9. Mai 2013
Buntes Rechengerät
Datenschutzrecht

§ 47 GWB + § 16 BStatG ≠ § 1 IFG – juristische Algebra schwer gemacht

Gleichungen mit mehreren Unbekannten können zu Alpträumen führen: Fast jeder erinnert sich mit einem gewissen Grauen an das „Rechnen mit Buchstaben″, dem trotz größter Anstrengungen einfach nicht beizukommen war. Die Monopolkommission hat für die Erstellung ihrer Hauptgutachten für die Begutachtung der Entwicklung der Unternehmenskonzentration gemäß § 47 GWB einen Anspruch auf Überlassung bestimmter statistischer Angaben vom Statistischen Bundesamt, um mit möglichst wenig Unbekannten rechnen zu müssen. Doch was passiert, wenn hinzugekaufte Daten privater Informationsdienste für die Berechnungen benutzt werden? Die Auswirkungen auf den Informationsanspruch nach § 1 Abs. 1 IFG hat nun das VG Wiesbaden geklärt (Urteil vom 7. März 2013, Az. 6 K 1423/11.WI).

Hintergrund des Rechtsstreits war eine für das VI. Hauptgutachten der Monopolkommission durch die Beklagte durchgeführte Vergleichsberechnung. Diese Vergleichsberechnung sollte den Nutzen einer Verknüpfung amtlicher Daten des Statistischen Bundesamtes mit zugekauften Daten privater Anbieter für die Hauptgutachten überprüfen. Für die Vergleichsberechnung wurden daher Daten des Büros van Dijk und des Verbands der Vereine Creditreform zugekauft. Auf Grundlage der Vergleichsberechnung wurde entschieden, zukünftig auf einen solchen Zukauf zu verzichten.

Der Kläger war an der Vergleichsberechnung sehr interessiert und verlangte Einsichtnahme. Aus Sicht der Beklagten handelte es sich bei der Vergleichsberechnung jedoch um eine rein behördeninterne Berechnung. Zudem sei nicht völlig auszuschließen, dass der Vergleichsberechnung statistische Einzelangaben zu entnehmen seien und somit bei einer Offenlegung der Vergleichsberechnung das Statistikgeheimnis gemäß § 16 Abs. 1 BStatG verletzt würde. Gem. § 3 Nr. 5 IFG lehnte die Beklagte daher die Einsichtnahme des Klägers ab.

Der Kläger wollte sich damit jedoch nicht zufriedengeben: Nachdem das Statistische Bundesamt einen Vergleich mit dem Kläger, in dem sich das Statistische Bundesamt verpflichtete, die Ergebnisse der Vergleichsrechnung dem Kläger nach Abgabe einer Geheimhaltungserklärung zu überlassen, widerrief, musste sich das VG Wiesbaden der Angelegenheit annehmen.

Nach Auffassung des VG Wiesbaden ist es fraglich, ob das Statistikgeheimnis gemäß § 16 BStatG auf Daten aus privaten Datenbanken wie z.B. die Datenbanken des Verbands der Vereine Creditreform und des Büros van Dijk überhaupt Anwendung findet. Denn § 16 BStatG sei allenfalls anwendbar, soweit es um Einzelangaben aus dem amtlichen Unternehmensregister des Statistischen Bundesamtes gehe. Würden diese amtlichen Daten allerdings mit Daten aus privaten Datenbanken zusammengefasst und in statistischen Ergebnissen dargestellt, würde die Geheimhaltungspflicht nach § 16 BStatG nicht greifen.

Zudem bewertete das VG Wiesbaden die für die Monopolkommission durchgeführte Vergleichsberechnung als Auftragsdatenverarbeitung gemäß § 11 BDSG. Nachdem die Beklagte vortrage, dass der Vergleichsberechnung personenbezogene Einzelangaben zu entnehmen sein könnten, hätte die Beklagte gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 10 BDSG die für die Vergleichsberechnung überlassenen Datenträger zurückgeben und die bei ihr gespeicherten Daten löschen müssen. Insoweit dürfte also die Beklagte über die Vergleichsberechnung gar nicht mehr verfügen.

Aus § 47 Abs. 3 GWB ergebe sich zudem eine Löschungspflicht für das Statistische Bundesamt selbst. Denn die Vergleichsberechnung wurde für die Monopolkommission durchgeführt und diene somit keinem eigenen Zweck des Statistischen Bundesamtes. Nach Auffassung des VG Wiesbaden sei daher der Besitz der streitgegenständlichen Vergleichsberechnung durch das Statistische Bundesamt ein Verstoß gegen § 47 Abs. 3 GWB und somit rechtwidrig. Eine Berufung auf das Statistikgeheimnis nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BStatG sei bei einer rechtswidrigen Datenhaltung nicht möglich.

Daneben sah das VG Wiesbaden auch hinsichtlich der aus den Quellen des Statistischen Bundesamtes ermittelten Daten einen Rechtsverstoß. Denn eine Übermittlung von Einzelangaben vom Statistischen Bundesamt an die Monopolkommission wäre ohnehin unzulässig gewesen: Gemäß § 47 Abs. 1 GWB dürften vom Statistischen Bundesamt nur „zusammengefasste Einzelangaben″ übermittelt werden. Diese zusammengefassten Einzelangaben dürften dabei nicht weniger als drei Unternehmensgruppen, Unternehmensbetriebe oder fachliche Teile von Unternehmen betreffen. Insoweit knüpfe § 47 GWB hinsichtlich des Terminus „zusammengefasste Einzelangaben″ an § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BStatG an. Eine Verletzung des Statistikgeheimnisses sei somit vorliegend ausgeschlossen.

Der Kläger darf nun Einsicht in die Vergleichsberechnung nehmen und kann sich an das Auflösen der Unbekannten machen. Und die Gleichung um zugekaufte Daten aus privater Quelle und die Auswirkung auf den Informationsanspruch ist somit gelöst.

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