4. September 2020
Jahressteuergesetz 2020
Steuerrecht

Bundeskabinett beschließt den Entwurf für ein Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020)

Am 2. September hat die Bundesregierung den Entwurf für ein Jahressteuergesetz 2020 beschlossen und umfangreiche Steuergesetzesänderungen auf den Weg gebracht.

Mit dem am 20. Juli 2020 veröffentlichten Referentenentwurf für ein Jahressteuergesetz 2020 hatte das Bundesfinanzministerium (BMF) auf 205 Seiten eine Vielzahl steuerlicher Änderungen und Anpassungen nachvollzogen, die sich aus Unionsrecht und Judikative des EuGH und BFH ergeben. Darüber hinaus sind Anpassungen im Kontext der Covid-19 Pandemie in den Gesetzesentwurf eingeflossen. Am 2. September 2020 hat das Bundeskabinett nun den (teilweise geänderten) Entwurf für das Jahressteuergesetz 2020 beschlossen. Der Regierungsentwurf wurde am 3. September 2020 auf der Seite des BMF veröffentlicht. Ziel der Bundesregierung ist, wichtige steuerliche Anpassungen auf den Weg zu bringen, die insbesondere einer zielgenauen Förderung kleinerer und mittlerer Unternehmen, der Kurzarbeit und verbilligten Wohnraumvermietung dienen. Außerdem sind Maßnahmen für mehr Digitalisierung und zur Bekämpfung von Steuergestaltungen vorgesehen.

Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens sind jetzt noch die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat erforderlich.

Ein Ausschnitt der im JStG-E vorgesehenen wesentlichen Änderungen im Einkommen-, Erbschaft- und Umsatzsteuerrecht im Überblick:

Einkommensteuer

Artikel 1 – Artikel 4 des Entwurfs zum JStG 2020 sehen eine Vielzahl von Änderungen im Einkommensteuergesetz (EStG) vor, diese betreffen u.a.:

Flexibilität bei Investitionsabzugsbeträgen

Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG ermöglichen die Vorverlagerung von Abschreibungspotential in ein Wirtschaftsjahr vor Anschaffung oder Herstellung begünstigter Wirtschaftsgüter. Mit Hilfe der Abzugsbeträge, die zu einer Steuerstundung führen, können Mittel angespart werden, die die Finanzierung geplanter Investitionen erleichtern können. Darüber hinaus können nach § 7g Absatz 5 EStG für die Anschaffung oder Herstellung begünstigter Wirtschaftsgüter auch Sonderabschreibungen in Anspruch genommen werden, um weiteres Abschreibungspotential vorzuziehen.

Bislang waren nur Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens begünstigt, die im Jahr der Investition und im Folgejahr ausschließlich oder fast ausschließlich, d. h. zu mindestens 90 Prozent, im Betrieb genutzt werden.

Künftig sollen auch in diesem Zeitraum vermietete Wirtschaftsgüter in den Anwendungsbereich des § 7g EStG fallen. Dies soll unabhängig von der Dauer der jeweiligen Vermietung gelten. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung sollen damit künftig auch längerfristige Vermietungen für mehr als drei Monate unschädlich sein. Dadurch soll die Verwendbarkeit der angeschafften oder hergestellten betrieblichen Wirtschaftsgüter flexibilisiert werden.

Als Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen soll künftig für alle Einkunftsarten eine einheitliche Gewinngrenze i. H. v. EUR 150.000 gelten (der Referentenentwurf sah im Gegensatz zum Regierungsentwurf eine Gewinngrenze von EUR 125.000 vor).

Die begünstigten Investitionskosten sollen zudem von 40 % auf 50 % angehoben werden.

Die Regelungen sollen erstmals für Investitionsabzugsbeträge anzuwenden sein, die nach dem 31. Dezember 2019 endenden Wirtschaftsjahr anfallen.

Erweiterung der steuerrechtlichen Berücksichtigung von Aufwendungen bei verbilligter Wohnraumvermietung

§ 21 Absatz 2 Satz 1 EStG typisiert in seiner derzeit geltenden Fassung bei einer verbilligten Überlassung einer Wohnung zu weniger als 66 % der ortsüblichen Miete eine generelle Aufteilung der Nutzungsüberlassung in einen entgeltlich und einen unentgeltlich vermieteten Teil, wobei nur die auf den entgeltlich vermieteten Teil der Wohnung entfallenden Werbungskosten von den Mieteinnahmen abgezogen werden können.

Mit der Änderung in § 21 Absatz 2 Satz 1 EStG-E soll die Grenze für die generelle Aufteilung der Wohnraumüberlassung in einen entgeltlich und in einen unentgeltlich vermieteten Teil auf 50 % der ortsüblichen Miete herabgesetzt werden. Nach der Gesetzesbegründung-E soll damit dem Umstand der vielerorts steigenden Mieten und des hohen Mietniveaus in Deutschland Rechnung getragen werden. Insbesondere Vermieter, die im Interesse des Fortbestands ihrer oft langjährigen Mietverhältnisse davon Abstand nehmen, regelmäßig (zulässige) Mieterhöhungen vorzunehmen, sollen auch bei verbilligter Wohnraumüberlassung mit Einkünfteerzielungsabsicht von ihren Mieteinnahmen vollumfänglich ihre Werbungskosten abziehen können, wenn das Entgelt mindestens 50 % der ortsüblichen Miete beträgt.

Beträgt das Entgelt 50 % und mehr, jedoch weniger als 66 % der ortsüblichen Miete, soll nunmehr (wieder) eine Totalüberschussprognoseprüfung vorzunehmen sein. Fällt diese positiv aus, ist für die verbilligte Wohnraumüberlassung Einkünfteerzielungsabsicht zu unterstellen und der volle Werbungskostenabzug möglich. Führt die Totalüberschussprognoseprüfung hingegen zu einem negativen Ergebnis, ist von einer Einkünfteerzielungsabsicht nur für den entgeltlich vermieteten Teil auszugehen. Für den entgeltlich vermieteten Teil können die Werbungskosten anteilig abgezogen werden. Die Gesetzesbegründung-E führt insoweit aus, dass die Totalüberschussprognoseprüfung für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach langjähriger und gefestigter BFH-Rechtsprechung erfolgt und das BMF-Schreiben vom 8. Oktober 2004 (BStBl I S. 933) unverändert einschlägig ist.

Verhinderung einer Übermaßbesteuerung beschränkt Steuerpflichtiger

Mit der Ergänzung des § 50 EStG um einen Absatz 1a-E soll die EuGH-Entscheidung vom 6. Dezember 2018 in der Rechtssache C-480/17 „Montag“ auch gesetzlich umgesetzt werden (dies war bislang durch Billigkeitsmaßnahmen berücksichtigt worden). Beiträge an berufsständische Versorgungseinrichtungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a EStG sind danach abweichend von der bisherigen Regelung auch bei beschränkt Steuerpflichtigen als Sonderausgaben zu berücksichtigen, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt werden.

Datenaustausch zwischen privaten Krankenversicherern, Finanzverwaltung und Arbeitgebern

Vorgesehen ist die Einführung eines Datenaustauschs zwischen den Unternehmen der privaten Krankenversicherung, der Finanzverwaltung und den Arbeitgebern, der im Lohnsteuerabzugsverfahren die bestehenden Verfahren mittels Papierbescheinigungen (zunächst in Pilotphase ab dem 1. Januar 2023 und ab 2024 im Regelbetrieb) vollständig ersetzt, §§ 39 ff. EStG-E.

Erbschaftsteuer

Artikel 28 des Regierungsentwurfs betrifft insbesondere folgende Anpassungen und Änderungen im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG):

Klarstellung beim Erwerb von Todes wegen – Zuwendung einer Abfindung

Nach dem für das Erbschaftsteuerrecht maßgeblichen Zivilrecht existiert für ein Vermächtnis keine Ausschlagungsfrist. Mit einer Wortlaut-Änderung des § 3 Absatz 2 Nr. 5 ErbStG-E soll nun klargestellt werden, dass die Abfindung für ein angenommenes Vermächtnis gewährt wird, das wegen der Annahme nicht mehr ausgeschlagen werden kann.

Ausgleichsforderung bei Zugewinngemeinschaft – Ausschluss einer Doppelbegünstigung

§ 5 Absatz 1 ErbStG gewährt im Falle des Todes eines Ehegatten oder Lebenspartners dem überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner eine Steuerbefreiung in Höhe der Ausgleichsforderung, die er als Zugewinnausgleich nach § 1371 Absatz 2 BGB hätte geltend machen können, wenn er nicht Erbe geworden wäre und ihm auch kein Vermächtnis zustünde.

Die derzeitige Ausgestaltung dieser Vorschrift bewirkt eine nicht gerechtfertigte Doppelbegünstigung des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners. Sie entsteht dadurch, dass der Zugewinn und die daraus errechnete Ausgleichsforderung nach den bürgerlich-rechtlich maßgebenden Verkehrswerten des Anfangs- und Endvermögens ermittelt wird ohne Rücksicht darauf, ob für das maßgebende Endvermögen, zu dem auch das im Nachlass vorhandene Vermögen gehört, Steuerbefreiungen gewährt werden. Im Gegensatz dazu kann der erbschaftsteuerrechtlich maßgebende Wert des erworbenen Nachlassvermögens wegen der Anwendung von Befreiungsvorschriften in erheblichem Umfang gemindert sein.

Um diese Doppelbegünstigung auszuschließen, soll durch den neuen Satz 6 die abzugsfähige fiktive Ausgleichsforderung gemindert werden. Hierfür wird das Verhältnis zwischen dem um die Steuerbefreiungen geminderten Werts des Endvermögens zum Wert des Endvermögens zugrunde gelegt.

Abzug von Schulden und Lasten

Nach dem geltenden § 10 Abs. 6 ErbStG sind Schulden und Lasten nicht abzugsfähig, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die ganz oder teilweise von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit sind.

Der BFH hat in seiner Rechtsprechung (Urteile vom 21. Juli 1972 – III R 44/70 und vom 22. Juli 2015 – II R 1/13; II R 12/14) darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber ein allgemeines Abzugsverbot anordnen könne. Die Gesetzesbegründung zum JStG-E 2020 geht davon aus, dass ein solcher Regelungsbedarf besteht. Um einen ungerechtfertigten steuerlichen Vorteil durch den unbegrenzten Abzug von Schulden und Lasten zu vermeiden, sollen nach § 10 Absatz 6 Satz 5 bis 10 ErbStG Schulden und Lasten anteilig gekürzt werden, die nicht in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einzelnen Vermögensgegenständen stehen.

Umsatzsteuer

Artikel 8 – Artikel 13 des Entwurfs betreffen umfangreiche Anpassungen und Änderungen im Umsatzsteuergesetz (UStG) sowie der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV), u.a.:

Erweiterung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b UStG (Reverse-Charge-Verfahren) auf Telekommunikationsdienstleistungen an sog. Wiederverkäufer.

Die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (Reverse-Charge-Verfahren) soll auf Telekommunikationsdienstleistungen erweitert werden (§ 13b Absatz 2 Nr. 12 EStG-E neu). Der Anwendungsbereich soll jedoch auf Unternehmer beschränkt werden, deren Haupttätigkeit in Bezug auf den Erwerb dieser Leistungen in deren Erbringung besteht und deren eigener Verbrauch dieser Leistungen von untergeordneter Bedeutung ist (sog. Wiederverkäufer).

Kein rückwirkendes Ereignis i.S.d. AO bei Rechnungsberichtigung

Durch eine Gesetzesänderung in § 14 Absatz 4 Satz 4 UStG-E neu soll klargestellt werden, dass die Berichtigung einer Rechnung kein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung (AO) ist. Die Änderung hat lediglich deklaratorischen Charakter und soll klarstellen, dass eine Rechnungsberichtigung keine zeitlich unbegrenzte Änderungsmöglichkeit eines Steuerbescheides zur Folge hat.

Umsetzung des Mehrwertsteuer-Digitalpakets

Zum 1. Januar 2021 soll die Umsetzung des sogenannten Mehrwertsteuer-Digitalpakets in Kraft treten. Dies sieht insbesondere die Erweiterung des bestehenden Mini-One-Stop-Shop sowie die Einführung eines Import-One-Stop-Shops (IOSS) vor.

Tags: 2020 BMF Jahressteuergesetz Referentenentwurf