16. November 2017
Bio Zertifizierung
E-Commerce Recht Gewerblicher Rechtsschutz

Bio-Lebensmittel: Für Online-Shops ist Zertifizierung Pflicht

EuGH verschärft Anforderungen für Online-Handel mit Bio-Lebensmitteln: Online-Shops dürfen Bio-Lebensmittel nur nach vorheriger Zertifizierung vertreiben.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die rechtlichen Voraussetzungen für den Online-Handel mit Bio-Lebensmitteln verschärft (Urteil v. 12. Oktober 2017 – C-289/16):

Auf Anfrage des Bundesgerichtshofs (BGH) urteilten die Luxemburger Richter, dass der Online-Vertrieb ökologischer Erzeugnisse innerhalb der EU nur nach vorheriger Zertifizierung zulässig sei.

Bio-Gewürze wurden ohne Zertifizierung verkauft

Die Wettbewerbszentrale hatte einen Internetversandhandel abgemahnt, der in seinem Online-Shop u.a. „Bio-Gewürze“ zum Verkauf angeboten hatte, ohne von einer Öko-Kontrollstelle zertifiziert worden zu sein.

Die Wettbewerbszentrale sah hierin einen Verstoß gegen Art. 28 Abs. 1 EG-Öko-Verordnung (VO (EG) 834/2007). Unternehmen müssen sich zertifizieren lassen, bevor sie mit ökologischen Erzeugnissen handeln.

Vor Gericht stritten sich die Parteien im Wesentlichen über die Frage, ob das Gesetz für Online-Shops eine Ausnahme vorsieht: Gemäß Art. 28 Abs. 2 EG-Öko-Verordnung und § 3 Abs. 2 Öko-Landbaugesetz (ÖLG) sind Unternehmer unter bestimmten Voraussetzungen von den gesetzlichen Kontrollpflichten freigestellt, wenn sie Bio-Erzeugnisse „direkt an Endverbraucher“ abgeben. Ob der Online-Handel eine Form der „Direktabgabe“ in diesem Sinne ist, war gerichtlich noch nicht geklärt.

LG Fulda und OLG Frankfurt vertraten unterschiedliche Auffassungen

Das LG Fulda bejahte eine Anwendung der Ausnahmevorschrift auch auf den Online-Handel und wies die Klage ab. Das OLG Frankfurt legte die Ausnahmebestimmung demgegenüber enger aus und gab der Klage in der Berufungsinstanz statt. Im Interesse des Verbraucherschutzes seien auch Online-Händler dazu verpflichtet, sich durch eine Öko-Kontrollstelle zertifizieren zu lassen, bevor sie Bio-Lebensmittel verkaufen dürften.

Die Verbraucher könnten im Internet nicht erkennen, ob die Erzeugnisse nach den gesetzlichen Vorgaben behandelt würden. Daher sei eine vorherige Zertifizierung des Online-Händlers erforderlich.

BGH fragt EuGH: Online-Handel als „Direktabgabe“ von Bio-Lebensmitteln an Endkunden?

Auf die Revision des beklagten Internethändlers setzte der BGH das Verfahren aus und bat den EuGH um Klärung, ob die gesetzliche Ausnahmevorschrift in Art. 28 Abs. 2 EG-Öko-Verordnung auch für Online-Händler gelte.

Dabei äußerte der BGH vorsichtige Zweifel an der Begründung des OLG Frankfurt und wies darauf hin, dass die Verbraucher auch im stationären Handel – d.h. unter gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers oder seines Verkaufspersonals – nicht feststellen könnten, ob die Erzeugnisse im Einklang mit den gesetzlichen Anforderungen erzeugt worden seien. Vor diesem Hintergrund sei es nicht gerechtfertigt, den Online-Handel und den stationären Handel insoweit unterschiedlich zu behandeln.

EuGH verschärft Anforderungen an den Online-Handel mit Bio-Lebensmitteln

Der EuGH schloss sich diesen Zweifeln in seinem Urteil vom 12. Oktober 2017 (C-289/16) nicht an: Im Interesse eines effektiven Verbraucherschutzes sei es geboten, alle Beteiligten entlang der Erzeuger- und Vertriebskette möglichst lückenlos zu kontrollieren.

Als Ausnahmevorschrift zur allgemeinen gesetzlichen Kontrollpflicht sei Art. 28 Abs. 2 EG-Öko-Verordnung eng auszulegen und in seiner Anwendung auf solche Fälle zu beschränken, in denen eine Kontrollpflicht unverhältnismäßig sei.

Eine solche Unverhältnismäßigkeit sei im Online-Handel mit Bio-Lebensmitteln aber nicht zu erkennen. So würden Online-Händler in der Regel Lebensmittel in nicht unerheblichen Mengen lagern und diese durch zwischengeschaltete Dritte ausliefern lassen. Hieraus ergäben sich relevante Risiken für die Verbraucher (Bsp. Umetikettierung, Vertauschen, Kontaminierung), die eine allgemeine Zertifizierungs- und Kontrollpflicht rechtfertigen würden.

Kurzum: Online-Händler seien verpflichtet, sich nach Art. 28 Abs. 1 EG-Öko-Verordnung (VO (EG) 834/2007) zertifizieren zu lassen, bevor sie mit ökologischen Erzeugnissen im Internet handeln.

Fazit: Verbraucherschutz gewinnt

Das Urteil des EuGH überzeugt insoweit, als es ein hohes Maß an Verbraucherschutz im Online-Handel garantiert. Eine gesetzliche Kontrollpflicht dürfte auch im Interesse der meisten Online-Händler sein, weil das Vertrauen der Verbraucher in den wachsenden Internethandel mit Bio-Lebensmitteln auf diese Weise nachhaltig gestärkt wird.

Mit dem BGH lässt sich allerdings kritisch hinterfragen, ob es wirklich gerechtfertigt ist, den stationären Handel insoweit anders zu behandeln als den Internethandel. Jedenfalls aus gesetzgeberischer Sicht spricht viel dafür, die rechtlichen Bestimmungen für beide Vertriebsformen in Zukunft anzugleichen.

Tags: Bio Zertifizierung Lebensmittel ökologische Erzeugnisse