7. November 2018
Strafzumessung, Untreue
Steuerrecht

Wichtiges BGH-Urteil zur Strafzumessung bei Untreuetaten

BGH: Die für den Bereich der Steuerhinterziehung entwickelten schematischen Strafzumessungsgrundsätze sind nicht auf den Tatbestand der Untreue übertragbar

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist bei einer Million Euro übersteigenden Steuerhinterziehungsbeträgen in der Regel keine Bewährungsstrafe, sondern eine zu vollziehende Freiheitsstrafe zu verhängen. Der BGH hat nunmehr entschieden, dass diese für die Steuerhinterziehung entwickelten Strafzumessungserwägungen nicht auf den Tatbestand der Untreue übertragen werden können (BGH, Urteil vom 14. März 2018 – 2 StR 416/16).

Vergabe eines ungesicherten Kredits: Verurteilung wegen Untreue im besonders schwerem Fall

Das Landgericht Köln hatte vier angeklagte Bank-Manager im Juli 2015 nach einer knapp 2-jährigen Hauptverhandlung wegen Untreue in einem besonders schweren Fall verurteilt. Einer der Angeklagten wurde zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt, die übrigen drei Angeklagten erhielten Bewährungsstrafen. Laut dem Urteil des Landgerichts haben die Angeklagten in pflichtwidriger Weise einen ungesicherten Kredit in Höhe von 20 Millionen Euro an einen wirtschaftlich bereits angeschlagenen Kaufhauskonzern vergeben. Weiter sei die Bank durch ein wirtschaftlich nachteilhaftes Immobiliengeschäft geschädigt worden.

Das Gericht blieb mit dem Urteil deutlich hinter den Forderungen der Staatsanwaltschaft zurück. Die Staatsanwaltschaft hat im Rahmen der zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revision vorwiegend argumentiert, die Strafen seien vor dem Hintergrund der verursachten Schäden im zweistelligen Millionenbereich deutlich zu niedrig (Strafmaßrevision). Die Rechtsprechung zur Steuerhinterziehung im Millionenbereich sei auch auf Fälle der Untreue zu übertragen. Diese Revision der Staatsanwaltschaft hat der BGH verworfen. Nunmehr liegen auch die Urteilsgründe vor.

Hohe Voraussetzungen für die Aufhebung eines Urteils wegen Strafzumessungserwägungen

Die Voraussetzungen für die Aufhebung eines erstinstanzlichen Urteils wegen fehlerhafter Strafzumessungserwägungen sind in der Praxis recht hoch. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist die Strafzumessung originäre Aufgabe des Tatgerichts. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn ein Rechtsfehler in der Gestalt vorliegt, dass die Strafzumessungserwägungen des Tatgerichts in sich fehlerhaft sind oder wenn sich die Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, soweit nach oben oder unten löst, dass ein grobes Missverhältnis von Schuld und Strafe offenkundig ist. Im Zweifel hat der BGH die Wertung des Tatgerichts hinzunehmen.

Organisationsmängel im Unternehmen können strafmildernd für den Täter wirken

So lag der Fall auch hier. Nach der Entscheidung des BGH begegnen die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts keinen durchgreifenden Bedenken. Das Landgericht habe rechtsfehlerfrei zu Gunsten der Angeklagten berücksichtigt, dass diese die Taten innerhalb eines Klimas im Bankhaus begangen hätten, das von nachlässiger Kontrolle geprägt gewesen sei. Organisationsmängel in einem Unternehmen können laut der Entscheidung des BGH strafmildernd wirken, wenn dadurch ein Täter in die Lage versetzt wird, sein Vorhaben ohne die an sich vorgesehene und gebotene Kontrolle umzusetzen.

Weiter stellt der BGH ausdrücklich klar, dass – entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft – die vom BGH für Fälle der Steuerhinterziehung entwickelten Strafzumessungsgrundsätze auf Untreuesachverhalte nicht in gleicher Weise angewendet werden können. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des 1. Strafsenats des BGH ist bei einem Steuerhinterziehungsbetrag von mehr als 1 Million Euro in der Regel keine Bewährungsstrafe, sondern eine zu vollziehende Freiheitsstrafe zu verhängen.

Strukturelle Unterschiede zwischen den Delikten der Steuerhinterziehung und der Untreue

Diese für die Steuerhinterziehung entwickelten Strafzumessungserwägungen können laut dem BGH-Urteil nicht auf Untreuetaten übertragen werden, da sich das Vermögensdelikt der Untreue in grundlegender Weise von Verstößen gegen die Abgabenordnung unterscheide.

So sei der Hinterziehungsbetrag bei der Steuerhinterziehung in seiner Größenordnung regelmäßig absehbar. Dagegen könne der Untreuetatbestand mit seinen abstrakt-generellen Tatbestandsmerkmalen auf ganz unterschiedliche Lebenssachverhalte im Wirtschaftsleben Anwendung finden. § 266 StGB erfasse zum Beispiel auch – wie im zugrunde liegenden Fall – Risikogeschäfte mit nicht ohne Weiteres der Höhe nach vorhersehbaren Schäden.

Ablehnung der staatsanwaltschaftlichen Praxis

Dem Urteil kommt im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts eine wichtige Bedeutung zu. Häufig stellen sich Staatsanwaltschaften in der Praxis auf den Standpunkt, die vom BGH für die Steuerhinterziehung entwickelten schematischen Strafzumessungsgrundsätze seien auch auf Vermögensdelikte, wie z.B. Untreue- oder Betrugstaten, entsprechend anzuwenden. Dieser Argumentation ist aufgrund der BGH-Entscheidung nunmehr der Boden entzogen, was sehr zu begrüßen ist.

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