19. Januar 2017
künstliche Intelligenz Kanzlei
TMC – Technology, Media & Communications

Wie verändert künstliche Intelligenz die Arbeit in Kanzleien?

Künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch, auch im Rechtsbereich. Eine Bestandsaufnahme und ein Ausblick, was sich für Anwälte in Großkanzleien ändert.

Die Künstliche Intelligenz macht in vielen Bereichen Fortschritte. Dies gilt im Besonderen für Technologien, die eigentlich nur in einem weiteren Sinne künstliche Intelligenz darstellen. Gemeint sind Systeme, die zum Teil aus maschinenlernenden Algorithmen bestehen. Diese ahmen die (sensorische sowie intellektuelle) Erkennung des Menschen immer besser nach. Sie decken aber auch bisher unerkannt gebliebene Korrelationen in großen Mengen von unstrukturierten Daten („Big Data″) auf.

Inzwischen rücken die Anbieter von solchen Technologien akademischen Berufen immer näher. Nicht selten lassen sich Effizienzen heben oder gar neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen.

So spielt die Auswertung von „Big Data″ beispielsweise im medizinischen Bereich inzwischen eine große Rolle. Neu erkannte Korrelationen können immer ein erstes Indiz auf biologische Zusammenhänge sein. In der Forschung verhilft die Technologie nach optimistischen Einschätzungen dazu, einen echten Quantensprung in bestimmten Bereichen einzuleiten.

Anwendungen künstlicher Intelligenz im juristischen Umfeld

Auch im juristischen Umfeld laufen vielerorts erste Versuche, künstliche Intelligenz zum Einsatz zu bringen. In den USA werden mithilfe künstlicher Intelligenz inzwischen Vorhersagen angestellt, welche Richter zu welchen Urteilen neigen und welche rechtlichen Aspekte dabei eine besondere Rolle spielen könnten. Gleichzeitig werden Systeme entwickelt und erprobt, die auf rechtliche Fragen konkrete Antworten geben können – wenn auch nur in abgegrenzten Bereichen.

Zu einer breiteren Anwendung kommen derzeit Systeme, die das Durchleuchten großer Mengen von Dokumenten dergestalt ermöglichen, dass die Software Regelungsgegenstände bzw. Klauseln wiedererkennt. Dies kann zum Beispiel in der Due Diligence von Nutzen sein, in der nicht selten hunderte Verträge unter hohem Zeitdruck auf das Vorhandensein von bestimmten Regelungen abgeklopft werden müssen.

Insgesamt lässt sich verallgemeinernd sagen, dass es sich bei der Software, die eine ausreichende Marktreife erreicht hat und zum Einsatz zur Verfügung steht, derzeit vor allem um Assistenzsysteme handelt. Nicht selten „lernen″ die Systeme durch das Verhalten ihrer Nutzer und werden Schritt für Schritt besser und präziser.

Wandel jenseits von künstlicher Intelligenz

Der Rechtsmarkt verändert sich derzeit aber nicht nur durch künstliche Intelligenz. Dies ist vor allem im Verbraucherrecht gut erkennbar. Hier entstehen immer mehr „Legal-Tech″-Start-Ups und drängen in den Markt der häufig nachgefragten Anwaltsdienstleistungen. Nicht selten spielt Software dabei sogar nur eine untergeordnete Rolle.

Es entstehen spezialisierte Dienste für Erstattungsansprüche bei Flugverspätungen oder zur Abwehr von „Knöllchen″ oder sogar ganz neue Marktplätze für Anwälte in diesem Rechtsbereich. Fast alle „anwaltsnahen Leistungen″ werden derzeit von aufstrebenden Unternehmen mit Erfolg völlig neu konzipiert. Auch im Bereich von „Commodities″ sind inzwischen Anbieter anzutreffen, die Standards und häufig wiederkehrende Leistungen als Produkte an Rechtsabteilungen von Unternehmen vermarkten.

Faszination und Neugier bei CMS

Nicht wenige Juristen nehmen die Nachrichten zu künstlicher Intelligenz und alternativen Anbietern im Rechtsbereich mit einer Mischung aus Faszination, Neugier aber auch Sorge wahr. Bei CMS Deutschland überwiegt schon seit langem Faszination, Neugier und das Bestreben, sich die neuen Möglichkeiten zu Nutze zu machen. Seit Jahren kümmert sich eine wachsende Anzahl von Mitarbeitern und Anwälten darum, (auch) diese Technologien genauer anzusehen, ihren Nutzen zu bestimmen und sie zunächst in Piloten und später in Projekten zum Einsatz zu bringen. Die gleiche Beachtung erfahren interne Projekte, bei denen die Art der Leistungserbringung immer wieder neu durchdacht wird.

So haben wir schon letztes Jahr nach mehreren Jahren Vorarbeit eine Software eingeführt, die es uns ermöglicht, die Erstellung von bestimmten Verträgen erheblich zu erleichtern. Der Nutzer wird bei diesen Verträgen in einem Online-Interview zu den notwendigen Eingaben und Entscheidungen befragt; alle erforderlichen Konsequenzen für die Formulierung des Vertrages zieht die Software. Da die Aufbereitung entsprechender Verträge aufwändig ist, eignet sich die Software nicht immer, sie findet aber zunehmend Verbreitung.

Aber auch erste digitale Produkte sind fertiggestellt worden und im Einsatz. Viele andere Projekte laufen.

Veränderung wird kommen, aber langsamer als propagiert

Die jetzige Welle der Automatisierung wird auch die Anwälte in Großkanzleien erreichen und Veränderungen mit sich bringen. Daran haben nur wenige Zweifel. Es wird aber nach derzeitigen Erkenntnissen eher nicht und jedenfalls nicht so bald zu einer Disruption kommen, wie sie beispielsweise bei Sachbearbeitern wohl bereits gerade einsetzt. Dies hat viele Gründe. Jeder dieser Gründe ist für die Technologie zwar nicht unüberwindbar, aber die Aufwände sind vergleichsweise hoch, was den Fortschritt verzögert.

So widmen sich Großkanzleien zum großen Teil den Rechtsproblemen zwischen Unternehmen. Es fehlt dort aber oft an der nötigen Masse, wenig wiederholt sich, viele rechtliche Lösungen sind individuell maßgeschneidert. Es gibt im Rechtsbereich auch keine massenhaften Messdaten wie in der Medizin. Die entscheidenden Feinheiten des Rechts basieren vor allem auf tiefem Verständnis für die Gesetzessprache, die aber meist von Land zu Land variiert. Anders als Naturwissenschaften ist das Recht durch neue Gesetzgebung und Rechtsprechung auch stetig im Wandel. Auch die Datenakquise ist kompliziert, denn jenseits von amtlichen Texten sind rechtliche Inhalte oft geschützt und nicht frei verfügbar. 

Großkanzlei wird für junge Anwälte attraktiver

Insbesondere für junge Anwälte setzt dennoch schon jetzt langsam eine Veränderung ein, die die Arbeit als Anwalt in einer Großkanzlei zunehmend interessant machen wird. Vorbereitende Aufgaben, die heute eine Software lösen kann, müssen nicht mehr von jungen Anwälten von Hand erledigt werden. Systeme unterstützen immer besser die Entscheidungsfindung, wo früher noch aufwändig recherchiert werden musste. Begleitende Prozesse werden schlanker und effizienter.

Wer eine Begabung sowohl für Jura als auch IT hat, wird in der Großkanzlei auch und gerade in Zeiten von künstlicher Intelligenz eine spannende wie sichere Zukunft erleben. Themen wie Big Data und künstliche Intelligenz betreffen die Anwälte dabei nicht nur selbst in ihrer Arbeitsweise, sie sind vor allem auch Gegenstand der täglichen Beratung. Denn bei Themen wie autonomes Fahren, Blockchain oder Industrie 4.0 stellen sich ganz neue Rechtsfragen, die natürlich (auch) durch Großkanzleien beraten werden.

Sehen Sie auch das Video aus der Edge Reihe zum Thema „Innovation in Legal Tech – was leistet künstliche Intelligenz für den Anwalt„.

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Tags: Kanzlei künstliche Intelligenz