18. August 2016
Car Sharing Data
Datenschutzrecht Smart Mobility

Car-Sharing und Big Data

Ein Strafverfahren gegen einen Car-Sharing-Nutzer hat ein neues Thema in den öffentlichen Fokus gerückt. Es geht um Big Data in modernen Fahrzeugen.

Die Automobilindustrie ist im Wandel. Die Elektromobilität, das vernetzte Auto („Smart Car″ oder „Connected Driving″) und das automatisierte Fahren sind bestimmende Zukunftsthemen.

Ein wesentliches weiteres Feld ist jedoch die Verschiebung der Mobilitätsnutzung im urbanen Raum. Mobilitätsanbieter verkaufen ihren Kunden nicht mehr nur ein einzelnes Fahrzeug. Auf dem Vormarsch ist das ständige Verfügbarhalten von Mobilitätsmitteln, zum jetzigen Zeitpunkt insbesondere in Form von Kurzmieten von Autos – das sog. „Car-Sharing“.

Sowohl für das autonome Fahren als auch für die Mobilitätsanbieter ist die Entwicklung von Smart Cars bzw. des Connected Driving notwendig, da beide Systeme auf einer in Echtzeit erfolgenden Auswertung der Umgebung des Fahrzeuges basieren. Dabei wird zwangsläufig eine Masse an Daten über das jeweilige Fahrverhalten und das Fahrzeug selbst gesammelt. Im Rahmen von Mobilitätsdiensten dienen die Daten vorrangig zur Abrechnung und Durchführung des Vertrages.

Für ein automatisiertes Fahren ist ein möglich großer Bestand an Daten zwingend notwendig, damit das Fahrzeug autonom gesteuert werden kann. Das betrifft verschiedene Daten, sowohl in Bezug auf das Fahrzeug als auch auf die Umgebung, die so genau wie möglich erfasst sein müssen.

Car-Sharing: Big Data im KFZ

Nach dem allgemeinen Verständnis werden mit dem Begriff „Big Data″ Datensätze erfasst, die über eine erhebliche Quantität der einzelnen Daten verfügen und die ständig aktualisiert werden und in Echtzeit verfügbar sind.

Moderne Fahrzeuge, ausgestattet mit einer Vielzahl von Sensoren und einer ständigen Internetanbindung, sind ein Paradebeispiel für eine Erhebung von Datensätzen, die als Big Data zu bezeichnen sind. Die Autos erfassen, speichern und leiten teilweise auch in schnellem Rhythmus an den jeweiligen Hersteller Daten aller Art weiter.

Im Rahmen einer Untersuchung des Weltautomobilverbandes FIA und des ADAC wurde z. B. bei einem Wagen der gehobenen Mittelklasse festgestellt, dass alle zwei Minuten die GPS-Position des Fahrzeuges sowie der Kilometerstand, der Verbrauch und u. a. der Reifendruck an den Hersteller übermittelt wurden.

Dies stellt jedoch nur einen kleinen Teil der üblicherweise erfassten Daten dar. So werden zum Teil auch die Zahl der elektronischen Gurtstraffungen, die Auswahl von bestimmten Fahrmodi (z. B. „Sport“ oder „Komfort“) sowie unter Umständen die Daten des Navigationsgerätes und Kontaktdaten des verbundenen Mobiltelefons gespeichert. Auch die Umgebungsfaktoren werden durch moderne Fahrzeuge erfasst. So wird, entsprechende Sensoren vorausgesetzt, neben dem lokalen Wetter und dem Zustand der jeweiligen Straße auch erfasst, wie die Belegung von Parkplätzen am Straßenrand ist.

Big Data hat viele Verwendungsmöglichkeiten

Viele dieser Daten sind insbesondere aus technischen Gründen hinsichtlich der Wartung der Fahrzeuge notwendig bzw. förderlich. So kann anhand von bestimmten Indikatoren festgestellt werden, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein bestimmtes Bauteil eine Fehlfunktion aufweist. So kann es repariert bzw. ausgetauscht werden, bevor tatsächlich ein Ausfall entsteht („Predictive Maintance″).

Die von den Fahrzeugen erfassten und generierten Daten werden jedoch auch anderen Verwertungen zugefügt. So bietet z. B. das Unternehmen Inrix sehr genaue Verkehrs- und Stauanalysen an, die unter anderem auf einer Echtzeitübermittlung von Positionsdaten von Fahrzeugen basieren.

Inrix verfügt aufgrund seines Geschäftsmodells über die Daten von sehr vielen Fahrzeugen. Mit diesen ist das Unternehmen in der Lage, anhand der Bewegungsgeschwindigkeit der einzelnen Fahrzeuge sehr genau feststellen, an welchen Stellen es gerade „stockt“.

Der Fall vor dem Landgericht Köln: Bewegungsprofil im Fokus

Vor dem Landgericht Köln musste der Hergang eines Straßenverkehrsunfalls nachvollzogen werden. Eine Verantwortlichkeit des Car-Sharing-Nutzers konnte wohl zunächst nicht zweifelsfrei angenommen werden. Deshalb forderte das Gericht bei dem Fahrzeughersteller, nicht bei dem Car-Sharing-Anbieter, umfassende Datensätze an. Mit diesen Daten war es möglich, ein wohl so genaues Bewegungsprofil zu erstellen, dass das Gericht schlussendlich zu einer ausreichenden Überzeugung für eine Verurteilung gelangte.

Dieses Ergebnis erzeugte ein erhebliches Medienecho, da sowohl der Car-Sharing-Anbieter als auch der Hersteller stets behauptet hatten, keine Bewegungsprofile oder ähnliches zu erstellen. Wie war es dann möglich, dass gleichwohl ein derart genaues Bewegungsprofil des Car-Sharing-Fahrzeuges erstellt werden konnte?

Car-Sharing-Modul sammelt Big Data

Einen Aufschluss dazu gibt eine Auswertung der Presseerklärungen, die von dem Portal netzpolitik.org veröffentlicht wurden. Demnach handelte es sich bei den übermittelten Daten um „Fahrzeugdaten“, also solche, auf die der Car-Sharing-Anbieter keinen Zugriff oder Einfluss hatte. Vielmehr hatten die Daten ihren Ursprung in einem „Car-Sharing-Modul″. Dieses war nicht ab Werk verbaut, sondern in Fahrzeuge zur Durchführung von Car-Sharing-Diensten nachgerüstet worden. Es speichert spezielle Daten, die dann im Einzelfall für Supportzwecke verwendet werden.

Auch wenn diese Daten grundsätzlich anonymisiert wurden, war es aufgrund einer Zusammenführung der Datensätze, wohl durch das Gericht, möglich, die Fahrzeugdaten einem konkreten Nutzer zuzuordnen. Aus datenschutzrechtlicher Sicht bleibt damit wohl festzuhalten, dass die Anonymisierung durch diesen Vorgang aufgehoben werden konnte.

Die AGB der jeweiligen Anbieter

Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang die Datenschutzbestimmungen der jeweiligen Anbieter. So ist in denen des Car-Sharing-Anbieters auffällig, dass diese zumindest in letzter Konsequenz nicht eindeutig sind, welche Bewegungsdaten gespeichert werden. So heißt es zwar, dass nur der Start- und Zielort in der Rechnung aufgeführt werden. Jedoch wird auch klargestellt, dass Daten zur Lokalisierung des Fahrzeugs erhoben werden, ohne dies zu spezifizieren.

Der Punkt „Erhebung und Verarbeitung von Daten im Fahrzeug“ innerhalb der Datenschutzerklärung des Herstellers lässt erkennen, dass – wie zuvor bereits ausgeführt – umfassend technische Daten bezüglich des Fahrzeugzustandes und Fahrverhaltens erfasst werden. Auch die lokale Speicherung von Telefonbucheinträgen und Navigationszielen wird geregelt.

Amsterdamer Erklärung und Datenschutz-Grundverordnung

Mit der Amsterdamer Erklärung vom 14. April 2016 haben die Verkehrsminister der Europäischen Union beschlossen, die Technologien des automatisierten Fahrens sowie des „Connected Driving“ zu unterstützen.

So soll insbesondere auch eine erhöhte Verkehrssicherheit  erreicht werden. Weiteres Ziel ist  ein wirksamer Datenschutz und der Schutz der Privatsphäre. Zugleich soll aber auch eine vermehrte Nutzung von als Big Data zu bezeichnenden Fahrzeugdaten erreicht werden. Die durch ein Fahrzeug generierten Daten sollen sowohl privaten als auch öffentlichen Diensten zugänglich gemacht werden.

Es ist also festzuhalten, dass selbst auf höchster europäischer Ebene das Potenzial von solchen Fahrzeugen und Datensätzen, insbesondere durch die Integration von Big-Data-Anwendungen, erkannt wurde. Car-Sharing und Big Data, einschließlich der daraus folgenden Anwendungsmöglichkeiten, wachsen folglich auf allen Ebenen zusammen.

Die ab Juni 2018 in Kraft tretende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) wird keine wesentlichen Änderungen hinsichtlich der hier angeschnitten Problemfelder bringen. Es gilt hinsichtlich der Nutzung von personenbezogenen Daten weiterhin die Notwendigkeit einer aufgeklärten Einwilligung. Es ist also erforderlich, dass die Nutzer darüber informiert werden, in welche Datenerhebung sie – unter Umständen allein durch die Benutzung eines Car-Sharing-Fahrzeugs – einwilligen und von wem diese Daten erfasst bzw. verarbeitet werden. Beachtet werden muss in diesem Zusammenhang auch die Pflicht zum Privacy-by-Design, wonach im Rahmen von technischen Entwicklungen eine möglichst sparsame Erhebung von Daten vorgenommen wird. Eine solche Vorgabe könnte der jetzigen Entwicklung, auch im Bereich der Verwendung von Big Data bei dem Car-Sharing, insbesondere vor dem Hintergrund der Amsterdamer Erklärung, entgegenlaufen.

Noch gravierender wird der Konflikt im Bereich des autonomen Fahrens. Gerade hierfür ist es zwingend notwendig, dass möglichst umfassend Daten erfasst und verarbeitet werden können.

Weitere zukünftige Entwicklung

Der vorliegende Gesetzesentwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes ist nach jetzigem Kenntnisstand bisher noch nicht vollständig ausgereift. Klare Regelungen, wie Daten erfasst und wem sie zugänglich gemacht werden, sind zwingend notwendig. Dies ist nicht nur für einen effektiven Datenschutz geboten, sondern dient auch der Sicherheit für die Unternehmen.

Insbesondere vor dem Hintergrund der anstehenden Änderung durch die Datenschutzgrundverordnung sind klare Vorgaben zum Schutz und Umgang mit Big Data in Fahrzeugen wünschenswert. Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang sicherzustellen, dass einerseits für die jeweiligen Nutzer von Fahrzeugen eine Rechtssicherheit hinsichtlich der erfassten und verwendeten personenbezogenen Daten besteht, andererseits auch auf Big Data basierende Geschäftsmodelle sowie eine Weiterentwicklung und Überwachung des Verkehrs in Fahrzeugen möglich sind.

Das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) hat dies in einem Strategiepapier bereits als Ziel beschrieben. Dafür wird es jedoch auch notwendig sein, dass sich der Gesetzgeber mit der Fragestellung auseinandersetzt, wem eigentlich die durch ein Fahrzeug generierten Daten „gehören″ und damit auch, wer einen Zugriff auf diese hat. Die Frage eines „Dateneigentums″ an nicht personenbezogenen Daten erlangt damit wieder eine neue Relevanz. Dies gilt insbesondere auch für Big Data im Bereich des Car-Sharing, bei welchem die Person des Fahrzeughalters und die des Nutzers auseinanderfallen und die Zuordnung der Daten, sowohl der personenbezogenen als auch der „neutralen″ Daten, erheblich erschwert wird.

Tags: Big Data Car Sharing Datenschutzrecht
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Hans-Christian Woger