Zu den prozessualen Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verbotsantrags gegen die Zusendung von E-Mail-Werbung.
Das KG Berlin (Beschl. v. 11. Januar 2018 – 5 W 6/18) hat die Auffassung des LG Berlin bestätigt: Der Tenor eines gerichtlichen Urteils, der die Zusendung von E-Mail-Werbung verbietet, muss im Hinblick auf die Verletzungsform konkretisiert sein, wenn gerade die Werbeeigenschaft der E-Mail streitig ist. Wird in einem solchen Fall das Verbot beantragt, keine weiteren „Werbeschreiben per E-Mail zu senden…″, ist dieses wegen fehlender Bestimmtheit (teilweise) zurückzuweisen bzw. auf eine bestimmte Verletzungshandlung zu reduzieren.
Streitfrage: Werbung oder Double-Opt-In-Anfrage
Der Antragsteller hatte begehrt, dem Antragsgegner zu verbieten „an den Antragsteller Werbeschreiben per E-Mail zu senden und/oder senden zu lassen″, ohne dass der Antragsteller zuvor ausdrücklich in die Versendung von Werbeschreiben eingewilligt hat.
Dabei war streitig, ob es sich bei der E-Mail, auf die sich der Verbotsantrag bezog, überhaupt um Werbung handelte: während der Antragsteller die in Rede stehende E-Mail wegen konkret benannter Bestandteile für Werbung hielt, war die Antragsgegnerin der Auffassung, dass es sich lediglich um eine aus ihrer Sicht zulässige Double-Opt-In-Bestätigungsanfrage, nicht aber um Werbung handele.
Zu Unrecht führte der Antragsteller Rechtsprechung an, in denen Gerichte vergleichbaren Verbotsbegehren entsprochen hatten (vgl. BGH GRUR 2017, 748; OLG Celle WRP 2014, 2018), denn in diesen Fällen war die Werbeeigenschaft der E-Mails unbestritten gewesen.
Unerwünschte E-Mail-Werbung muss nicht geduldet werden, sondern kann im Wege von Abmahnung oder einstweiliger Verfügung verboten werden. Die Voraussetzungen, unter denen E-Mail-Werbung zulässig ist oder nicht (Stichwort: Double-Opt-In) und die Frage wann E-Mail-Werbung vorliegt, beschäftigten die Gerichte in den letzten Jahren häufig. Daher geht der Beitrag im Folgenden auf die prozessualen Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verbotsantrags gegen die Zusendung von E-Mail-Werbung ein.
Keine Verlagerung ins Vollstreckungsverfahren: zu unterlassende Handlungen müssen sich aus dem Antrag ergeben
Das Bestimmtheitserfordernis an den Klageantrag gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und respektive auch an den Urteilstenor hat mehrere Gründe.
Zunächst wird durch den Antrag der Streitgegenstand festgelegt. Dieser bestimmt den Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts, § 308 Abs.1 ZPO. Außerdem muss die beklagte Partei in der Lage sein, sich gegen den Verbotsantrag erschöpfend verteidigen zu können. Bei erfolgreicher, also antragsgemäßer, Verurteilung, grenzt der Tenor schließlich die Rechtskraft des Urteils ein. Da ein unbestimmter Antrag und dementsprechender Urteilstenor, die Entscheidung darüber, was verboten ist, auf unzulässige Weise in das Vollstreckungsverfahren verlagern würde, ist ein unbestimmter Antrag vom Gericht zurückzuweisen. Zwar ist ein Klageantrag nicht automatisch zu unbestimmt, wenn er auslegungsbedürftige Begriffe enthält. Für eine sachgerechte Verurteilung ist dann aber erforderlich, dass im konkreten Fall über die Bedeutung des Begriffs kein Streit besteht.
Im vorliegenden Fall wurde durch die abstrakte Antragsfassung die Frage der Wettbewerbsrechtswidrigkeit der E-Mail zum Gegenstand des Verbots gemacht, ohne die Merkmale zu nennen, die die Wettbewerbswidrigkeit erst begründen.
Zu Recht hatte das Landgericht die begehrte einstweilige Verfügung zwar erlassen, das Verbot der Zusendung von Werbe-Mails aber auf eine konkrete Verletzungsform beschränkt und den darüber hinaus gehenden Antrag zurückgewiesen.
Das KG Berlin weist verdeutlichend auf ein Urteil des BGH hin, in dem es ebenfalls um einen zu unbestimmten und damit unzulässigen Klageantrag (BGH, Urteil v. 18. Februar 1993 – I ZR 219/91 – „Faltenglätter“) ging. Dort war beantragt worden, die Veröffentlichung von Beiträgen durch Presseunternehmen, „die inhaltlich Werbung sind“ zu verbieten. Auch hier enthielt der Antrag ein Tatbestandsmerkmal („Werbung″) über dessen Auslegung in dem Verfahren Streit bestand. Da der Antrag die Elemente nicht nannte, die einen in zulässiger Weise gestalteten redaktionellen Beitrag von einer unzulässigen getarnten Werbung unterscheiden, wurde der Antrag mangels Bestimmtheit zurückgewiesen.
Sachgerechte Verurteilung erfordert Nennung der konkreten Verletzungsform
Das Kammergericht hat in seiner Entscheidung noch einmal klargestellt, dass ein Verbotsantrag gegen unzulässige E-Mail-Werbung wegen fehlender Bestimmtheit zurückgewiesen werden kann, wenn die Werbeeigenschaft der E-Mail streitig ist. In solchen Fällen muss der Antrag die konkrete Verletzungsform enthalten, die die streitgegenständliche E-Mail zu unzulässiger E-Mail-Werbung macht.
Auslegungsbedürftige Begriffe wie „Werbeschreiben“ können nur dann im Sinne einer sachgerechten Verurteilung verwendet werden, wenn im konkreten Fall über die Bedeutung des Begriffs kein Streit besteht und objektive Maßstäbe zur Abgrenzung zur Verfügung stehen.