2. März 2022
Kryptowert Einkommensteuer Wirtschaftsgut
Steuerrecht

Rückschlag für private Kryptoinvestoren: Auch Finanzgericht Köln qualifiziert Kryptowerte als Wirtschaftsgüter

Die Besteuerung begründet das FG Köln umfassender als das FG Baden-Württemberg, aber technische Details sind nicht entscheidend. Die Revision ist anhängig.

Der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt gestaltet sich denkbar einfach. In den Jahren 2014 bis 2016 erwarb der Steuerpflichtige auf bitcoin.de (auf dieser Plattform erwirbt der Käufer direkt von anderen verifizierten Nutzern) für ca. EUR 20.000 Bitcoins (BTC). Die BTC tauschte er im Streitjahr 2017 teilweise gegen Ether (ETH) und dann weiter in Monero (XMR). Hierbei erzielte er einen Gewinn i.H.v. ca. EUR 1 Mio. Über bitcoin.de und die Handelsplattform bitstamp.net tauschte er anschließend XMR in BTC und realisierte hierbei einen weiteren Gewinn i.H.v. ca. EUR 3,4 Mio.

Finanzamt setzt Steuer unter Vorbehalt der Nachprüfung fest

Diesen Veräußerungsgewinn erklärte der Steuerpflichtige in seiner Einkommensteuererklärung – aus Vorsichtsgründen auf Basis der profiskalischen Rechtsposition  der Finanzverwaltung – als sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG).

Das Finanzamt folgte der Steuererklärung des Steuerpflichtigen und setzte die Steuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Der Steuerpflichtige legte daraufhin zunächst Einspruch (gegen die spätere Aufhebung des Vorbehalts) ein und erhob anschließend die Klage beim FG Köln. 

Kryptowerte sind ein „anderes Wirtschaftsgut“

Gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG sind steuerpflichtige „private Veräußerungsgeschäfte“ solche

Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftsgütern, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs umfasst der Begriff des „Wirtschaftsguts“ neben Sachen und Rechten auch tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten, d.h. sämtliche vermögenswerten Vorteile, deren Erlangung sich der Steuerpflichtige etwas kosten lässt und die einer selbständigen Bewertung zugänglich sind.

Der Steuerpflichtige verneinte die Qualifikation als Wirtschaftsgut mit dem Argument, dass es sich nur um Signaturketten in Blockchains handele. Die Qualifikation als virtuelle „Währung“ sei fernliegend, da Banken nicht verpflichtet seien, Kryptowerte zu akzeptieren. Auch liege keine Anschaffung vor, da es sich bei Bitcoin-Transaktionen lediglich um Umbuchungen in einem Buchungssystem handeln solle. 

Dem treten, wie schon im Verfahren vor dem FG Baden-Württemberg, sowohl das Finanzamt als auch das FG entgegen. Unter Heranziehung einer Vielzahl historischer Urteile der Finanzrechtsprechung zeichnete das FG einen extrem weiten Anwendungsbereich des Wirtschaftsgutsbegriffs, um – ohne genaue technische Einordnung, aber nicht derart ausdrücklich wie das FG Baden-Württemberg – Kryptowerte als eben solche Wirtschaftsgüter zu qualifizieren. 

Dem Argument des Steuerpflichtigen, dass der Hashwert nichts anderes als ein Lottoschein mit Loszahlen sei, entgegnete das FG, dass für Kryptowerte etablierte Märkte entstanden seien, die wirtschaftliche Vorteile erzielbar machen. Für das FG ausschlaggebend war ausdrücklich die Verkehrsfähigkeit. Die Tatsache, dass die Kryptoszene Wege gefunden habe, um Kryptowerte entgeltlich zu übertragen, zeige klar, dass ein Wirtschaftsgut gegeben sei. Strukturell hält das FG Kryptowerte außerdem für vergleichbar mit Fremdwährungen. 

Kryptowerte sind dem Steuerpflichtigen zuzurechnen

Der Steuerpflichtige argumentierte abseits der Frage nach dem Begriff des Wirtschaftsgutes zudem, die Kryptowerte seien ihm gar nicht steuerlich zuzurechnen (§ 39 AO), da er weder zivilrechtlicher noch wirtschaftlicher Eigentümer werden könne. 

Auch dies sah das FG anders: Der Steuerpflichtige habe eine Rechtsposition innegehabt, die es ihm erlaubte, über die Kryptowerte zu verfügen und diese zu tauschen bzw. gegen Zahlung eines Kaufpreises zu übertragen. Ob dies eine Zurechnung als zivilrechtlicher Eigentümer nach § 39 Abs. 1 AO zur Folge hat oder als wirtschaftlicher Eigentümer nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO – nur, wer ist dann der zivilrechtliche Eigentümer? –, beantwortet das Gericht nicht.

Kein strukturelles Vollzugsdefizit

Als weiteres gewichtiges Vorbringen beschäftigte sich der Vortrag des Steuerpflichtigen mit dem Vorliegen eines strukturellen Vollzugsdefizits.

Bemerkenswert war diesbezüglich schon die Klageerwiderung des Finanzamtes, das umfangreich die aktuellen Reformbemühungen der EU (u.a. DAC 8) und der OECD (CARF) zum Datentransfer von Transaktionsdaten an die Finanzbehörden skizzierte und damit auf zukünftige Ermittlungs- und Vollzugsinstrumente abstellte, die für die zu beurteilende Rechtslage vollkommen unerheblich sind.

Vergleichbar neben der Spur ist insoweit die Feststellung des FG, dass sich die Finanzverwaltung innerhalb der zehnjährigen Festsetzungsfrist bei Steuerhinterziehungen die sich aus der Unveränderbarkeit der Blockchain ergebenden Möglichkeiten 

früher oder später zunutze macht, indem sie retrospektiv versucht, die Blockchain auszulesen und die hinter den Transaktionen stehenden Personen zu identifizieren.

Auch dies dürfte für die Beurteilung des Streitjahres keine Rolle spielen.

Das FG gestand aber auch dessen ungeachtet den Finanzbehörden bereits im Streitjahr 2017 ausreichende verfahrensrechtliche Instrumente zur Vollziehung der Besteuerung zu (bspw. Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung, Betriebsprüfung). Gleichzeitig gab das FG aber auch zu, dass die bisherigen Besteuerungslücken auf faktischen Schwierigkeiten einer steuerlichen Kontrolle von Kryptowertgeschäften beruhten.

Grundprinzip des Steuerrechts: Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit

Ebenfalls verworfen hat das FG das Argument, dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit könne nur dann korrekt Rechnung getragen werden, wenn die Besteuerung erst eintrete, wenn die Kryptowerte in eine Fiat-Währung getauscht würden. Der Steuerpflichtige hatte hierzu angeführt, ein Tausch von Kryptowert zu Kryptowert erfolge rein virtuell und es würden dadurch keine Gewinne realisiert. Österreich nimmt solche Tauschgeschäfte seit dem 1. März 2022 ausdrücklich von der Besteuerung aus:

Der Tausch einer Kryptowährung gegen eine andere Kryptowährung stellt keine Realisierung dar. (§ 27b Abs. 3 Nr. 2 S. 2 österreichisches Einkommensteuergesetz)

Entsprechend seiner Auffassung zur Zurechnung nimmt das FG insoweit an, dass der Steuerpflichtige über die Kryptowerte verfügen konnte und aus seinen Verfügungen auch die von ihm erzielten beträchtlichen Gewinne realisiert hat. Wieso es an einer Steigerung der Leistungsfähigkeit mangeln soll, war für das FG nicht erkennbar.

Verfassungsrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz bleibt gewahrt

Ebenfalls konstatierte das FG, dass die Tatsache, dass die Finanzverwaltung sich bislang nicht eindeutig zur Besteuerung von Kryptowerten positioniert habe und infolgedessen sehr großzügig nahezu allen durch die Steuerpflichtigen erklärten Einkünften gefolgt war, den verfassungsrechtlich verankerten Bestimmtheitsgrundsatz von Besteuerungsnormen nicht verletze. Denn es bestünden keine Unklarheiten, was Gegenstand eines Wirtschaftsguts sei.

Taktische Abwägung bei der Steuererklärung und Umgang mit dem Steuerbescheid

Das FG stellte abschließend fest, dass der Steuerpflichtige sich an seinen erklärten Berechnungen und Aufzeichnungen festhalten lassen müsse, da ihm die Anschaffungs- und Veräußerungspreise bekannt waren bzw. gewesen sein müssten. Für die Erklärungspraxis folgt hieraus, dass Steuerpflichtige besonders sorgfältig (bspw. durch den Einsatz spezieller Software wie Cointracking) ihre Transaktionsdaten zusammenstellen sollten.

Erwartungsgemäß hat das FG in dem gegenständlichen Verfahren wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Fragen die Revision zugelassen. Der Steuerpflichtige hat die Revision auch bereits eingelegt. Nachdem der Kläger im Verfahren vor dem FG Baden-Württemberg die Revision wieder zurückgenommen hatte, stehen die Chancen (dem Vernehmen nach) in dieser Sache gut, dass sich der Bundesfinanzhof zu den Grundlagenfragen bei der Besteuerung von Kryptowerten äußern wird.

Steuerpflichtige sollten bis zum rechtskräftigen Ausgang dieses Verfahrens eigene Steuerverfahren offenhalten. Ob darüber hinaus auch die Aussetzung der Vollziehung und ein Ruhen des Verfahrens zur Verhinderung von Steuerzahlungen sinnvoll ist, sollte wegen der Aussetzungszinsen i.H.v. 6 % p.a., die nicht reduziert werden sollen, genau abgewogen werden.

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