27. Januar 2020
Streitbeilegung, VSBG, Informationspflicht
E-Commerce Recht

BGH präzisiert Informationspflichten aus § 36 VSBG

Die Angabe, dass sich ein Unternehmen „grundsätzlich“ oder „im Einzelfall“ zur Teilnahme an einer Verbraucherschlichtung bereit erklärt, ist rechtswidrig.

Bereits im Februar 2016 ist das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) in Kraft getreten. Es dient der Umsetzung der EU‑Richtlinie über die alternative Beilegung von verbraucherrechtlichen Streitigkeiten (2013/11/EU).

Ziel der Umsetzung ist es, Verbrauchern unionsweit eine einfache, günstige und schnelle Möglichkeit zur Beilegung von Streitigkeiten mit Unternehmen durch Schlichtungsstellen zu eröffnen. Nebenbei können die Unternehmen ihr Image durch eine freiwillige Teilnahme an der Schlichtung aufbessern und die staatliche Gerichtsbarkeit wird entlastet – soweit zumindest die Theorie.

Praxisrelevanz von Streitbeilegungen bisher eher gering

Bereits vor Inkrafttreten des VSBG gab es in Deutschland Schlichtungsstellen. Mit der neu gewonnen Aufmerksamkeit durch das Gesetz sollten die Anträge zu diesen und neu geschaffenen Schlichtungsstellen verdoppelt werden. Zumindest in den ersten Jahren ist man von diesem Ziel jedoch noch weit entfernt – ausgehend von ca. 60.000 Anträgen vor Inkrafttreten des Gesetzes stieg die Zahl innerhalb der ersten beiden Jahre um lediglich ca. 10-15%. Praktisch spielt diese Form der außergerichtlichen Streitbeilegung daher nach wie vor keine übergeordnete Rolle.

Dies liegt unter anderem daran, dass die Unternehmen ihrer Pflicht, sich zu ihrer Bereitschaft an der Teilnahme an Schlichtungsverfahren gegenüber Verbrauchern zu äußern, nicht oder nur unzureichend nachkommen. Und das, obwohl ein Verstoß gegen diese Anfang 2017 eingeführte Informationspflicht aus §§ 36, 37 VSBG immerhin mit einem Bußgeld von bis zu EUR 50.000 sanktioniert werden kann.

Details zur Umsetzung der Informationspflichten unklar

Die Anzahl gerichtlicher Verfahren wegen angeblicher Verstöße gegen die Informationspflichten steigt in letzter Zeit stetig an. Dies hängt auch damit zusammen, dass der Gesetzgeber viele Einzelheiten nicht geregelt hat und es so seitens der Unternehmen immer wieder zu Unsicherheiten bei der Umsetzung der Vorgaben kommt.

Voraussetzungen und Pflichten nach §§ 36, 37 VSBG

Die §§ 36, 37 VSBG schreiben Informationspflichten für Unternehmer vor, die

(i) Geschäfte mit Verbrauchern tätigen,

(ii) eine Webseite betreiben oder Allgemeine Geschäftsbedingungen verwenden, und

(iii) mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigen.

Diese müssen sich dazu äußern, inwieweit sie bereit oder verpflichtet sind, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG). Zudem muss ein Unternehmer, der sich zur Teilnahme verpflichtet hat oder auf Grund von Rechtsvorschriften verpflichtet ist, die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle nennen (§ 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG).

Die Information muss auf der Webseite des Unternehmens verfügbar bzw. in seinen AGB abgedruckt sein (§ 36 Abs. 2 VSBG). Diese Informationen muss der Unternehmer sowohl vor Vertragsschluss als auch nach Entstehen der Streitigkeit bereitstellen, wenn diese zuvor nicht zwischen den Parteien beigelegt werden konnte (§ 37 Abs. 1 VSBG).

Angaben zur Schlichtungsstelle auch wenn Unternehmen sich nicht zur Teilnahme verpflichtet?

In zwei Urteilen äußerte sich der BGH kürzlich zu Detailfragen im Zusammenhang mit der Informationspflicht aus § 36 VSBG. Im ersten Urteil (BGH, Urteil v. 21. August 2019 – VIII ZR 263/18) veröffentlichte das beklagte Unternehmen, welches Lebensmittel im Internet vertreibt, folgende Erklärung in den online abrufbaren AGB:

Zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle sind wir nicht verpflichtet. Dennoch sind wir zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle grundsätzlich bereit.

Der klagende Verbraucherschutzverein bemängelte an dieser Klausel, dass entgegen § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG keine Angaben dazu gemacht werden, an welche Verbraucherschlichtungsstelle sich Verbraucher in einem solchen Fall wenden können. Die Verwendung der Klausel in dieser Form müsse daher unterlasen werden.

BGH: Schlichtungsstelle muss bei bloßer Bereitschaft zur Teilnahme am Streitbeilegungsverfahren nicht benannt werden

Der BGH urteilte zugunsten der Beklagten und sah keinen Verstoß gegen § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG. Dieser schreibe die Pflicht zur Angabe der zuständigen Stelle eben nur solchen Unternehmen vor, die zur Teilnahme verpflichtet sind oder sich explizit verpflichtet haben:

Die Vorschrift des § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG beschränkt nach ihrem klaren Wortlaut die von ihr geforderten Angaben ausdrücklich auf die Fälle, in denen sich der Unternehmer zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet hat oder hierzu (…) verpflichtet ist. Eine solche Teilnahmeverpflichtung (…) ist weder nach dem allgemeinen Sprachgebrauch noch nach der Terminologie des Gesetzes mit einer Erklärung, zu einer Mitwirkung an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle bereit zu sein, gleichzusetzen.

Durch die Erklärung in den AGB, grundsätzlich an der Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren bereit zu sein, werde zudem laut BGH noch keine Verpflichtung zur Teilnahme begründet. Dies ergebe sich bereits aus § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG, der eindeutig zwischen Bereitschaft und Verpflichtung unterscheide. Zudem habe der Gesetzgeber der Freiwilligkeit der alternativen Streitlösung hohen Stellenwert eingeräumt und damit sei es nicht in Einklang zu bringen, aus einer erklärten Bereitschaft eine Verpflichtung entstehen zu lassen. Der Unterschied liege darin, dass sich ein Unternehmen noch einseitig ohne Verletzung rechtlicher Pflichten der Streitschlichtung entziehen könne, wenn es sich lediglich zur Teilnahme bereit erklärt habe ohne dazu verpflichtet zu sein.

Klausel verstößt gegen § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG

Der BGH ließ es sich jedoch nicht nehmen, die Parteien obiter dictum auf einen anderen Makel der zitierten Klausel hinzuweisen. Die „grundsätzliche“ Bereitschaft zur Teilnahme genüge nicht den Anforderungen aus § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG:

[D]ie Angabe, sie sei „grundsätzlich“ zu einer Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren bereit, entbehrt der notwendigen Klarheit, in welchen Fällen („inwieweit“) die Beklagte zu einer solchen Mitwirkung bereit ist. Dem durchschnittlichen Verbraucher als Adressat einer solchen Mitteilung erschließt sich angesichts des breiten Bedeutungsgehalts des Begriffs „grundsätzlich“ nicht, ob die Beklagte sich „aus Prinzip und ohne Ausnahme“ oder nur „im Prinzip, mit dem Vorbehalt bestimmter Ausnahmen, in der Regel, im Allgemeinen“ (…) zu einer Mitwirkung an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle bereitfindet (…). Für den letztgenannten Fall bleibt zusätzlich unklar, unter welchen Bedingungen sich die Beklagte auf ein solches Streitbeilegungsverfahren einlassen wird.

Dieser Punkt wurde von der Klägerin jedoch nicht geltend gemacht, sodass die Revision der Klägerin gleichwohl zurückgewiesen wurde.

BGH: Bereitschaft zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren „im Einzelfall“ ungenügend

Ein zweites Urteil (BGH, Urteil v. 21. August 2019 – VIII ZR 265/18), beschäftigte sich mit der ähnlich gelagerten Frage, ob folgende Klausel den Anforderungen des § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG genügt:

Es wird darauf hingewiesen, dass der Anbieter nicht verpflichtet ist, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen. Die Bereitschaft dazu kann jedoch im Einzelfall erklärt werden.

Wie schon im Obiter Dictum des ersten Falls befand der BGH auch hier, dass die Bereitschaft „im Einzelfall“ nicht hinreichend klar und verständlich im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG für den Verbraucher zum Ausdruck bringt, ob eine Schlichtung im Streitfall in Frage kommt:

Eine solche Mitteilung lässt offen, von welchen Kriterien der Unternehmer seine Entscheidung abhängig macht, sich auf eine Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle einzulassen, und zwingt den Verbraucher daher zu Nachfragen. Zudem impliziert sie, dass der Unternehmer – anders als von § 36 I Nr. 1 VSBG vorausgesetzt (…) – noch gar keine (revidierbare) Entscheidung über seine Teilnahmebereitschaft getroffen hat.

Auswirkungen auf die Praxis: Information zur Streitbeilegung muss klar und verständlich sein

Die beiden Urteile bringen mehr Klarheit, wie entsprechende Hinweise auf Webseiten oder in AGB auszusehen haben. Für die Praxis lassen sich aus den Entscheidungen drei Schlüsse ziehen:

  1. Erklärt sich ein Unternehmen zur Teilnahme an der Streitschlichtung bereit, bedeutet dies nicht automatisch eine Verpflichtung. Es kann sich also trotz Erklärung der (uneingeschränkten) Bereitschaft noch einseitig der Teilnahme entziehen.
  2. Wird eine bedingte oder eingeschränkte Bereitschaft zur Teilnahme erklärt, so müssen die Bedingungen oder Einschränkungen hinreichend klar formuliert sein. Nur so werden die Anforderungen an Klarheit und Verständlichkeit aus § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG erfüllt.
  3. Wenn die bloße Bereitschaft zur Teilnahme erklärt wird, muss die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle nicht angegeben werden.

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