30. Oktober 2023
Digitale-Dienste-Gesetz BMDV-Entwurf
TMC – Technology, Media & Communications

Digitale-Dienste-Gesetz: BMDV-Entwurf in der Kritik 

Länder und Verbände fordern klare Regeln für behördliche Zuständigkeiten. Die Europäische Kommission ruft aufgrund der aktuellen Weltlage zur schnellen Umsetzung auf.

Ab dem 17. Februar 2024 gilt der DSA in allen Teilen verbindlich in der EU. Anbieter von digitalen Diensten müssen ab diesem Datum umfassende Sorgfaltspflichten einhalten und die Rechte von Nutzer*innen werden gestärkt. Neben unmittelbar anwendbaren Vorschriften enthält der DSA konkrete, an die Mitgliedstaaten gerichtete Regelungsaufträge, z.B. zu Sanktionen und zur Durchsetzung des DSA. 

Der deutsche Gesetzgeber wird diesem Regelungsauftrag mit dem Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) nachkommen. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) veröffentlichte Anfang August einen Referentenentwurf für das Gesetz (DDG-E). Verbände und Bundesländer kritisieren an dem Entwurf insbesondere, dass die behördlichen Zuständigkeiten für die Durchsetzung des DSA zu kompliziert seien. 

TMG und NetzDG treten außer Kraft; DSA-Verstöße ordnungswidrig 

Durch das DDG soll der nationale Rechtsrahmen auf die Vorgaben des DSA ausgerichtet und angepasst werden. Bestehende nationale Regelungen zu digitalen Diensten werden aufgrund der vom europäischen Gesetzgeber intendieretn Vollharmonisierung abgelöst. 

Der DDG-E sieht entsprechend vor, dass sowohl das deutsche Telemediengesetz (TMG) als auch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) außer Kraft treten (Art. 37). Die Regelungen des TMG werden weitestgehend im DDG aufgehen, z.B. die „Impressumspflicht“ (bisher § 5 TMG). Zudem soll u.a. der Begriff „Telemedien“ durch „digitale Dienste“ ersetzt werden. Das ebenfalls der Bekämpfung von rechtswidrigen Online-Inhalten dienende und seit 2018 geltende NetzDG („lex facebook“) hat neben dem DSA keinen relevanten Anwendungsbereich mehr. 

Die sehr hohen DSA-Bußgelder werden wie erwartet durch neue Tatbestände im OWiG ins deutsche Recht implementiert. Demnach sind DSA-Verstöße ordnungswidrig und mit bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes im letzten Geschäftsjahr zu ahnden.

„Koordinierungsstelle für digitale Dienste“ in der BNetzA

Zuständige Behörde für die Beaufsichtigung der Anbieter von digitalen Diensten soll die Bundesnetzagentur (BNetzA) mit Sitz in Bonn werden (§ 12 Abs. 1 DDG-E). In der BNetzA soll zudem die vom DSA vorgesehene „Koordinierungsstelle für digitale Dienste“ eingerichtet werden (§ 14 Abs. 1). Die Koordinierungsstelle muss sowohl sachlich als auch personell hinreichend ausgestattet werden und „völlig unabhängig“ handeln (§§ 14 Abs. 2, 15). Sie ernennt u.a. „vertrauenswürdige Hinweisgeber“ („Trusted Flagger“) und erstellt Leitlinien und Empfehlungen zur Anwendung des DSA. Zudem koordiniert sie die nationale sowie grenzüberschreitende Zusammenarbeit und agiert als Ansprechpartnerin für die Europäische Kommission. 

Zusätzlich sieht der DDG-E folgende behördliche Zuständigkeiten vor:

  • Die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz wird für die Durchsetzung von Kinderrechten in digitalen Diensten zuständig sein. Dies betrifft Art. 14 Abs. 3 (AGB für minderjährige Nutzer) und Art. 28 Abs. 1 DSA (hohes Maß an Privatsphäre, Sicherheit und Schutz von Minderjährigen). 
  • Die Vorgaben zur Online-Werbung aus Art. 26 Abs. 3, 28 Abs. 2 DSA sollen vom Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) überwacht und sanktioniert werden. Demnach ist es Anbietern verboten, Werbung auf Grundlage von Profiling Minderjähriger und unter Verwendung sensibler Daten (Art. 9 DSGVO) auszuspielen.
  • Das Bundeskriminalamt (BKA) nimmt als Zentralstelle Informationen nach Art. 18 Abs. 1 DSA entgegen. Demnach müssen Hostinganbieter unverzüglich Informationen weiterleiten, die den Verdacht einer schweren Straftat begründen.

Verbände und Bundesländer kritisieren behördliche Zuständigkeiten

Bis zum 25. August dieses Jahres konnten Länder und Verbände zum DDG-E Stellung nehmen. Dabei fragte das BMDV u.a. nach einer Beteiligung des Bundesamts für Justiz (BfJ), das aktuell noch für die Durchsetzung des NetzDG zuständig ist. 

Grundsätzlich wird die Wahl der Bundesnetzagentur als Koordinierungsstelle begrüßt. Der Verband der Internetwirtschaft e.V. warnt jedoch z.B. vor „überschießender Komplexität der Zuständigkeiten“. So wird u.a. befürchtet, dass es in Bezug auf den Jugendmedienschutz zu einer Doppel- bzw. Mehrfachregulierung zwischen der BNetzA, der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz und den Landesmedienanstalten kommen könnte. 

Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) befürchtet durch die Aufteilung der Zuständigkeiten eine künstliche Zersplitterung der Plattformaufsicht und fordert, dass zusätzliche Zuständigkeiten beim BfJ unterlassen werden. Ebenso lehnt die Gesellschaft für Freiheitsrechte in ihrer Stellungnahme eine mögliche Aufsplitterung der Zuständigkeiten zwischen dem BfJ und der BNetzA ab. Die Organisation HateAid spricht sich hingegen für eine Beteiligung des BfJ aus. Dies wird mit dem Wissen und den Erfahrungen begründet, die das BfJ im Rahmen der NetzDG-Aufsicht gesammelt hat. Dieser Auffassung waren auch das sächsische Staatsministerium der Justiz und das niedersächsische Justizministerium.

Das Land NRW übt ebenfalls Kritik an den Zuständigkeiten: 

Wegen der Zuständigkeit der Länder für Rundfunk und Telemedien sollten die Landesmedienanstalten als weitere zuständige Behörde für Aufsicht und Durchsetzung des „Gesetzes über digitale Dienste“ (Verordnung (EU) 2022/2025) benannt werden können. Nur so kann sichergestellt werden, dass Maßnahmen im Bereich des Kinder- und Jugendmedienschutzes auch künftig ausreichend staatsfern und entsprechend der bisherigen kompetenzrechtlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) und den Landesmedienanstalten effizient und wirksam getroffen werden.

Kommission ruft Mitgliedstaaten zu schnellem Handeln auf

Inwiefern diese Kritik im weiteren Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt wird, bleibt abzuwarten. Medienberichten zufolge ist sich auch die Koalition bisher uneins über die behördlichen Zuständigkeiten. Zwar ist bis zum 17. Februar 2024 noch etwas Zeit. Aufgrund der aktuellen Weltlage (Ukraine, Israel / Palästina) empfiehlt die Europäische Kommission den EU-Mitgliedstaaten jedoch, die Vorgaben des DSA schnellstmöglich umzusetzen, d.h. schon vor dem 17. Februar 2024. 

Hintergrund ist, dass rechtswidrige Inhalte wie terroristische Propaganda und Hassrede wirksam eingedämmt werden sollen, bevor sie zu einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Sicherheit führen können. Die nationalen Koordinatoren sollen sich nach der Empfehlung der Kommission schon jetzt zu einem „informellen Netzwerk“ zusammenschließen und ihr Vorgehen untereinander abstimmen. Zudem sollen Informationen und Erfahrungen gesammelt und die Kommission bei der Überwachung und Durchsetzung des DSA gegenüber sehr großen Online-Plattformen unterstützt werden.

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