27. Februar 2017
Puppe Cayla Sendeanlage
TMC – Technology, Media & Communications

Ausgespielt – das jähe Ende der Puppe „My Friend Cayla″

Die Bundesnetzagentur verbietet die Kinderpuppe „My Friend Cayla“ – obwohl die Puppe keine verbotene Sendeanlage nach § 90 TKG darstellen dürfte.

Abhören unter Kindern, das geht gar nicht! So die Auffassung der Bundesnetzagentur, die in ihrer jüngsten Entscheidung die Kinderpuppe „My Friend Cayla″ verboten und Eltern nahegelegt hat, die Puppe zu vernichten. „Es geht um den Schutz der Schwächsten in der Gesellschaft“ lässt sich Jochen Homann, der Präsident der Bundesnetzagentur in der betreffenden Pressemitteilung zitieren.

Das Verbot solle verhindern, dass aufgezeichnete Gespräche des Kindes und anderer Personen an den Hersteller weitergeleitet, von diesem ausgewertet und zu individueller Werbeansprache zweckentfremdet werden. Darüber hinaus solle der Gefahr, dass das Spielzeug genutzt wird, um Gespräche unbemerkt abzuhören, begegnet werden.

Zweifelhaft: Die Puppe „My Friend Cayla″ als verbotene Sendeanlage

Auf den ersten Blick erscheint das Vorgehen der Bundesnetzagentur nachvollziehbar: Niemand möchte unbemerkt ausspioniert werden, geschweige denn die eigenen Kinder potentieller Spionage aussetzen. Aus juristischer Perspektive sind jedoch durchaus Bedenken an der Vorgehensweise der Bundesnetzagentur angezeigt.

Mitauslöser des Verbots war ein Rechtsgutachten eines studentischen Mitarbeiters der Universität des Saarlandes, das zu dem Ergebnis kommt, dass die Puppe „My Friend Cayla″ eine verbotene Sendeanlage nach § 90 TKG darstellt. Betrachtet man die Voraussetzungen und die Gesetzesbegründung genauer, ist dieses Ergebnis zweifelhaft.

§90 Abs. 1 Satz 1 TKG verbietet es,

Sendeanlagen oder sonstige Telekommunikationsanlagen zu besitzen, herzustellen, zu vertreiben, einzuführen oder sonst in den Geltungsbereich dieses Gesetzes zu verbringen, die ihrer Form nach einen anderen Gegenstand vortäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauchs verkleidet sind und auf Grund dieser Umstände oder auf Grund ihrer Funktionsweise in besonderer Weise geeignet und dazu bestimmt sind, das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen von diesem unbemerkt abzuhören.

Voraussetzung für das Verbot von „Cayla″ ist damit das Vorliegen einer getarnten Sendeanlage, die aufgrund ihrer Tarnung und Funktionsweise in besonderer Weise geeignet und dazu bestimmt ist, das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen von diesem unbemerkt abzuhören.

Zuzustimmen ist dem Autor des Gutachtens insoweit, als es sich bei der Puppe „Cayla″ um eine Sendeanlage i.S.d. § 90 Abs. 1 Satz 1 TKG handelt, da diese über den Bluetooth-Funkstandard mit einem Telefon bzw. Tablet verbunden werden kann.

Tatbestandsmerkmal der „Tarnung“ nicht zwangsläufig erfüllt

Nicht ganz so eindeutig ist die Rechtslage in Bezug auf die zweite Voraussetzung, das Tatbestandsmerkmal der Tarnung: Um diese zu bejahen, müsste die Sendeanlage einen anderen Gegenstand vortäuschen oder mit Gegenständen des täglichen Gebrauchs verkleidet sein.

Dass sich das Mikrofon in der Puppe befindet und die Lautsprecher, Batterien und der Schalter zum Einschalten durch Kleidung verdeckt sind, begründet für sich genommen noch keine Tarnung der Funktion, sondern lässt sich schlicht damit begründen, dass Funktionalitäten in Kinderpuppen seit jeher möglichst unauffällig verbaut werden, um das Spielerlebnis von Kindern nicht zu beeinträchtigen.

Hinzu kommt, dass die Puppe über eine Funktionalität verfügt, die dazu führt, dass bei Zugriff auf das Mikrofon die Halskette zu leuchten beginnt. Dies stellt zumindest ein Indiz (auch für einen mit den Funktionalitäten der Puppe nicht vertrauten objektiven Dritten) dafür dar, dass die Puppe – über ihr bloßes „Puppendasein″ hinaus – über weitergehende Funktionalitäten verfügt. Insofern lässt sich bereits das Tatbestandsmerkmal der Tarnung nicht zweifelsfrei bejahen.

Des Weiteren muss die Puppe aufgrund ihrer Tarnung und Funktionsweise objektiv dazu geeignet sein, das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen von diesem unbemerkt abzuhören. Auch in diesem Punkt ist dem Autor des Gutachtens zuzustimmen, da mit der Puppe das nicht öffentlich gesprochene Wort über Bluetooth (wenn auch in einem geringen Radius von maximal ca. zehn Metern) abgehört werden kann.

Puppe Cayla nicht zum Abhören bestimmt

Scheitern muss ein Verbot von „Cayla″ jedoch jedenfalls an dem Tatbestandsmerkmal der Bestimmtheit. Diese im Zuge der TKG-Novelle 2012 zusätzlich in die Vorschrift aufgenommene Voraussetzung soll eine Ausuferung des Tatbestandes verhindern: Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen nur solche Anlagen erfasst werden,

die von vornherein keinem anerkennenswerten Zweck, sondern offensichtlich nur dem heimlichen Abhören von Gesprächen […] dienen. Anlagen, die zwar aufgrund ihrer Funktionsweise auch für das unbemerkte Abhören […] geeignet sind, jedoch nicht hierzu bestimmt sind […] sollen dem Verbotstatbestand nicht unterfallen.

(Hervorhebung nur hier)

Dass dies vorliegend der Fall ist, liegt auf der Hand. „Cayla″ dient keinesfalls ausschließlich dem heimlichen Abhören von Gesprächen. Die Funktionalität der Sprachaufzeichnung stellt vielmehr eine notwendige Voraussetzung für die Interaktivität der Puppe dar, auf deren Grundlage Kinder mit der Puppe kommunizieren können.

Gleiches muss für sämtliche interaktive (Haushalts-)Gegenstände gelten, die vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung von Spracherkennung und künstlicher Intelligenz mit einer Sprachsteuerung ausgestattet sind oder werden.

Bei diesen Geräten werden – wie bei „Cayla″ – Sprachaufzeichnungen in Echtzeit an leistungsfähige Server übersandt, die im Gegensatz zu den Geräten selbst über hinreichend Rechenleistung für die Spracherkennung verfügen.

Potentiellen Missbrauchsmöglichkeiten im Rahmen der Übersendung, Speicherung und Auswertung dieser Daten sollte vielmehr mit dem Instrumentarium des Datenschutzrechts entgegengetreten werden. Ein Verbot dieser Art von innovativen und offensichtlich nicht zu Spionagezwecken entworfenen Produkten, mit der weitreichenden Folge der Kriminalisierung der Hersteller, Vertreiber und letztlich auch der Besitzer (Eltern und Kinder) derartiger Geräte, ist augenscheinlich der falsche Weg.

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