18. November 2024
Lex Beckham Lohnsteuer
Steuerrecht

Lex Beckham und Lohnsteuer

(Lohn)Steuerliche Fragen bei Anwendung des als Lex Beckham bezeichneten spanischen Sondersteuermodells.

Spanien sieht mit dem sog. Lex Beckham bzw. Beckham-Law („Régimen especial de impatriados″, „Ley Beckham″) ein besonderes Steuermodell vor, womit – anhand diverser steuerlicher Privilegien – u.a. erreicht werden soll, dass besonders qualifizierte, ausländische Arbeitskräfte nach Spanien ziehen und dort tätig werden. 

Zunehmend ist zu beobachten, dass Unternehmen – insbesondere Start-ups u.a. aus der IT-Branche, welche weltweit auf der Suche nach speziell- und hochqualifizierten Mitarbeitern sind – Arbeitnehmer* einstellen, die aus ihrem Homeoffice heraus von ihren jeweiligen Wohnsitzstaaten aus dann für diese tätig werden (Remote Work bzw. New Work).

Für den Fall eines inländischen Arbeitgebers und einem Arbeitnehmer mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in Spanien, welcher zudem das Lex Beckham nutzen möchte, stellen sich – auch vor dem Hintergrund von Haftungsrisiken für den deutschen Arbeitgeber – insbesondere lohnsteuerliche Fragen.

Fallbeispiel: Lex Beckham und der deutsche Lohnsteuerabzug

Im Fallbeispiel handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH, „Arbeitgeber″), mit Ort der Geschäftsleitung und satzungsmäßigem Sitz in Deutschland. Dieser Arbeitgeber möchte einen Arbeitnehmer, welcher seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt ausschließlich in Spanien hat, beschäftigen (weder als Geschäftsführer noch als Prokurist). Der Arbeitnehmer soll seine Arbeitsleistung in seinem Homeoffice in Spanien erbringen und an einigen Tagen im Jahr zum Arbeitgeber nach Deutschland reisen und an diesen in Deutschland seine Arbeitsleistung erbringen. Der Arbeitnehmer hat bislang bereits das Lex Beckham in Anspruch genommen und möchte dieses auch weiterhin in Anspruch nehmen. Auf arbeitsrechtliche Besonderheiten und entsprechende vertragliche Regelungen diesbezüglich wird in vorliegendem Blogbeitrag nicht näher eingegangen.

Inländische Einkünfte i.S.d. beschränkten Einkommensteuerpflicht

Inländische Einkünfte i.S.d. beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG) sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG), die im Inland ausgeübt wird oder worden ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a Satz 1 Alt. 1 EStG). Eine Ausübung im Inland liegt vor, wenn sich der Steuerpflichtige physisch im Inland aufhält und dort persönlich tätig wird. Dies gilt auch bei nur kurzfristiger oder vorübergehender Tätigkeit im Inland (keine De Minimis-Regelung). Folglich ist der Arbeitnehmer mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Deutschland beschränkt steuerpflichtig.

Besteuerungsrecht hinsichtlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Abkommensfällen

Grundsätzlich wird in Fällen, in denen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) als völkerrechtliche Verträge zwischen den jeweiligen Staaten geschlossen wurden und einschlägig sind, das Besteuerungsrecht an Gehältern, Löhnen und ähnlichen Vergütungen aus unselbständiger Arbeit dem Ansässigkeitsstaat zugeordnet. Bei Ausübung der Arbeit im anderen Staat, besitzt jedoch dieser Tätigkeitsstaat insoweit ein Besteuerungsrecht (Arbeitsortprinzip) und zwar ab dem ersten Tag der Tätigkeit im Tätigkeitsstaat (kein De Minimis) mit der Folge einer Aufteilung der Vergütungen.

Von diesem Arbeitsortprinzip existiert eine Rückausnahme. Wenn die folgenden Voraussetzungen kumulativ vorliegen, steht wieder dem Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zu, und zwar auch für Vergütungen, die für im Tätigkeitsstaat ausgeübte Arbeit gezahlt wird:

  1. Der Empfänger hält sich im anderen Staat insgesamt nicht länger als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten, der während des betreffenden Steuerjahres beginnt oder endet, auf und
  2. die Vergütungen werden von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt, der nicht im anderen Staat ansässig ist, und
  3. die Vergütungen werden nicht von einer Betriebstätte getragen, die der Arbeitgeber im anderen Staat hat.

Abkommensrechtliche Folgen des Lex Beckham: Keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts aufgrund DBA

Wird das Lex Beckham vom Arbeitnehmer genutzt, so wird diesem keine Ansässigkeitsbescheinigung seitens der spanischen Finanzverwaltung ausgestellt und die Abkommensberechtigung für das DBA entfällt (siehe u.a. Protokoll zum DBA Deutschland-Spanien, II und XI Nr. 2 und Nr. 3; Gem. Protokoll II gelten Art. 4 DBA und Art. 6 bis Art. 21 DBA nicht für den Fall des Lex Beckham). Da der Arbeitnehmer (auch weiterhin) das besondere Steuermodell nutzt, entfällt entsprechend die Abkommensberechtigung des Arbeitnehmers. 

Folglich finden diesbezüglich (ausschließlich) die deutschen innerstaatlichen Regelungen der beschränkten Steuerpflicht Anwendung, ohne Anwendung der genannten DBA-Verteilungsnormen. Das bedeutet, dass das das Besteuerungsrecht Deutschlands an den in Deutschland beschränkt steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit auch nicht durch die abkommensrechtlichen Regelungen im DBA mit Spanien beschränkt wird.

Inländischer Arbeitgeber ist zum Lohnsteuerabzug verpflichtet

Die Einkommensteuer wird bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), soweit der Arbeitslohn von einem Arbeitgeber gezahlt wird, der im Inland seine Geschäftsleitung und/oder seinen Sitz hat (inländischer Arbeitgeber) (§ 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Der Arbeitgeber hat die Verpflichtung, die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG).

Lohnsteuerabzug dem Grunde nach, aber in welcher Höhe?

Es stellt sich im Fallbeispiel die Frage nach der korrekten Höhe der dem Grunde nach bestehenden Verpflichtung zum Lohnsteuereinbehalt. Hinsichtlich dieser Thematik zeichnet sich im Schrifttum kein einheitliches Bild ab:

Teilweise wird in allgemeiner Weise und ohne weitere Differenzierung auf den Lohnsteuerabzug für sowohl unbeschränkt als auch beschränkt Steuerpflichtige Bezug genommen, ohne jedoch die Höhe bzw. den Bezugspunkt zu konkretisieren. 

Teilweise werden bzgl. der Höhe bzw. dem Bezugspunkt verschiedene Meinungen vertreten: 

  • Einerseits wird ein Lohnsteuerabzug für die gesamten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vertreten, d.h. für die Lohnzahlungen, die der Arbeitnehmer für seine in Deutschland und in Spanien ausgeübte Arbeit erhält. Muss der Arbeitnehmer (auch) im Heimatland (vorliegend Spanien) eine ausländische Steuer entrichten, die der deutschen Einkommensteuer entspricht, soll gleichwohl auch für diesen im Ausland (vorliegend Spanien) besteuerten Arbeitslohn deutsche Lohnsteuer anfallen. Das würde einen Lohnsteuerabzug bzgl. sämtlicher Lohnzahlungen bedeuten.
  • Andererseits wird ein Lohnsteuerabzug nur für die inländischen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a Satz 1 Alt. 1 EStG) vertreten, also nur für die Lohnzahlungen, die der Arbeitnehmer für seine in Deutschland ausgeübte Arbeit erhält. Das würde einen Lohnsteuerabzug nur bzgl. der Lohnzahlungen für die in Deutschland ausgeübte Arbeit bedeuten.

Keine Freistellungsbescheinigung zur Absicherung möglich

Für den Fall, dass ein (sog. antragsgebundenes) DBA mit Freistellung des Arbeitslohns der Auslandsvergütungen besteht, ist der Arbeitgeber nur dann vom Lohnsteuerabzug befreit, wenn ihm eine Freistellungsbescheinigung erteilt wurde. Bei einem sog. nicht antragsgebundenen DBA kann der Arbeitgeber – bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen – (insoweit) auch ohne Freistellungsbescheinigung vom Lohnsteuerabzug absehen. Allerdings wird auch in einem solchen Fall – alleine aus lohnsteuerlichen Haftungsrisiken des Arbeitgebers –der Antrag auf Freistellungsbescheinigung zur Absicherung empfohlen. 

Diese wird auch bei nicht antragsgebundenen DBAs vom zuständigen Betriebsstättenfinanzamt erteilt (LStR R 39.5). Eine Mitteilung nach § 39 Abs. 4 Nr. 5 EStG über die Freistellung des Arbeitslohns aufgrund eines DBA als Lohnsteuerabzugsmerkmal kann derzeit von der Finanzverwaltung programmtechnisch noch nicht für den Arbeitgeber zum Abruf als ELStAM bereitgestellt werden. Bis zu diesem Zeitpunkt ist – wie bisher – auf Antrag eine Papierbescheinigung für den Lohnsteuerabzug auszustellen.

Da in vorliegendem Fallbeispiel aufgrund des Lex Beckham die Abkommensberechtigung des Arbeitnehmers entfällt (siehe hierzu bereits oben), wird auch keine entsprechende Freistellungsbescheinigung aufgrund DBA erteilt. Ein Antrag auf Freistellungsbescheinigung zur Absicherung des korrekten Lohnsteuerabzugs und zur Vermeidung lohnsteuerlicher Haftungsrisiken ist dementsprechend nicht möglich.

Die Höhe des Lohnsteuerabzugs sollte auf die im Inland beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte beschränkt sein

Richtigerweise sollte der Lohnsteuerabzug auf die in Deutschland ausgeübte Arbeit des Arbeitnehmers beschränkt sein, da Grundvoraussetzung für den Lohnsteuerabzug in Deutschland einkommensteuerpflichtiger Arbeitslohn ist. 

Es muss sich hierbei – aufgrund des Sinnzusammenhangs und dem Vorauszahlungscharakter der Lohnsteuer – um solchen Arbeitslohn handeln, der in Deutschland auch von der Einkommensteuer erfasst wird, also gem. § 49 EStG im Inland (beschränkt) einkommensteuerpflichtig ist (inländische Quelleneinkünfte). Diese Voraussetzung liegt bei einem beschränkt Steuerpflichtigen dann vor, wenn und soweit er seine Arbeit in Deutschland ausübt.

Da die Lohnsteuer eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer darstellt, bei welcher der Arbeitgeber den Steuerabzug für Rechnung des Arbeitnehmers vornimmt (Vorauszahlungscharakter), kann sich der Umfang der Lohnsteuerabzugsverpflichtung nur nach dem Umfang der Steuerpflicht bestimmen. 

Eine Pflicht zum Lohnsteuereinbehalt auf in Deutschland nach innerstaatlichem Recht nicht steuerpflichtige Einkünfte wäre nicht sachgerecht und könnte, wenn im Ausland ebenfalls Einkommensteuer abzuführen ist, zu einer potenziellen Übermaßbesteuerung, zumindest jedoch zu einer übermäßigen Liquiditätsbelastung, führen. 

Auch verwaltungsökonomisch und verfahrenstechnisch wäre ein Lohnsteuereinbehalt auf den gesamten Arbeitslohn nicht zweckmäßig, da der Arbeitnehmer dann stets den Weg der Antragsveranlagung (i.S.v. § 46 Abs. 2 Nr. 8 i.V.m. § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b EStG) beschreiten müsste, um die Festsetzung der materiell richtigen Einkommensteuer zu erreichen. 

Rechtssicherheit ist durch eine Lohnsteueranrufungsauskunft zu erlangen

Die korrekte lohnsteuerliche Behandlung stellt nicht nur aus Compliance-Gesichtspunkten bzw. lohnsteuerlichen Haftungsgesichtspunkten für den Arbeitgeber ein praxisrelevantes Thema dar. 

Für Rechtssicherheit empfiehlt sich eine gebührenfreie Lohnsteueranrufungsauskunft beim zuständigen Betriebsstättenfinanzamt.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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