Bundesfinanzhof: Die Gesamtheit der Ansprüche des Inhabers einer Internet-Domain gegen die DENIC unterliegt nach § 321 Abs. 1 AO der Pfändung.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 20. Juni 2017 (Az.: VII R 27/15) eine Entscheidung bezüglich der Pfändbarkeit einer Internet-Domain getroffen. Dabei hat sich der erkennende Senat zunächst der Auffassung des BGH (Beschluss v. 05.Juli 2005 – VII ZB 5/05) und des FG Münster als Vorinstanz (Urteil v. 16. September 2015 – 7 K 781/14 AO) angeschlossen. Bei einer Internet-Domain handele es sich um kein absolutes pfändbares Recht.
Die schuldrechtlichen Ansprüche gegen die DENIC seien aber sehr wohl als Vermögensrecht anzusehen. Eine Zäsur stellt das Urteil deswegen dar, weil der BFH die von der DENIC seit jeher verleugnete und mit der Revision auch angegriffene Drittschuldnereigenschaft nunmehr ausdrücklich bestätigt hat. Da die Vorinstanz es in Anbetracht einer beträchtlichen Abgabenschuld des Vollstreckungsschuldners versäumt hatte, Feststellungen zum Wert der gepfändeten Ansprüche aus dem Domainvertrag zu treffen, wies der BFH die Sache mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz an das FG Münster zurück.
Finanzamt veranlasst Pfändungsverfügung gegenüber der DENIC
Das Finanzamt hatte wegen einer Abgabenschuld des Vollstreckungsschuldners eine Pfändungsverfügung gegenüber der DENIC als Drittschuldnerin erlassen. Gepfändet wurde der Anspruch des Vollstreckungsschuldners auf Aufrechterhaltung der Registrierung aus dem mit der DENIC geschlossenen Domainvertrag. Auch alle weiteren sich aus diesem Vertrag ergebene Nebenansprüche des Vollstreckungsschuldners wurden gepfändet.
Die Internet-Domain ist kein „anderer Vermögenswert″ im Sinne der AO
Nach § 321 Abs. 1 AO bzw. § 857 Abs. 1 ZPO können auch „andere Vermögenswerte“ Gegenstand einer Pfändung sein. Wie der BGH bereits im Jahr 2005 richtig entschied, handelt es sich bei einer Internet-Domain nicht um ein etwa mit einem Patent-, Marken- oder Urheberrecht vergleichbaren Recht, sondern lediglich um eine technische Adresse.
Die Inhaberschaft an einer Internet-Domain gründet allein auf der Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber der Domain gegenüber der Vergabestelle aus dem Domainvertrag zustehen. Dabei geht es insbesondere um einen Anspruch auf dauerhafte Aufrechterhaltung der Eintragung als Voraussetzung für die Konnektierung.
Die Verwertung dieser Ansprüche kann beispielsweise durch Überweisung an Zahlung statt zu einem Schätzwert erfolgen, was einer Art Abtretung gleichkommt. Danach nimmt der Vollstreckungsgläubiger die Inhaberschaft der Domain ein und die zu vollstreckende Forderung reduziert sich um den geschätzten Wert der Ansprüche. Denkbar ist auch eine öffentliche Versteigerung, eine freihändige Veräußerung sowie die entgeltliche Überlassung.
DENIC ist Drittschuldnerin
Kern der Entscheidung ist die Frage, ob die DENIC als Schuldnerin unter anderem der Aufrechterhaltung der Eintragung gegenüber dem die Domain innehabenden Vollstreckungsschuldner als Drittschuldnerin im Sinne der § 321 Abs. 1 AO bzw. § 857 Abs. 1 ZPO anzusehen ist. Dass die DENIC den hieraus resultierenden drohenden hohen Verwaltungsaufwand seit jeher mit allen Mitteln verhindern möchte, liegt auf der Hand.
Nach der nunmehr ergangenen Entscheidung des BFH genügt es für die Eigenschaft als Drittschuldner allerdings, dass dessen Rechtsstellung von der Pfändung betroffen ist oder dass seine Leistung zur Ausübung des gepfändeten Rechts erforderlich ist.
Ohne die Leistung der DENIC – insbesondere die Aufrechterhaltung und Pflege der Konnektierung – kann die Internet-Domain nicht betrieben werden. Das mit der Pfändungsverfügung einhergehende Arrestatorium, also das Verbot an den Vollstreckungsschuldner zu leisten, spricht nach seinem Sinn und Zweck auch dafür, die DENIC als Drittschuldnerin anzusehen.
Das Leistungsverbot ist dabei nicht dahingehend zu verstehen, dass die Aufrechterhaltung der Eintragung als Leistung untersagt sei, was eine der Ausübung des gepfändeten Rechts widersinnige Dekonnektierung zur Folge hätte – ganz zu schweigen von der damit verbundenen fehlenden Zugriffsmöglichkeit der Suchmaschinen, was wiederum den Wert der Internet-Domain mindern würde.
Das Arrestatorium ist vielmehr nach seinem Sinn und Zweck dahingehend auszulegen, dass Handlungen untersagt werden, die zu einer Rechtsbeeinträchtigung führen bzw. die Verwertung erschweren oder unmöglich machen. Demzufolge zielt das Arrestatorium auf Unterlassen der Beendigung der Konnektierung, Löschung, Übertragung der Domain auf einen Dritten, etc. ab.
Verbot der zwecklosen Pfändung als Ausdruck der Verhältnismäßigkeit
Gemäß § 281 Abs. 3 AO bzw. § 803 Abs. 2 ZPO hat die Pfändung zu unterbleiben, wenn sich von der Verwertung der zu pfändenden Gegenstände ein Überschuss über die Kosten der Vollstreckung nicht erwarten lässt. Eine Pfändung muss nicht nur rechtlich zulässig, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sein.
Der BFH betont, dass unter Beachtung des schutzwürdigen Interesses des Vollstreckungsschuldners hinreichender Anlass für die Annahme bestehen muss, dass die Pfändung zur zumindest teilweisen Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers führen muss. Dabei ist vor allem der Wert des gepfändeten „anderen Vermögensrechts“ im Verhältnis zur Vollstreckungsforderung zu betrachten.
Der BFH musste die Sache trotz der Bestätigung der Rechtsauffassung der Vorinstanz zur Pfändungsfähigkeit und Drittschuldnereigenschaft zurückverweisen, weil das Finanzgericht Feststellungen zum Wert des Pfändungsgegenstandes vermissen ließ.
Urteil des BFH als Dammbruch – Ansprüche des Inhabers einer Internet-Domain unterliegen der Pfändung
Da die DENIC ihre Drittschuldnereigenschaft in der Vergangenheit stets abgelehnt und entsprechende Pfändungsbeschlüsse ins Leere hat laufen lassen, wurde bereits das Urteil der Vorinstanz – zurecht – als „Dammbruch″ bezeichnet. Der BFH hat die Entscheidung nunmehr bestätigt. Es wird interessant sein, zu sehen, wie die DENIC die Entscheidung in der Praxis umsetzen wird.