20. September 2016
Rechtslage für autonomes fahren in Deutschland
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Rechtslage für autonomes Fahren in Deutschland

Verkehrsminister Dobrindt plant ein Gesetz für autonomes Fahren in Deutschland und will damit die Rechtslage für selbstfahrende Autos klären.

Im Juli wurden erste Auszüge aus dem von Verkehrsminister Alexander Dobrindt erarbeiteten Gesetzentwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes bekannt. Er soll das voll autonome Fahren in Deutschland ermöglichen. Die bislang bekannten Passagen lassen gravierende Neuerungen erwarten und geben bereits jetzt Anlass zu kontroversen Diskussionen.

Entwurf: Autonomes Fahren soll in Deutschland generell zulässig sein

Nach dem Entwurf sollen autonome Fahrsysteme generell zulässig sein, sofern sie dem Fahrer „erkennen und artikulieren“ können, dass er die Fahrzeugführung wieder übernehmen muss. Der Fahrer soll sich vom Verkehrsgeschehen auch abwenden und damit die Steuerung sogar aus der Hand geben dürfen.

Allerdings soll der Fahrer „wahrnehmungsbereit bleiben“ und „nach Aufforderung durch das automatisierte System die Fahrzeugsteuerung wieder übernehmen“ und auf „erkennbare technische Störungen angemessen reagieren“ können.

Die Änderung des Straßenverkehrsgesetzes bietet die Grundlage für hochautomatisierte und autonome Fahrsysteme, wie beispielsweise einen speziellen Modus für die Kolonnenfahrt bei LKW. Der Fahrer fährt auf die Autobahn, aktiviert das autonome System und der LKW koppelt sich mit einer virtuellen beziehungsweise elektronischen Deichsel an andere LKW.

Mit der autonomen Kolonnenfahrt (Platooning) kann aufgrund besserer Aerodynamik Kraftstoff gespart und die rechtlich limitierte Fahrzeit von Fernfahrern verringert werden. Fahrer werden entlastet, was zu mehr Sicherheit auf den Straßen führen kann, da das autonome System Vorgänge wie Bremsen, Beschleunigen und Lenken übernimmt.

Rechenleistung zur Umsetzung autonomer Fahrzeuge steigt

Die technische Umsetzung ist zwar noch in der Erprobungsphase, bis 2020 rechnen die Hersteller jedoch mit den ersten autonomen Kolonnenfahrten. Bis dahin muss allerdings auch die entsprechende Infrastruktur vorhanden sein.

Aufgrund der wachsenden Datenflut der vernetzten Fahrzeuge sowie dem steigenden Bedarf an Rechenleistung, einschließlich vernetzten Sensoren und Kameras, wird diese Technik wohl – wenn überhaupt – vorerst nur auf Autobahnen möglich sein.

Allerdings ist noch offen, wie diese neuen Freiheiten des Fahrers in der Praxis definiert werden. Kümmert sich der Fahrer bei aktivem autonomen System um andere Dinge, muss er jederzeit reaktionsbereit bleiben für den Fall, dass das System eine Warnung ausgibt. Wie schnell muss der Fahrer dann reagieren, damit ihm nicht der Vorwurf gemacht werden kann, fahrlässig gehandelt zu haben? Wird hierzu keine Regelung geschaffen, werden später die Gerichte klären müssen, ob er für den Unfall trotz automatisiertem Fahrsystem haftet.

Hersteller sollen bei Verschulden unbegrenzt haften

Daneben sieht der Entwurf vor, dass die Hersteller bei Verschulden unbegrenzt haften sollen. Zudem sollen „Störungen“ dokumentiert werden und es muss ersichtlich sein, ob das Fahrzeug vom Fahrer oder vom System geführt wird.

Eine nachträgliche Kontrolle, ob zum Zeitpunkt eines Unfalls das System oder der Fahrer am Steuer war, lässt sich wohl nur durch die Integration einer Blackbox sicherstellen und kann den Fahrer je nach Situation auch von der Verantwortung entlasten.

Weiterhin offene Fragen zur Haftung und dem Datenschutz

Wer ist jedoch wann für was verantwortlich? Wer haftet beispielsweise für die beschädigte Ladung, wenn ein LKW im autonomen Modus einen Fahrfehler begeht? Der (passive) Fahrer, der Halter, der Hersteller des LKW, der Lieferant der Sensoren oder der Software oder gar der Programmierer? Diese Frage scheint auch in den bislang bekannten Auszügen des Gesetzesentwurfs nicht beantwortet zu werden.

Auch im Hinblick auf das Thema Datenschutz scheint der Entwurf noch nicht ausgereift zu sein. Bislang ist nur bekannt, dass Daten im Fahrbetrieb gespeichert und bestimmten Stellen zur Verfügung zu stellen sind. Datenschützer befürchten nicht zu Unrecht, dass Fahrzeuge in „rollende Datentonnen“ verwandelt und die Daten nicht nur für die Fuhrparkmanager verwendet werden. Es werden deshalb von Datenschützern klare Regelungen gefordert, wie mit den im Fahrbetrieb gespeicherten Daten umzugehen ist.

Fazit: Es gibt noch viel zu tun

Die bislang bekannten Passagen lassen zwar erkennen, dass die rechtlichen Grundlagen für das autonome Fahren in Deutschland weiter vorangetrieben werden. Das ist für Deutschland als einer der weltweit wichtigsten Standorte der Automobilindustrie begrüßenswert. Allerdings bleiben viele offene Fragen, insbesondere zur Haftung, der Versicherung, Zulassungen und zum Datenschutz weiterhin unbeantwortet. Das von der Bundesregierung vorzulegende Gesetz sollte deshalb kein Schnellschuss werden. Der Gesetzgeber darf die Konkretisierung unklarer Regelungen nicht allein der Rechtsprechung überlassen.

Dieser Beitrag basiert auf einem Beitrag des Autors, zuerst erschienen in der „Lebensmittel Zeitung″ Ausgabe 36 vom 09. September 2016, Seite 46.

Tags: autonomes Fahren eMobilität Rechtslage