28. Juni 2024
Verlustverrechnungsbeschränkung
Steuerrecht

Verlustverrechnungsbeschränkung: Verfassungsmäßigkeit bei Termingeschäften zweifelhaft

Wenn Sie in Termingeschäfte investieren, können Sie hohe Gewinne, aber auch hohe Verluste erzielen. Doch wie werden diese Verluste steuerlich behandelt?

Zunächst hatte nur das Finanzgericht Rheinland-Pfalz erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte (Futures, Forwards, Options, Swaps) geäußert. Der Bundesfinanzhof hat die Zweifel mit seiner Entscheidung vom 7. Juni 2024 (Az. VIII B 113/23 (AdV)) bestätigt. Verlustverrechnungsbeschränkung in Höhe von EUR 20.000 führt zu einer ungleichen Behandlung von Gewinnen und Verlusten aus Termingeschäften. 

Termingeschäfte sind Finanzgeschäfte, bei denen der Zeitpunkt der Erfüllung in der Zukunft liegt

Unter Termingeschäfte fallen Spekulationen auf die Kursentwicklung von Aktien, Währungen, Rohstoffen oder anderen Basiswerten. Ein Beispiel für ein Termingeschäft ist ein sogenannter Differenzkontrakt (CFD), bei dem Sie nur einen Bruchteil des Basiswerts als Sicherheit hinterlegen müssen, aber den vollen Gewinn oder Verlust aus der Kursdifferenz realisieren, oder auch z.B. Optionen, Futures, auch in Form von Kryptowerten. Die Gewinne und Verluste aus Termingeschäften gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen und unterliegen bei einkommensteuerpflichtigen Personen grundsätzlich der Abgeltungsteuer in Höhe von 25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer). 

Was ist die Verlustverrechnungsbeschränkung?

Seit dem Veranlagungszeitraum 2021 gilt jedoch eine Beschränkung für die Verrechnung von Verlusten aus Termingeschäften nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG, sodass Verluste aus Termingeschäften nur bis zu einem Betrag von EUR 20.000 pro Jahr mit Gewinnen aus Termingeschäften oder Einnahmen aus Stillhalterprämien verrechnet werden können. Nicht verrechnete Verluste können in spätere Veranlagungszeiträume vorgetragen werden, unterliegen aber der gleichen Verrechnungsbeschränkung. 

Verlustverrechnungsbeschränkung verfassungswidrig

Der Gesetzgeber begründet diese Ungleichbehandlung von Gewinnen und Verlusten aus Termingeschäften mit dem spekulativen Charakter dieser Geschäfte, der zu einer Begrenzung der Anlagevolumina und der damit verbundenen Risiken für die Anleger* führen soll.  

Initial hatte das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in einem Beschluss vom 5. Dezember 2023 (Az. 1 V 1674/23) die Vollziehung eines Einkommensteuerbescheids ausgesetzt, der die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte anwendet. Allerdings hatte das Finanzamt Beschwerde gegen die Entscheidung zum Bundesfinanzhof eingelegt, welcher die Beschwerde als unbegründet zurückwies. 

Die Antragsteller, ein Ehepaar, hatten im Jahr 2021 hohe Gewinne und Verluste aus CFD-Investitionen erzielt, die das Finanzamt anstatt vollständig, nur in Höhe von EUR 20.000 verrechnet hatte. Die Steuerfestsetzung führte zu einer effektiven Steuer von über 100 % der tatsächlich erzielten Gewinne. Das Finanzgericht und der Bundesfinanzhof haben ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung geäußert, die zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes und des Leistungsfähigkeitsprinzips führt. 

Update – Bei summarischer Prüfung verstößt die Norm gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)

Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers entbindet ihn nicht von der Verpflichtung, die Besteuerung innerhalb der Schedule der Kapitaleinkünfte folgerichtig, das heißt gleichheitsgerecht auszugestalten. Diese Verpflichtung beinhaltet auch, positive und negative Kapitalerträge innerhalb der Schedule folgerichtig zu besteuern. 

Die Ungleichbehandlung negativer Kapitalerträge aus Termingeschäften wird dadurch verschärft, dass die Vorschrift entgegen den Vorgaben des objektiven Nettoprinzips zu einer asymmetrischen Besteuerung von Gewinnen und Verlusten aus Termingeschäften auch innerhalb des Verlustverrechnungskreis führt. Diese Asymmetrie bewirkt, dass in einem Verlustentstehungsjahr wirtschaftlich nicht erzielte Gewinne aus Termingeschäften besteuert werden können, sofern die Differenz von Gewinnen und Verlusten aus Termingeschäften den Betrag in Höhe von EUR 20.000 im Verlustentstehungsjahr übersteigt. 

Anlegerschutz ist nicht Aufgabe des Steuergesetzgebers

Das Finanzgericht und der Bundesfinanzhof schließen sich damit der herrschenden Literaturmeinung an, welche die sofortige Besteuerung von Gewinnen und die verzögerte Anerkennung von Verlusten aus Termingeschäften kritisiert. Die Gerichte findet keinen sachlichen Grund für den Eingriff in die Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit, die durch die Verlustverrechnungsbeschränkung beeinträchtigt wird. 

Das Finanzgericht wies darauf hin, dass dies zu einem unverhältnismäßigen und widersinnigen Ergebnis führe, da die Steuerpflichtigen im Extremfall eine Steuer auf einen negativen Gesamtertrag aus Termingeschäften zahlen müssten. Es lehnte auch die Begründung des Gesetzgebers ab, der die Regelung mit dem Schutz der Anleger vor spekulativen und risikoreichen Finanzgeschäften rechtfertigen wollte. Es stehe dem Gesetzgeber nicht frei, durch entsprechende Regelungen spekulative Finanzgeschäfte einzudämmen, wenn dies zu einer Verletzung des objektiven Nettoprinzips führe, das besagt, dass Gewinne und Verluste steuerlich gleichbehandelt werden müssen.

Parallelen zu Aktienverlusten

Schließlich kann nicht im Wege einer typisierenden Betrachtung von einem vollständigen Ausgleich von Verlusten aus Termingeschäften in der Totalperiode ausgegangen werden. Auch wenn die doppelte Begrenzung des Verlustausgleichs und der Verlustverrechnung zu einer zeitlichen Streckung der Verrechnung von Verlusten aus Termingeschäften führt, die verfassungsrechtlich nur dann nicht zu beanstanden ist, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Verlustausgleich in der Totalperiode seines Lebens gänzlich ausgeschlossen ist

Das Gericht verweist zudem auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 12. Januar 2021 (Az. VIII R 11/18), welche die Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungen nach § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG in Frage stellt. Diese Regelung ist ähnlich wie die für Termingeschäfte, nur dass die Verlustverrechnung auf Gewinne aus Aktienveräußerungen beschränkt ist. Der Bundesfinanzhof hat diese Regelung dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt (Az. 2 BvL 3/21). Es bestehen nach Ansicht der Gerichte gewisse Parallelen, sodass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch Auswirkungen auf die Regelung für Termingeschäfte haben könnte.

Auswirkungen für betroffene Anleger

Der Beschluss des Bundesfinanzhofs ist für betroffene Anleger von großer Bedeutung, da er ihnen die Möglichkeit eröffnet, gegen die Besteuerung ihrer Termingeschäfte vorzugehen und ggf. eine Aussetzung der Vollziehung zu beantragen, sodass es zunächst nicht zu einer Steuerzahlung kommt. 

Anleger sollten sich auf ein langwieriges Verfahren einstellen, da die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkungen mehrere Jahre dauern wird. CMS unterstützt Mandanten bei der Prüfung, welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, sowie der Durchsetzung, sei es in einem eigenen Klageverfahren oder zur Wahrung der verfahrensrechtlichen Position, um von einer positiven Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu profitieren.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Anlegerschutz Steuerrecht Verlustverrechnungsbeschränkung