24. März 2022
Entsendung Lohnsteuer grenzüberschreitender Arbeit
Steuerrecht

Mitarbeitereinsatz über die Grenze – Haftung für Lohnsteuer?

Entscheidend für die Lohnsteuerhaftung beim internationalen Mitarbeitereinsatz ist nicht, wer den Lohn zahlt. Dies bestätigt erneut der Bundesfinanzhof.

Für den Arbeitnehmer* stellt sich die Frage, in welchem Staat er seinen Arbeitslohn versteuern muss. Der Arbeitgeber, aber auch vor allem das im Entsendungsfall aufnehmende Unternehmen ist mit der Frage konfrontiert, ob und in welchem Staat von der Vergütung des Arbeitnehmers Lohnsteuer einzubehalten und an die Finanzbehörden abzuführen ist. Geschehen dabei Fehler, kann es zur Haftung für die nicht abgeführte Lohnsteuer kommen, ggf. für über Jahre ausbezahlte Gehälter. 

In vielen Fällen grenzüberschreitender Arbeitnehmereinsätze ist die Frage, welchem Staat das Besteuerungsrecht zusteht und ob eine Pflicht zum Lohnsteuereinbehalt besteht und, wenn ja, für wen, davon abhängig, wer als sog. wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen ist, nicht aber von der Aufenthaltsdauer im ausländischen Staat. Mit der Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmen als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen ist, hat sich nun zum wiederholten Mal der Bundesfinanzhof auseinandergesetzt (BFH, Urteil v. 4. November 2021 – VI R 22/19).

Internationales Abkommensrecht kennt den Begriff des wirtschaftlichen Arbeitgebers 

In den meisten Fällen kurzzeitiger Arbeitnehmereinsätze im Ausland besteht der Arbeitsvertrag mit der abgebenden Konzerngesellschaft fort und diese bleibt zivilrechtlich Arbeitgeber des Mitarbeiters. 

Unter Anwendung des für Steuerzwecke maßgeblichen Doppelbesteuerungsrechts kann das aufnehmende Unternehmen aber Arbeitgeber im wirtschaftlichen Sinn sein, wenn 

  • es den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt, 
  • der Einsatz des Arbeitnehmers in dessen Interesse erfolgt,
  • der Arbeitnehmer in den Arbeitsablauf des aufnehmenden Unternehmens eingebunden und 
  • dessen Weisungen unterworfen ist. 

Treffen diese Voraussetzungen auf das aufnehmende ausländische (Konzern-)Unternehmen zu, steht dem ausländischen Staat grundsätzlich das Besteuerungsrecht am Arbeitslohn zu und das aufnehmende ausländische (Konzern-)Unternehmen kann zum Lohnsteuereinbehalt verpflichtet sein.

Auch das deutsche Recht nimmt den wirtschaftlichen Arbeitgeber in die Pflicht

Das deutsche Recht sieht vor, dass der wirtschaftliche Arbeitgeber zum Lohnsteuereinbehalt verpflichtet ist. Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen ein ausländischer Arbeitnehmer zeitweise bei einer Konzerngesellschaft in Deutschland eingesetzt wird und diese als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen ist. Kommt das verpflichtete Unternehmen dem Lohnsteuereinbehalt nicht nach, kann es für die nicht einbehaltene Lohnsteuer in Haftung genommen werden.

Finanzverwaltung wollte Zahlungen an ausländische Gesellschaft dem deutschen Lohnsteuerabzug unterwerfen

Dem Bundesfinanzhof lag die Klage einer deutschen Tochtergesellschaft einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft vor. Die beiden Gesellschaften hatten eine Dienstleistungsvereinbarung geschlossen, wonach die Schweizer Gesellschaft ihrer deutschen Tochtergesellschaft – zur Schließung einer Vakanz in der Geschäftsführung – einen ihrer Angestellten als Geschäftsführer zur Verfügung stellte. Der Geschäftsführer war zugleich CEO und Alleingesellschafter der Schweizer Muttergesellschaft. 

Die Handlungsverantwortung für den Angestellten trug die deutsche Tochtergesellschaft; sie zahlte ihrer Muttergesellschaft für die Geschäftsführerdienstleistung eine Vergütung, die auch ein unabhängiger Dritter bezahlt hätte, allerdings ohne zusätzliche Gewinnmarge zugunsten der Muttergesellschaft. Die deutsche Finanzverwaltung vertrat die Auffassung, dass die Zahlungen an die Schweizer Gesellschaft dem deutschen Lohnsteuerabzug zu unterwerfen seien, und erließ deshalb einen entsprechenden Haftungsbescheid gegenüber der deutschen Tochtergesellschaft.

BFH: Bloße Erstattung von Arbeitslohn nicht ausreichend

Der Bundesfinanzhof stellte heraus, dass das deutsche aufnehmende Unternehmen nicht bereits dadurch zum (lohnsteuerabzugsverpflichteten) Arbeitgeber wurde, indem es den Arbeitslohn für den Geschäftsführer an sein Schweizer Mutterunternehmen erstattete. Diese Tatsache ersetze zwar die im vorliegenden Fall nicht bestehende arbeits- bzw. dienstvertragliche Bindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auf der die Zahlung des lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohns durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer (zivilrechtlich) im Regelfall beruht. Darüber hinaus müssten jedoch die weiteren Voraussetzungen erfüllt sein. 

Erforderlich ist demnach, dass der Einsatz des Arbeitnehmers bei dem aufnehmenden Unternehmen in dessen Interesse erfolgt, der Arbeitnehmer in den Arbeitsablauf des aufnehmenden Unternehmens eingebunden und dessen Weisungen unterworfen ist.

Tragen der Vergütung muss tatsächlich erfolgen 

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs reichte die bloße Vereinbarung einer Entschädigungszahlung zwischen den Gesellschaften nicht aus, um ein wirtschaftliches Tragen der Vergütung zu begründen.

Damit das deutsche (aufnehmende) Unternehmen die Vergütung des Geschäftsführers wirtschaftlich trage, müsse die Vereinbarung tatsächlich durchgeführt worden sein und die Zahlungen müssten mit der durch den Geschäftsführer (von der Schweizer Gesellschaft) bezogenen Vergütung in Verbindung stehen. Bestehe eine solche Verbindung nicht, trägt das deutsche Unternehmen die Vergütung nicht. Es liege lediglich eine Dienstleistung zwischen den Gesellschaften vor, deren Preisbestandteil die Vergütung für den Geschäftsführer ist.

Tätigkeit muss im Interesse des aufnehmenden Unternehmens erfolgen

Eindeutig bestätigt hat der Bundesfinanzhof, dass die Tätigkeit des Geschäftsführers im Interesse des deutschen (aufnehmenden) Unternehmens erfolgen muss. Dies war vorliegend gegeben, weil die Besetzung der Geschäftsführerposition typischerweise vorrangig im eigenen Interesse der Gesellschaft liege, hinter das dasjenige des Anteilseigners – hier der Schweizer Gesellschaft – i.d.R. zurücktritt.

Einbindung in die Arbeitsabläufe des aufnehmenden Unternehmens erforderlich

Die Einbindung in die Arbeitsabläufe des aufnehmenden Unternehmens ergebe sich im Fall eines Geschäftsführers nicht automatisch, so der BFH. Ein Geschäftsführer sei nicht ohne weiteres in die Hierarchie eines Unternehmens eingebunden, weil er an deren Spitze stehe. 

Vielmehr müsse zwischen der Organstellung und dem Anstellungsverhältnis im Fall eines Geschäftsführers unterschieden werden. Bestellung und Abberufung als Vertretungsorgan seien ausschließlich körperschaftliche Rechtsakte, durch die gesetzliche und satzungsgemäße Kompetenzen übertragen oder entzogen werden. Dagegen sei die Anstellung zum Zweck des Tätigwerdens als Vertretungsorgan regelmäßig ein schuldrechtlicher gegenseitiger Vertrag. 

Ob das Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist, richte sich nach den allgemeinen Kriterien zur Abgrenzung selbständiger von nichtselbständiger Tätigkeit. Abzustellen sei deshalb auch bei der Beurteilung der Tätigkeit des GmbH-Geschäftsführers vornehmlich auf die Umstände des Einzelfalls und nicht auf seine organschaftliche Stellung.

Nicht fremdübliche Vergütung kann verdeckte Gewinnausschüttung sein 

Die zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte und tatsächlich gezahlte Vergütung muss zudem fremdüblich sein. Ist sie dies nicht, kann im überhöhten Teil eine verdeckte Gewinnausschüttung zu sehen sein und keine Zahlung von Arbeitslohn. Dementsprechend würde kein Lohnsteuerabzug, sondern ein Kapitalertragsteuereinbehalt im Raum stehen.

Im Ergebnis empfiehlt sich eine vorgelagerte Bewertung jeden Einzelfalls

In Fällen grenzüberschreitender Mitarbeitereinsätze zeigt sich, dass hierbei auch Begehrlichkeiten der Finanzbehörden geweckt werden. Es gilt deshalb jeden Einzelfall sorgsam im Vorhinein abzuklären, um nicht unerwartet und unnötig in Steuerhaftungsdiskussionen und Rechtsstreitigkeiten verwickelt zu werden.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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