21. September 2022
JStG 2022
Steuerrecht

Das Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022) im Überblick

Am 14. September hat die Bundesregierung den Entwurf für ein JStG 2022 beschlossen und umfangreiche Steuergesetzesänderungen auf den Weg gebracht.

Der Entwurf für das JStG 2022 hält für Unternehmen und Privatpersonen ein Füllhorn an Neuerungen bereit. Die Änderungen sollen lt. Regierungsentwurf darauf gerichtet sein, die Verfahren effizienter zu gestalten und zu digitalisieren, Rechtssicherheit und Steuergerechtigkeit herzustellen sowie die Steuerpflichtigen zu entlasten und insbesondere Inflationsanpassungen vorzunehmen.

Weitgehende Abschaffung der Steuerpflicht von IP-Überlassungen in sog. Registerfällen

Positiv hervorzuheben ist die geplante weitgehende Abschaffung der Steuerpflicht beschränkt Steuerpflichtiger für Einkünfte aus IP-Überlassungen in sog. Registerfällen nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f EStG-E.

Die deutsche Finanzverwaltung legte seit rund zwei Jahren die bereits beinahe 100 Jahre alte (bisherige) Regelung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f dergestalt aus, dass bspw. die Überlassung von Rechten zwischen Ausländern* ohne inländische Betriebsstätte der deutschen Steuerpflicht unterliegt, wenn die Rechte (u.a.) in einem Register in Deutschland eingetragen sind. Da in DBA-Fällen der Bundesrepublik Deutschland regelmäßig kein Quellenbesteuerungsrecht zusteht, kann der Steuerpflichtige in der derzeit gültigen Rechtslage nach § 50c Abs. 2 S. 1 EStG eine Freistellung vom Steuerabzug bzw. bei bereits abgeführter Steuer nach § 50c Abs. 3 EStG eine Erstattung beantragen, sodass regelmäßig keine tatsächliche Steuerbelastung entsteht.

In mehreren Schreiben nahm das BMF auf die Regelung Bezug und bestätigte insbesondere die grundsätzliche Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung. Die dadurch ausgelösten Erklärungspflichten lösten bei betroffenen Unternehmen und der Finanzverwaltung einen hohen Verwaltungsaufwand aus. Mit Schreiben vom 11. Februar 2021 (IV B 8 – S 2300/19/10016 :007, BStBl. 2021 I S. 301) gewährte das BMF schließlich eine Regelung zur Verfahrenserleichterung, die in künftigen Schreiben wiederholt wurde.

Bereits im Rahmen des Referentenentwurfs zum Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz, veröffentlicht am 2. Juni 2021, war beabsichtigt, die Regelung zu streichen. Im jetzigen Regierungsentwurf wird die Regelung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f S. 1 EStG dergestalt geändert, dass der Begriff der „Rechte“ durch „Rechte im Sinne des § 21 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder sonstige Rechte, insbesondere Patentrechte, Markenrechte oder Sortenrechte“ ersetzt wird. Sonstige Rechte sollen wiederum nur dann zu steuerpflichtigen Einkünften führen, wenn sie sich auf die Rechteüberlassung zwischen nahestehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 Außensteuergesetz beziehen.

Während in der gegenwärtigen Regelung die bloße Eintragung in ein inländisches Register als Anknüpfungsmerkmal für die Auslösung einer Steuerpflicht genügt, hätte die geplante Änderung zur Folge, dass grds. generell nur noch grundstücksbezogene Rechte i.S.d. § 21 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG bei Eintragung in ein inländisches Register zu einer Steuerpflicht führen. Die bisherige Regelung bleibt jedoch nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 Steueroasen-Abwehrgesetz in Kraft, sofern die Gläubiger der Vergütungen in bestimmten „nichtkooperativen“ Staaten ansässig sind.

Insgesamt führt die Neuregelung bei entwurfsgemäßer Umsetzung zu einer massiven Entlastung von unnötigem Compliance-Aufwand und dürfte für multinational operierende Unternehmen in einer großen Erleichterung resultieren.

Abschreibungen von Immobilien

Sehr ausführlich begründet der Regierungsentwurf die geplante Abschaffung des § 7 Abs. 4 S. 2 EStG, der Abweichung von der typisierten Nutzungsdauer des § 7 Abs. 4 S. 1 EStG bei Unterschreiten der tatsächlichen Nutzungsdauer, mit den Anwendungsschwierigkeiten, die die Regelung im Nachgang des BFH-Urteils vom 28. Juli 2021 (IX R 59/19) hervorrief. Der BFH hatte darin aufgeführt, dass der Steuerpflichtige sich zum Nachweis einer tatsächlich niedrigeren Nutzungsdauer jeder geeigneten Darlegungsmethode bedienen könne. Infolgedessen kam es lt. Regierungsentwurf zu einer massiven Zunahme von Anträgen auf Ansatz einer kürzeren Nutzungsdauer und einer damit einhergehenden Zunahme des Bürokratieaufwandes.

Der Regierungsentwurf soll diese Abschreibungsvariante entfernen und dafür solle im Gegenzug der typisierte Abschreibungssatz für Gebäude, die nach dem 30. Juni 2023 fertiggestellt werden und Wohnzwecken dienen, auf 3 % angehoben werden. Die geplante Erhöhung der Abschreibung dürfte einen steuerlichen Anreiz zum Bau neuer Wohnungen setzen.

Ertrag- und umsatzsteuerliche Änderungen bei der Besteuerung von Photovoltaikanlagen

Die geplanten Änderungen im Rahmen des JStG 2022 sollen die Besteuerung von Photovoltaikanlagen in Zukunft signifikant vereinfachen und Photovoltaikanlagen subventionieren.

So soll einerseits eine Ertragsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG-E für Einnahmen aus dem Betrieb von Photovoltaikanlagen bis zu einer Bruttonennleistung von 30 kW auf Einfamilienhäusern und Gewerbeimmobilien bzw. 15 kW je Wohn- und Gewerbeeinheit bei übrigen, überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden (z.B. Mehrfamilienhäuser, gemischt genutzte Immobilien) in das Gesetz aufgenommen werden. Die Steuerbefreiung soll dabei je Steuerpflichtigen/Mitunternehmerschaft bis max. 100 kW gelten. Für welche Zwecke der erzeugte Strom verwendet wird, soll insoweit keine Rolle spielen. Die Ertragsteuerfreiheit führt im Gegenzug dazu, dass Verluste nun ab 2023 nicht mehr länger berücksichtigungsfähig sind. 

Für einen Betrieb, der nur Einnahmen aus steuerbegünstigten Photovoltaikanlagen erzielt, ist darüber hinaus eine Gewinnermittlung nicht mehr vorzunehmen. Einnahmen aus dem Betrieb von steuerbegünstigten Photovoltaikanlagen sollen künftig im Rahmen vermögensverwaltender Personengesellschaften nicht zu einer gewerblichen Infektion der Vermietungseinkünfte führen.

Auch umsatzsteuerlich sind mit Blick auf Photovoltaikanlagen Änderungen vorgesehen, die ebenso auf die Vermeidung von Bürokratie und zugleich die Subventionierung von Photovoltaikanlagen abzielen. Lieferungen und Installationen von Photovoltaikanlagen sollen künftig einem Nullsteuersatz unterliegen, wenn die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage nicht mehr als 30 kWp beträgt. Hierdurch dürfte der Anreiz für Privatleute, auf die Kleinunternehmerregelung zu verzichten, entfallen, weil Lieferung und Installation der Photovoltaikanlage ohnehin nicht mehr mit Umsatzsteuer belastet sind. 

Änderungen im Bewertungsgesetz

Das JStG 2022 sieht relativ umfangreiche Änderungen im Bewertungsgesetz vor, die sowohl die Berechnungsgrößen als auch Definitionen und Bewertungssystematiken anpassen. Die neuen Werte sind insbesondere für die Bemessungsgrundlage im Rahmen der Erbschaftsteuer und für die sog. Ersatzbemessungsgrundlage im Rahmen der Grunderwerbsteuer relevant. Folgende Punkte sind hier hervorzuheben:

  • Anpassung der Werte des Ertrags- und Sachwertverfahrens zur Bewertung bebauter Grundstücke sowie der Verfahren zur Bewertung in Erbbaurechtsfällen und zur Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden an die geänderte Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) vom 14. Juli 2021
  • neue Systematik der im Rahmen des Ertragswertverfahrens anrechenbaren Bewirtschaftungskosten – nunmehr ein System aus pauschalierten und variablen Faktoren
  • Einführung einer neuen Bewertungssystematik von Erbbaurecht und Erbbaurechtsgrundstück unter Anwendung eines aus dem Baugesetzbuch abgeleiteten Erbbaugrundstückskoeffizienten

Verpflichtung zur Information über bestimmte grenzüberschreitende Zahlungen für Zahlungsdienstleister

Mit dem neugeschaffenen § 22g UStG-E soll eine Verpflichtung zur Anfertigung von Aufzeichnungen hinsichtlich bestimmter grenzüberschreitender Zahlungen für Zahlungsdienstleister eingeführt werden, um der EU-Richtlinie 2020/284 zu entsprechen. Die Verpflichtung besteht dem Grunde nach, wenn Zahlungsdienstleister je Kalenderjahr mehr als 25 grenzüberschreitende Zahlungen an denselben Zahlungsempfänger tätigen.

Aufzuzeichnen sind neben allgemeinen Kontaktdaten des Zahlungsempfängers u.a. der BIC des Zahlungsdienstleisters des Zahlungsempfängers sowie genaue Angaben zu den einzelnen Zahlungen. 

Sollte diese Pflicht zur Anfertigung vorgenannter Aufzeichnungen nicht befolgt werden, droht entsprechend § 26a UStG-E ein Bußgeld von bis zu EUR 5.000.

Sonstige Regelungen und weitere Änderungen des JStG

Darüber hinaus enthält der Entwurf des JStG u.a. Änderungen in der Abgabenordnung sowie eine Vielzahl weiterer Neuregelungen, von denen eine Auswahl im Kurzüberblick zusammengefasst sei:

Homeoffice-Pauschale: Die Homeoffice-Pauschale soll ab dem Veranlagungszeitraum 2023 im Gesetz in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6c EStG-E dauerhaft etabliert werden und auf max. EUR 1.000 angehoben werden und wie bislang EUR 5 je Tag im Homeoffice betragen. Der Betrag von EUR 1.000 ist auf alle Einkunftsarten aufzuteilen, sollte der Steuerpflichtige sein Homeoffice für mehrere Einkunftsarten nutzen, und wird somit in Gänze nur einmal gewährt.

Häusliches Arbeitszimmer: Die Regelung des häuslichen Arbeitszimmers erlaubt bislang, Aufwendungen bis zu einer Höhe von EUR 1.250 abzuziehen, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Die Regelung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG-E soll ab dem Veranlagungszeitraum 2023 nunmehr einen Pauschbetrag von EUR 1.250 zur Vermeidung von administrativem Aufwand gewähren, wenn kein anderer Arbeitsplatz außer dem häuslichen Arbeitszimmer zur Verfügung steht, ohne dass die Aufwendungen im Einzelnen nachgewiesen werden müssen. Ein Vollabzug der Aufwendungen für den Fall, dass das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit bildet, soll nach der neuen Regelung nur noch dann möglich sein, wenn ebenfalls kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

Anpassungen an die Inflation: Das JStG 2022 sieht folgende Anpassungen an die Inflation ab dem Veranlagungszeitraum 2023 vor: 

  • Anstieg des Sparerpauschbetrags nach § 20 Abs. 9 EStG von EUR 801 bzw. EUR 1.602 bei Zusammenveranlagung ab dem Veranlagungszeitraum 2023 auf EUR 1.000 bzw. EUR 2.000
  • Erhöhung des Ausbildungsfreibetrags gem. § 33a Abs. 2 S. 1 EStG von derzeit EUR 924 ab dem Veranlagungszeitraum 2023 auf EUR 1.200

Ehegattenübergreifende Verlustverrechnung: Mit Urteil vom 23. November 2021 (VIII R 22/18) versagte der BFH mangels Rechtsgrundlage die Verrechnung der Verluste aus Kapitalvermögen des einen Ehegatten mit den Gewinnen aus Kapitaleinkünften des anderen Ehegatten. Der Gesetzgeber lässt nun mit der Neufassung des § 20 Abs. 6 S. 3 EStG-E die entsprechende Verrechnung rückwirkend ab 2022 zu.

Möglichkeiten der elektronischen Übermittlung im Umsatzsteuergesetz: Die Anträge auf Steuervergütung für Leistungsbezüge zur Verwendung zu humanitären, karitativen oder erzieherischen Zwecken im Drittlandsgebiet nach § 4a UStG und die Steuererklärung zur Fahrzeugeinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5a UStG) sollen künftig in elektronischer Form abgegeben werden können.

Vollständiger Abzug der Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen: Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen sollen lt. derzeit geltender Regelung erst ab dem Jahr 2025 vollkommen als Sonderausgaben abzugsfähig sein. Das JStG 2022 sieht den vollständigen Abzug bereits ab dem Jahr 2023 vor.

Notwendigkeit der Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im Vorsteuervergütungsverfahren: Die Vorsteuer im Vorsteuervergütungsverfahren hinsichtlich Rechnungen über innergemeinschaftliche Lieferungen soll künftig erst dann vergütet werden, wenn der Abnehmer die ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer angibt.

Entstehende Compliance-Pflichten: Infolge des § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 8a EStG-E soll das sog. Crowd-Lending, die Vergabe von Krediten über Internet-Dienstleistungsplattformen, künftig dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen.

§ 48a Abs. 1 S. 1 und 2 EStG-E sehen ab dem 1. Januar 2025 eine Verpflichtung des Leistungsempfängers von Bauleistungen zur elektronischen Übermittlung der Steueranmeldung vor.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Arbeitszimmer Homeoffice Immobilien IP-Überlassungen JStG 2022 Photovoltaikanlage Steuerrecht