter beobachtet werden. Insoweit besteht auch „handwerklich“ Verbesserungsbedarf am Wortlaut des Diskussionsentwurfs. Ferner ist auf eine rechtsformneutrale Ausgestaltung zu hoffen. Grundsätzlich positiv zu werten ist, dass der Gesetzgeber den Handlungsbedarf, der sich aus dem MoPeG nach dem 1. Januar 2024 für die Steuerbefreiungen nach §§ 5, 6 GrEStG ergibt, offenbar erkannt hat und entsprechende Überlegungen in den Entwurf Eingang gefunden haben.