Seit dem Jahr 2019 erwartete die Krypto-Szene ein BMF-Schreiben zur ertragsteuerlichen Behandlung. Nun erhielten Verbände/Interessenvertreter* den Entwurf.
Bislang basierte die Einordnung in Besteuerungsregime auf Veröffentlichungen der Finanzbehörde Hamburg, der Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen, finanzgerichtlichen Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz und Forschungsergebnissen der steuerrechtlichen Literatur.
Motivlage: Leitfaden zur ertragsteuerlichen Behandlung von virtuellen Währungen und Token
Bereits beim ersten Lesen des nunmehr vorliegenden Entwurfs fällt auf, dass dieser keineswegs vollständig ist. So hat das BMF die hohe Geschwindigkeit der Geschäftsmodelle in der Krypto-Szene erkannt, mit der sich das Erscheinungsbild digitaler Produkte stetig ändert und kündigt eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe an, die sich regelmäßig mit Neuerungen auseinandersetzen soll. Auch weist das Begleitanschreiben zu dem Entwurf ausdrücklich darauf hin, dass eine Auseinandersetzung nur mit den bis Ende 2019 bekannten Erscheinungsformen virtueller Währungen und Token stattgefunden hat.
Einleitend definiert der Entwurf virtuelle Währungen als digital dargestellte Werteinheiten von Währungen, die von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert oder garantiert werden und nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzen, aber deren Werteinheiten von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert werden und auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden können.
Token seien digitale Werteinheiten, die Ansprüche oder Rechte verkörpern können, deren Funktionen variieren, als Entgelt für erbrachte Dienstleistungen im Netzwerk dienen oder unabhängig von der Zurverfügungstellung von Rechnerleistung zentral von einem Projektinitiator zugeteilt werden.
Mining stellt einen Anschaffungsvorgang dar…
Die erste Überraschung hält der Entwurf bereits ganz zu Beginn der steuerlichen Würdigung der zuvor definierten Vorgänge (Mining, Staking, Forks etc.) bereit. Ausdrücklich wird festgehalten, dass das Mining einen Anschaffungsvorgang darstellt, der u.a. die Spekulationsfristen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in Gang setzt. Damit ist die noch in dem Erlass der Finanzbehörde Hamburg vom 11. Dezember 2017 geäußerte Auffassung, dass „selbst generierte″ Werteinheiten keinen Erwerb darstellen, überholt.
… und die Gewerblichkeit wird vermutet
Darüber hinaus wird laut des Entwurfs beim Mining wird – unabhängig von der Höhe der Aufwendungen für Hardware und Strom – widerlegbar vermutet, dass eine gewerbliche Tätigkeit (§ 15 Abs. 2 EStG) vorliegt, mit den daraus folgenden gewerbesteuerlichen Konsequenzen und der Verhaftung der Erträge im Betriebsvermögen (keine Anwendbarkeit von Spekulationsfristen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Anhand des Einzelfalls ist von der privaten Vermögensverwaltung abzugrenzen, wonach das Mining den sonstigen Einkünften (§ 22 Nr. 3 EStG) unterfallen würde.
Bemerkenswert ist insoweit auch, dass ein Mining-Pool nach Auffassung des BMF eine Mitunternehmerschaft begründen kann.
Zur Zugangsbewertung der Token im Betriebsvermögen kann als Marktkurs der Durchschnittswert aus dem Wechselkurs von drei verschiedenen Central Exchange zu Grunde gelegt werde, soweit kein Börsenkurs vorliegt.
Privates Veräußerungsgeschäft oder gewerblicher Händler virtueller Währungen
Die Veräußerung von im Betriebsvermögen gehaltenen virtuellen Währungen führt zu Betriebseinnahmen. Zur Abgrenzung zum privaten Veräußerungsgeschäft (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) zieht das BMF die Abgrenzungskriterien des Bundesfinanzhofs zum gewerblichen Wertpapier- und Devisenhändler heran (händler- bzw. bankentypischen Verhalten, renditeoptimierter Einsatz der Investitionsoption etc.). Daher bedeuten häufige An- und Verkäufe allein noch keine Gewerblichkeit, auch wenn dabei ein größerer Umfang erreicht wird.
Im Privatvermögen gilt, dass für die Berechnung der Jahresfrist, in der die Veräußerung im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäfts steuerfrei erfolgen kann, aus Vereinfachungsgründen – wobei der Entwurf einleitend auf den Zeitpunkt des Handels über einen Exchange abstellt – der Anschaffungs- und Veräußerungszeitpunkt dient, der sich aus der Wallet ergibt. Als Verbrauchsfolgeverfahren sind sowohl die Einzelbetrachtung sowie auch die FiFo-Methode wählbar. Dabei eröffnet insbesondere die Einzelbetrachtung interessante Gestaltungsspielräume, wenn bspw. später erworbene Werteinheiten gezielt mit Verlust verkauft werden können, um Steuersparpotential auszunutzen.
Bewertung eines Fork ähnelt dem eines Aktiensplits
Erhält ein Steuerpflichtiger im Rahmen eines Forks Einheiten einer neu geschaffenen digitalen Währung, sollen die Einheiten der verschiedenen virtuellen Währungen unterschiedliche Wirtschaftsgüter darstellen. Die Anschaffungskosten sind dabei grundsätzlich im Verhältnis der Marktkurse der Einheiten im Zeitpunkt des Forks aufzuteilen.
Werden die geforkten Einheiten veräußert, sind die Regelungen über das private Veräußerungsgeschäft zu beachten, soweit es sich nicht ohnehin um Betriebsvermögen handelt. Für die Spekulationsfristen sind bei geforkten Einheiten die Anschaffungszeitpunkt der vorher existierenden Währung.
Initial Coin Offering: Ein Fingerzeig für die Anwendung weiterer Besteuerungsregime
Das BMF unterscheidet anhand einer Klassifizierung (Utility/ Equity/ Security/ Debt Token) über die Einordnung in das Besteuerungsregime. Im Wesentlichen gelten hier die üblichen Grundsätze der Besteuerung im Betriebsvermögen bei den Emittenten, wobei interessant ist, dass das BMF die Einzelfallprüfung, ob Erträge durch korrespondierende Verbindlichkeiten oder Rückstellungen für bestimmte Verpflichtungen egalisiert werden können, ermöglicht. Dies war bisher vielfach umstritten und wurde in anderen Jurisdiktionen (z.B. der Schweiz) flexibler gehandhabt.
Sofern es sich bei den von einem Token vermittelten Recht um eine Schuldverschreibung handelt, kann im Einzelfall das Regime der Kapitaleinkünfte anwendbar sein, es kommt diesbezüglich aber vor allem darauf an, ob die Schuldverschreibung eine echte Kapitalforderung darstellt.
Erhalten Arbeitnehmer Token verbilligt oder unentgeltlich, soll eine Geldleistung oder ein Sachbezug vorliegen. Der Sachbezug soll den Arbeitnehmer mit der Einbuchung im Wallet zufließen und ist grundsätzlich bis zu einer Grenze von EUR 44 (ab 2022: EUR 50) steuerfrei. Interessant ist insoweit, dass das BMF davon spricht, dass die Bewertung des Sachbezuges, mit dem um übliche Preisnachlässe geminderten Endpreis am Abgabeort im Zeitpunkt der Einräumung des Anspruchs erfolgt. Diese Aussage lässt unseres Erachtens die Interpretation zu, dass bei sehr frühzeitiger Anspruchsgewährung zugunsten der Mitarbeiter von einem ggf. zu diesem Zeitpunkt noch sehr günstigen Preis profitiert und der geldwerte Vorteil so geringgehalten werden kann, auch wenn die Token erst zu einem späteren Zeitpunkt zufließen. Dies würde eine häufige Streitfrage im Zusammenhang mit Mitarbeiter Token klären.
Staking führt zu sonstigen Einkünften und 10-Jahres Frist
Eine weitere wesentliche Aussage des Entwurfes betrifft das Thema des Staking. Sofern Cold Staking oder Staking im Zusammenhang mit einer Masternode betrieben wird, soll für die zugrundeliegenden Token die Nutzung als Einkunftsquelle vorliegen, was zur Verlängerung der Haltefrist auf zehn Jahre führt (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG). Dies gilt im Übrigen auch für andere Aktivitäten, durch die Token zur Erzielung von Einnahmen verwendet werden (bspw. Lending).
Im Übrigen gilt, dass zusätzliche Einheiten der virtuellen Währung, die der Steuerpflichtige für das Staking erhält Betriebseinnahmen darstellen, sofern die Einheiten er virtuellen Währung Betriebsvermögen sind.
Der Erhalt zusätzlicher Einheiten für das Staking im Privatvermögen soll zu sonstigen Einkünften (§ 22 Nr. 3 EStG) führen. Betragen die Einkünfte weniger als EUR 256 im Kalenderjahr, sind sie nicht einkommensteuerpflichtig.
Marketingmaßnahme Airdrop führt zu sonstigen Einkünften
Der Erhalt von Token aus einem Airdrop soll eine Betriebseinnahme darstellen, wenn die Token ebenfalls Betriebsvermögen sind. Im Privatvermögen erfolge der Erwerb gegen die Überlassung von Daten, eigene Bilder/Fotos etc., welche als Leistung des Steuerpflichtigen zu qualifizieren sein soll. Infolgedessen liegen sonstige Einkünfte vor. Ohne Gegenleistung seien schenkungssteuerrechtliche Regelungen zu beachten.
Widerlegbar vermutet das BMF, dass der Wert der hingegebenen Daten dem Marktkurs der Gegenleistung entspreche. Die Veräußerung der Token aus dem Airdrop im Privatvermögen stelle ein privates Veräußerungsgeschäft dar.
Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten sind noch unklar
Man scheint das Vollzugsdefizit der Finanzämter erkannt zu haben, deren einzige Erkenntnisquelle derzeit die Steuerpflichtigen selbst sind. Mit Details hält sich das BMF derzeit noch bedeckt und hat an der entsprechenden Stelle im Entwurf lediglich einen Platzhalter vorgesehen. Ein anderes Referat des BMF (IV B 7: Finanztransaktionsteuer) teilte im IT-Gesprächskreises am 8. Juni 2021 mit, dass das Ministerium sich derzeit in Verhandlungen mit der OECD über einen automatischen Informationsaustausch befinde. Auf europäischer Ebene stünden die Verhandlungen zur DAC 8 derzeit noch am Anfang; ein Richtlinienvorschlag der EU-Kommission werde für Herbst 2021 erwartet.
Finales Schreiben bis Ende des Jahres geplant
Bis Mitte Juli können Verbände und Interessenvertreter Stellung zu dem Entwurf nehmen. Für den August 2021 ist eine Diskussionsrunde geplant. Dem Vernehmen nach, beabsichtigt das BMF, das Schreiben Ende des Jahres final zu veröffentlichen.
Bereits jetzt ist erkennbar, dass das Schreiben zu einigen Überraschungen in der Krypto-Szene führen wird, insbesondere was die Anschaffung durch Mining und die Verlängerung der Spekulationsfrist aufgrund von Staking betrifft. Es bleibt abzuwarten, ob die Stellungnahmen insoweit noch Veränderungen herbeiführen können.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.