Das OLG Köln hat in einem Urteil zum Umfang des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO Stellung bezogen – und sah keinen Grund für Einschränkungen.
Verarbeitet ein Verantwortlicher personenbezogene Daten, so hat die betroffene Person gemäß Art. 15 DSGVO das Recht, Auskunft über diese Daten zu erhalten. Dieser Auskunftsanspruch ist ein zentrales Betroffenenrecht – nur wer Kenntnis davon hat, welche persönlichen Daten existieren und wie sie verarbeitet werden, kann weitere Rechte wie Löschung, Berichtigung oder Einschränkung der Verarbeitung geltend machen.
Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO
Zentraler Gegenstand des Auskunftsanspruchs ist die Offenlegung der personenbezogenen Daten der betroffenen Person durch den Verantwortlichen.
Der Begriff der personenbezogenen Daten ist unter der DSGVO sehr weit zu verstehen. Umfasst sind alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare Person beziehen (Art. 4 Nr. 1 DSGVO). Dies können identifizierende oder äußere Merkmale wie Name, Geburtsdatum oder Augenfarbe sein, innere Zustände wie Meinungen oder Überzeugungen oder auch sachliche Informationen wie Vermögensverhältnisse oder Kommunikationsdaten.
Die Auskunft über diese Daten schuldet der Verantwortliche, also derjenige, der über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung der personenbezogenen Daten entscheidet (Art. 4 Nr. 7 DSGVO). Eine Verarbeitung liegt fast bei jedem tatsächlichen Umgang mit den personenbezogenen Daten vor, z.B. beim Erheben, Speichern, Abfragen oder Verwenden der Daten (Art. 4 Nr. 2 DSGVO).
Umfang des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO
Dem grundsätzlich weit gefassten Auskunftsanspruch werden Grenzen gesetzt. So dürfen Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigt werden (Art. 15 Abs. 4 DSGVO). Auch offensichtlich unbegründete oder exzessive Auskunftsersuche müssen nicht beantwortet werden, wobei der Verantwortliche begründen muss, dass die Rechtsausübung missbräuchlich war (Art. 12 Abs. 5 DSGVO). Auch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sieht einige Einschränkungen des Auskunftsanspruchs vor, z.B. wenn Forschungszwecke durch die Auskunftserteilung beeinträchtigt (§ 27 Abs. 2 BDSG) oder Geheimhaltungspflichten verletzt werden (§ 29 Abs. 1 S. 2 BDSG).
Gesetzlich nicht geregelt und daher durch eine Interessenabwägung im Einzelfall zu entscheiden ist die Frage, ob der Auskunftspflichtige die Offenlegung personenbezogener Daten auch aus anderen Gründen verweigern darf. Etwa weil dadurch unverhältnismäßiger Aufwand für den Verantwortlichen erzeugt würde oder die abgefragten Daten völlig belanglos sind.
Bisher einschränkende Tendenz in der Rechtsprechung zum Auskunftsanspruch
Eigentlich erteilte das Bundesverfassungsgericht bereits Anfang der 80er Jahre in seinem Volkszählungsurteil dem Gedanken eine Absage, dass personenbezogene Daten belanglos sein könnten (Urteil v. 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/83). Die der Informationstechnologie eigenen Verarbeitungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten führten dazu, dass nicht allein auf die Art der Daten abgestellt werden könne. Entscheidend sei ihre Nutzbarkeit und Verwendungsmöglichkeit.
Die bisher zu Art. 15 DSGVO ergangene Rechtsprechung geht jedoch tendenziell in die Richtung, den Umfang des Auskunftsanspruchs einzugrenzen. So sah das LG Köln durchaus Grund zur Beschränkung und urteilte, dass sich der Anspruch nicht auf
sämtliche internen Vorgänge der Beklagten, wie z.B. Vermerke, oder darauf, dass die betreffende Person sämtlichen gewechselten Schriftverkehr, der dem Betroffenen bereits bekannt ist, erneut ausgedruckt und übersendet erhalten kann (…)
beziehen könne (Urteil v. 18. März 2019 – 26 O 25/18).
Kurz darauf stellte wiederum das LG Köln klar, dass Art. 15 DSGVO nicht der „vereinfachten Buchführung“ des Betroffenen diene (Urteil v. 19. Juni 2019 – 26 S 13/18) und auch das AG München schloss sich dieser Auffassung an (Urteil v. 4. September 2019 – 155 C 1510/18).
OLG Köln sieht keinen Grund für Einschränkung
Unabhängig von den Verfahren vor dem LG Köln brachte das OLG Köln im Juli sein weites Verständnis vom Umfang des Auskunftsanspruchs zum Ausdruck (Urteil v. 26. Juli 20019 – 20 U 75/18, nicht rechtskräftig – Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH wird unter Az. IV ZR 213/19 geführt).
Beklagte war ein Versicherungsunternehmen, bei dem der Kläger eine Lebensversicherung abgeschlossen hatte. Nachdem es zwischen den Parteien zum Zerwürfnis kam, verlangte der Kläger von der Beklagten vollständige Auskunft über die ihn betreffenden personenbezogenen Daten. Die Beklagte teilte daraufhin die Stammdaten mit – diese reichten dem Kläger jedoch nicht, er begehrte Auskunft über alle im System der Beklagten erfassten Daten, insbesondere auch Gesprächsnotizen und Telefonvermerke.
Das OLG gab dem Kläger recht. Die Begrenzung auf die Stammdaten sei schlicht mit dem weit gefassten Datenbegriff der DSGVO unvereinbar. Sofern in den begehrten Gesprächsnotizen und Telefonvermerken Aussagen des Klägers oder über den Kläger enthalten seien, handele es sich dabei ohne Weiteres um personenbezogene Daten, über die Auskunft erteilt werden müsse.
Eine Einschränkung auf die Herausgabe solcher Daten, die nicht die Rechte und Freiheiten anderer Personen betreffen (Art. 15 Abs. 4 DSGVO), hielt das Gericht nicht für erforderlich: Es sei selbstverständlich Sache der Beklagten, die Auskunftserteilung im Einklang mit der Rechtsordnung und den Regelungen der DSGVO zu erfüllen und die sich daraus ergebenden datenschutzrechtlichen Belange Dritter zu berücksichtigen.
Auch durch den Einwand der Beklagten, dass ein derart weitgehender Datenbegriff ihre Geschäftsgeheimnisse verletze, ließ sich das OLG nicht beeindrucken. Geschäftsgeheimnisse könnten schon deshalb nicht verletzt sein,
weil Angaben, die der Kläger selbst gegenüber seiner Versicherung gemacht hat, diesem gegenüber nicht schutzbedürftig und damit auch nicht ihr Geschäftsgeheimnis sein können.
Umfang des Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO bleibt Einzelfallabwägung
Die Selbstverständlichkeit, mit der das OLG Köln dem weitreichenden Auskunftsbegehren des Klägers stattgab und jegliche Einwände der Beklagten zurückwies, ist bemerkenswert. Insbesondere vor dem Hintergrund der bisherigen untergerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 15 DSGVO, die zugunsten der auskunftspflichtigen Unternehmen eher einschränkende Tendenzen erkennen ließ.
Eine Trendwende sollte jedoch nicht vorschnell angenommen werden. Im Fall das OLG Köln waren die Gesprächs- und Telefonvermerke dem Betroffenen nicht bekannt und deren Inhalte könnten ihm in der Auseinandersetzung mit der Versicherung durchaus Vorteile bringen.
Es dürfte daher auch in Zukunft von den Umständen des Einzelfalls abhängen, über welche personenbezogenen Daten Auskunft erteilt werden muss. Und diese Umstände müssen mit Augenmaß bewertet werden – zu einer Vereitelung der Betroffenenrechte darf es ebenso wenig kommen wie zu einer vereinfachten Buchführung für die Betroffenen, die einseitig zu Lasten der verantwortlichen Unternehmen ginge.