17. Februar 2023
Wegzugsbesteuerung Wertpapierleihe
Steuerrecht

Wertpapierleihe als Gestaltungsmittel zur Vermeidung der Wegzugsbesteuerung

Ob eine Wertpapierleihe unerwünschte steuerliche Folgen iZm einem Wegzug ins Ausland verhindern kann, ist weiterhin unklar.

Der Bundesfinanzhof (Az. I R 52/19) hat sich jüngst mit der Frage beschäftigen müssen, ob eine Wertpapierleihe eine Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG verhindern kann. Eine Antwort hierauf musste er aber mangels Entscheidungserheblichkeit nicht geben; er ließ die Frage ausdrücklich offen. 

Das Finanzgericht Schleswig-Holstein als Vorinstanz positionierte sich hingegen klar: Sie erteilte dem Gestaltungsmodell eine deutliche Absage.

Wegzug führt zu fiktiver Besteuerung

Die Wegzugsbesteuerung sieht vor, dass insbesondere im Falle der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht von Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft (AG, GmbH, SE etc.) in Deutschland sämtliche in den Kapitalgesellschaftsbeteiligungen „gespeicherte“ stille Reserven im Wege einer Ersatzrealisation/Veräußerungsfiktion aufgedeckt und einer Besteuerung zugeführt werden.

Sinn und Zweck der Wegzugsbesteuerung ist die Sicherstellung des Besteuerungsrechts Deutschlands an den bis zum Wegzugszeitpunkt entstanden stillen Reserven. 

Gestaltungsidee Wertpapierleihe

Mit der Gestaltungsidee einer Wertpapierleihe wollte der Kläger und Steuerpflichtige die Rechtsfolgen der Wegzugsbesteuerung verhindern.

Der Kläger wollte aus beruflichen Gründen Ende 2006 gemeinsam mit seiner Frau in die Schweiz verziehen. Laut Einwohnermeldeamt vollzog der Kläger diesen Schritt am 22. Dezember 2006, seine Frau am 29. Dezember 2006. Der Kläger war Inhaber einer wesentlichen Kapitalgesellschaftsbeteiligung an einer Aktiengesellschaft im Sinne des § 17 EStG. Am 28. Dezember 2006 schloss der Kläger (Darlehensgeber) mit seinem Bruder (Darlehensnehmer) einen Wertpapierdarlehensvertrag, der bis zum 31. Dezember 2011 laufen sollte und sich um jeweils 6 Monate verlängerte, wenn er nicht unter Einhaltung der Frist von einem Monat schriftlich gekündigt werden würde. Als Valutatermin der darlehensweisen Übertragung der Kapitalgesellschaftsbeteiligung wurde der 31. Dezember 2006 vereinbart. Ab Fälligkeit stand dem Kläger und Darlehensgeber ein vertraglicher Anspruch auf unverzügliche Rückerstattung der vom Darlehensgeber übertragenen Anzahl von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen (Aktien) gleicher Art und Güte (Rückgabeverpflichtung) zu. 

Idee bzw. Vorstellung hinter dieser Konstruktion war, dass der Vorgang der Wertpapierleihe keinen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn auslöst und zudem dazu führt, dass die Anteile für Zwecke der Wegzugsbesteuerung beim Wegziehenden nicht mehr relevant sind. Die Anteile würden gleichsam beim Entleiher steuervermeidend geparkt. 

Wertpapierleihe führt nicht zu Veräußerung

Das Finanzgericht Schleswig-Holstein und der Bundesfinanzhof gehen übereinstimmend davon aus, dass durch den Abschluss und den Vollzug eines Wertpapierdarlehenvertrages keine Veräußerung im Sinne des § 17 EStG ausgelöst wird, obwohl sowohl das zivilrechtliche als auch das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen auf den Darlehensnehmer übergingen. Aufgrund der Rückgabeverpflichtung fehle es an einem notwendigen Realisationsakt. Insoweit teilten die Finanzgerichte die Gestaltungsidee.

Inwieweit durch den Abschluss eines Wertpapierdarlehensvertrages das Auslösen der Wegzugsbesteuerung gemäß § 6 AStG aber tatsächlich verhindert werden kann, ließ der Bundesfinanzhof ausdrücklich offen, da nicht entscheidungserheblich. Der Valutatermin der darlehensweisen Übertragung der Kapitalgesellschaftsbeteiligung war im Fall der 31. Dezember 2006 und folgte damit zeitlich der Verlegung des Wohnsitzes des Klägers in die Schweiz nach. In diesem Fall lag daher unfraglich ein steuerlich relevanter Wegzugsfall vor, denn die Kapitalgesellschaftsbeteiligung war noch nicht zum Darlehensnehmer wegübertragen. Der Wegzug des Klägers in die Schweiz war daher hier schlicht zu früh.

Anwartschaftsrecht als wegzugsrelevante Position?

Die Vorinstanz stützte sich jedoch nicht auf dieses Sachverhaltselement, sondern bejahte eine Wegzugsbesteuerung, weil der Rückgewähranspruch des Klägers aus dem Darlehensvertrag als „Anwartschaft“ im Sinne von § 17 Abs. 1 S. 3 EStG anzusehen sei und diese Anwartschaft beim Wegzug des Klägers als fiktiv veräußert gelten würde. Mangels Entscheidungserheblichkeit hat sich der Bundesfinanzhof hierzu in seinem Urteil nicht geäußert. Eine höchstrichterliche Klärung der Gestaltungsidee ist insoweit nicht abschließend erfolgt. 

Alternative Strukturen prüfen

Im Ergebnis zeigt sich, dass die eher exotische Wertpapierleihe aktuell keine wirklich sichere Vermeidungsstrategie im Hinblick auf die Wegzugsbesteuerung ist. Betroffene sollten demnach eher die Möglichkeiten von etablierteren Modellen nutzen und sich in jedem Fall vor Wegzug im Detail mit der Thematik beschäftigen, um nicht unnötig oder unerwartet Steuerlasten zu generieren. 

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