2. Mai 2023
Betriebsausgabenabzug bei überhöhter Betriebsratsvergütung
Steuerrecht

Gefährdung des steuerlichen Betriebsausgabenabzugs bei überhöhter Betriebsratsvergütung

Gefährdung des steuerlichen Betriebsausgabenabzugs bei überhöhter Betriebsratsvergütung – unverzügliche steuerliche Aufarbeitung empfohlen.

Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil v. 10. Januar 2023 – 6 StR 133/22) zeigt einmal mehr, dass sich Herausforderungen bei der Bemessung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern auch jenseits arbeitsrechtlicher Fragestellungen ergeben können. Dies gilt nicht zuletzt auch für das Steuerrecht. 

BGH stellt Grundsätze für die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern (nochmals) klar

Da Betriebsratsmitglieder nach § 78 S. 2 BetrVG wegen der Ausübung ihres Amtes weder begünstigt noch benachteiligt werden dürfen, gelten für die Bemessung der richtigen Vergütung strenge gesetzliche Vorgaben. Eine Vergütungsentwicklung ist unter den Voraussetzungen des § 37 Abs. 4 BetrVG möglich und bemisst sich nach der betriebsüblichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer*. Zur Ermittlung der richtigen Vergütung wird zunächst eine Vergleichsgruppe für das jeweilige Betriebsratsmitglied gebildet. Anschließend wird die hypothetische berufliche Entwicklung des Betriebsratsmitglieds anhand der Entwicklung der Vergleichsgruppe bestimmt. Hiernach richtet sich der Vergütungsumfang. 

Nach Wertung des BGH schließt die gesetzliche Regelung des § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG eine Bewertung der Betriebsratstätigkeit für Vergütungszwecke aus. Das gilt auch für im Betriebsratsamt erworbene Qualifikationen, soweit sie nicht im Zusammenhang mit der bisherigen Arbeitstätigkeit stehen. Denn die Betriebsratstätigkeit ist unentgeltlich auszuüben, wobei im Interesse der Unabhängigkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist. Dieser verbietet es, auf die hypothetische Gehaltsentwicklung des Betriebsrats bei einer Sonderkarriere abzustellen. Vergleichbar ist vielmehr nur, wer im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt hat und dafür in gleicher Weise wie das Betriebsratsmitglied fachlich und persönlich qualifiziert war. Üblich ist eine Entwicklung, wenn die überwiegende Anzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer eine solche typischerweise bei normaler betrieblicher und personeller Entwicklung genommen hat. Diese Regeln gelten auch für Beförderungen. Ein Aufstieg ist insbesondere nur dann betriebsüblich, wenn die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer einen solchen erreicht hat. Die Zahlung einer höheren Vergütung setzt voraus, dass das Betriebsratsmitglied nur infolge der Amtsübernahme nicht in die entsprechend vergütete Position aufgestiegen ist. Darüber hinausgehende Vergütungserhöhungen verstoßen gegen das Begünstigungsverbot aus § 78 S. 2 BetrVG.

Beachtung steuerlicher Compliance

Die Rechtsfolgen einer unzulässigen Abweichung können gravierend sein. Erfolgt eine Überzahlung wegen der Betriebsratstätigkeit, ist dieses Verhalten nicht nur nach § 119 BetrVG (und entsprechend dem aktuellen Urteil auch nach § 266 Abs. 1 StGB als Untreue) möglicherweise strafbar, sondern die Zahlungen dürfen in diesem Umfang auch nicht steuermindernd als Betriebsausgaben abgezogen werden (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EStG). 

Der exakte Wortlaut des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EStG bestimmt, dass die Zuwendung von Vorteilen sowie damit zusammenhängende Aufwendungen den Gewinn nicht mindern dürfen, wenn die Zuwendung der Vorteile eine rechtswidrige Handlung darstellt, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt.

Auch hieraus können sich bei Nichtbeachtung strafrechtliche Konsequenzen ergeben, da der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO vorliegen kann. Erkennt ein Unternehmen erst später eine solche Überzahlung, ist es u.U. zur Berichtigung nach § 153 Abs. 1 AO verpflichtet; der Verstoß dagegen kann ebenfalls nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbar sein. 

Auch in der Praxis der Finanzverwaltung ist dieses Thema mittlerweile bekannt

Nicht zuletzt durch das aktuelle BGH-Urteil dürfte das Verbot des Betriebsausgabenabzugs auf überhöhte Betriebsratsvergütungen als Prüfungsschwerpunkt zukünftiger Außenprüfungen aufgenommen werden. 

Auch bereits jetzt gibt es Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung über das „Ob“ des Betriebsausgabenabzugsverbots gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EStG und vor allem über die „Höhe“ des zu Unrecht vorgenommenen Betriebsausgabenabzugs. 

Dabei stellen sich rein praktische Compliance-Fragen, u.a. wie viele Jahre zurück eine Offenlegung vorzunehmen ist und mit welchen Beträgen. Denn die Kalkulation überhöhter Vergütungen kann erfahrungsgemäß recht komplex sein.

Bislang zeigte die Finanzverwaltung aufgrund der „exotischen“ Vorschrift im EStG, die auch für Personen- und Kapitalgesellschaften gilt, und der zugrundeliegenden komplexen arbeitsrechtlichen Thematik Wohlwollen bei der subjektiven Komponente, also bezüglich eines etwaigen Vorsatzes des zu Unrecht vorgenommenen Betriebsausgabenabzugs. 

Durch das aktuelle BGH-Urteil könnte dieses Wohlwollen schwinden und Unternehmen werden sich die Frage stellen müssen, wie viele Jahre zu korrigieren sind, um im Zweifel bestmöglich die Voraussetzungen einer Selbstanzeige neben einer Anzeige nach § 153 AO erfüllen zu können. Denn für eine wirksame Selbstanzeige müsste der Anzeigenerstatter teilweise mehr als zehn Jahre zurück korrigieren, während bei einer Anzeige nach § 153 AO lediglich die Regelverjährung von vier Jahren zu beachten wäre, was im Einzelfall zu prüfen ist. 

Unverzügliche steuerliche Aufarbeitung empfohlen

Daher ist zu empfehlen, die steuerliche Aufarbeitung eines möglicherweise überhöhten Betriebsausgabenabzugs unverzüglich vorzunehmen, da die Anzeige nach § 153 AO genau diese Unverzüglichkeit, also Handeln ohne schuldhaftes Zögern, voraussetzt. 

Die Legaldefinition der Unverzüglichkeit in § 121 BGB hilft bei der konkreten Bemessung des zur Verfügung stehenden Zeitfensters zur Nachmeldung nicht weiter, da nach Ansicht der Finanzverwaltung der Begriff der Unverzüglichkeit im Rahmen des § 153 AO einzelfallabhängig auszulegen ist. Eine Meldung innerhalb von 2 Wochen nach Erkenntnis der Fehlerhaftigkeit dürfte jedenfalls in fast allen Sachverhalten dieser Art ausreichend sein. 

Bei einer längeren Aufarbeitungsdauer ist im Einzelfall abzuwägen, ob man zunächst eine Anzeige an das zuständige Finanzamt erstattet und eine Berichtigung der Bemessungsgrundlagen nachschiebt. 

So bestätigt auch die Finanzverwaltung (in AEAO zu § 153 Nr. 5), dass die Berichtigung nach § 153 Abs. 1 S. 1 AO später nachfolgen könne, wenn hierfür eine gewisse Zeit zur Aufbereitung der Unterlagen erforderlich ist. In einem solchen Fall sollte ggf. die erforderliche Zeitdauer gegenüber der Finanzbehörde begründet werden, z.B. durch einen Hinweis auf die notwendige Aufklärung von unternehmensinternen Prozessen, wenn es sich um länger zurückliegende Sachverhalte handelt. Zu diesem Zweck ist dem Berichtigungspflichtigen von der Finanzbehörde eine angemessene Frist zu gewähren. Entsprechend kann es sich verhalten, wenn der Steuerpflichtige vorläufige Angaben macht, weil der Sachverhalt nicht abschließend bekannt ist, er aber keine Fristen versäumen will.

Erkennt der Steuerpflichtige demnach erst im Nachhinein die Fehlerhaftigkeit der von ihm abgegebenen Erklärung und kommt er seiner Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO unverzüglich nach, liegt weder eine Steuerhinterziehung noch eine leichtfertige Steuerverkürzung vor.

Steuerpflichtige sollten zeitnah prüfen, ob eine überhöhte Betriebsratsvergütung vorgenommen wurde

Aufgrund der nunmehr auch bei der Finanzverwaltung bekannten Thematik, dass überhöhte Betriebsratsvergütungen einem Verbot des Betriebsausgabenabzugs unterliegen können, dürfte sich eine arbeitsrechtliche und steuerliche Aufarbeitung dem Grunde nach, aber auch der Höhe nach, anbieten. Denn eine ordnungsgemäße Anzeigenerstattung dürfte für den Steuerpflichtigen nach aktuellem Stand – abgesehen von der Nichtanerkennung der Betriebsausgaben – keine nachteiligen Folgen bereithalten, wenn der überhöhte Betriebsausgabenabzug bislang unerkannt fehlerhaft erfolgte. 

Sollte ein mindestens bedingter Vorsatz vorgelegen haben, so ist eine weitere Abwägung zu treffen, welchen Inhalt die Anzeige an das Finanzamt haben sollte. Denn eine klassische Selbstanzeige ist nur dann strafbefreiend, wenn sie für die jeweilige Steuerart (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer) umfassend vorgenommen wird. Sollten also noch weitere steuerliche „Baustellen“ vorliegen, so ist eine intensive Auseinandersetzung mit den verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zu empfehlen. 

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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