Künstliche Intelligenz ist aus dem Profifußball kaum mehr wegzudenken. In verschiedenen Bereichen versuchen Vereine so, sich einen Vorteil zu verschaffen.
Dass die Künstliche Intelligenz (KI) und Daten eine immer größere Rolle im Fußball spielen, zeigte jüngst der FC Chelsea im UEFA Supercup. Kurz vor dem Ende der Verlängerung wechselte der deutsche Trainer Thomes Tuchel den Torwart. Mendy verließ den Platz, für ihn kam Kepa. Grund dafür war die Statistik: Auf dem Papier hält Kepa mehr Elfmeter als Mendy. Und tatsächlich zeigte der Wechsel Wirkung. Kepa hielt den entscheidenden Elfmeter, Chelsea wurde UEFA-Supercup-Sieger.
Doch wie werden solche Daten erhoben und welche Chancen und Möglichkeiten bieten sie für die Fans, Zuschauer und Vereine?
Mithilfe von KI können Statistiken erstellt werden, die Daten offenbaren, die mit dem bloßen Auge kaum zu erfassen sind
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Fußballspiele in Datensätze zu übertragen. Es gibt einige Unternehmen, die Mitarbeiter Spiele anschauen lassen, die dann für jede Aktion einen entsprechenden Datensatz erstellen. Diese Art der Datenerfassung gilt mittlerweile allerdings eher als veraltet.
Viel genauer und schneller lassen sich Daten durch eine KI erfassen. Ein Anbieter für solche KI-Erfassungen ist Amazon Web Services (kurz: aws). Seit Anfang 2020 arbeitet die DFL mit aws zusammen. Gemeinsam wurde eine Datenbank entwickelt, in der über 175.000 Minuten Fußball durch eine KI ausgewertet werden. In Kombination mit den Live-Daten aus einem Fußballspiel lassen sich so Echtzeit-Statistiken erstellen, die den Zuschauern zuvor unbekannte Einblicke in das Spiel ermöglichen:
1. Angriffszonen
Durch die „Angriffszonen“-Statistik können die Zuschauer sehen, über welchen Teil des Spielfelds eine Mannschaft am häufigsten angreift. Dazu wird das letzte Drittel des Spielfeldes in vier gleichgroße vertikale Bereiche unterteilt. Sobald der ballführende Spieler in das letzte Drittel vorstößt, wird dies einer Zone zugerechnet. So können die Fans Rückschlüsse auf die Taktik der Trainer ziehen.
2. Most Pressed Player
Im modernen Fußball spielt Pressing eine große Rolle. Beim Pressing geht es darum, die gegnerische Mannschaft unter Druck zu setzen, um so den Spielaufbau zu unterbinden. Durch die Statistik „Most Pressed Player“ soll abgebildet werden, welcher ballführende Spieler am häufigsten gepresst wird.
3. Realformation
Die Statistik „Realformation“ stellt die durchschnittlichen Positionen der Spieler auf dem Feld in Echtzeit dar. Die Realformation wird durch ca. 3,6 Millionen Datenpunkte pro Spiel berechnet.
4. Realformation: Trends
Die Statistik „Realformation: Trends“ zeigt, wie sich die Realformation innerhalb des Spiels ändert. So lässt sich bspw. erkennen, dass eine Mannschaft, bis sie ein Tor geschossen hat, im 4-2-3-1-System agiert und danach in ein 3-5-2-System wechselt. Dieser Statistik lässt sich somit entnehmen, wie ein Team taktisch auf unterschiedliche Ereignisse reagiert.
5. xGoals (Expected Goals) und Torwahrscheinlichkeiten
Der xGoals-Wert stellt die Torerzielungs-Wahrscheinlichkeit eines Abschlusses dar. So können die Zuschauer die Effizienz von Spielern vor dem Tor einordnen.
6. Speed Alarm
Der Speed Alarm-Wert stellt die Höchstgeschwindigkeit der Spieler beim Laufen dar.
Immaterialgüterrechtlicher Schutz von KI
Durch den breiten Einsatz von KI und die große Menge an Daten, die durch sie generiert werden, stellt sich die Frage nach der immaterialgüterrechtlichen Schutzfähigkeit.
Da es sich bei KI um Algorithmen handelt, die auf Computerprogrammen basieren, genießen diese den urheberrechtlichen Schutz des § 69a UrhG. Davon erfasst wird allerdings nur die Ausdrucksform des Computerprogramms, nicht die zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze. Mangels technischen Charakters kommt für KI, die lediglich aus abstrakt-mathematischen Berechnungsverfahren besteht, in der EU kein Patentschutz in Betracht. Um den Patentschutz zu ermöglichen, muss das Produkt oder Verfahren einen technischen Charakter haben, Software als solche ist nicht patentfähig.
Erzeugnisse, die von Künstlicher Intelligenz geschaffen wurden, können grundsätzlich keinen immaterialgüterrechtlichen Schutz erlangen. Im Patentrecht muss das schützenswerte Erzeugnis von einem Menschen erfunden worden sein. Dies gilt auch für Werke im Urheberrecht. Ergebnisse, die von KI, also einer Maschine, erbracht werden, fallen demnach nicht darunter. Im Urheberrecht gibt es allerdings zusätzlich das Datenbankherstellerrecht der §§ 87a ff. UrhG. Demnach kann eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen geschützt werden, wenn sie systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert. Wenn eine Künstliche Intelligenz also eine solche Datenbank erstellt, könnte der Investor Schutzrechtsinhaber werden.
Bessere Spieltaktik, effizientere Transfers – Wie die Vereine von KI profitieren
Aber nicht nur für die Zuschauer im Fernsehen spielen Statistiken eine wichtige Rolle. Auch für die Vereine können KI und Daten Erfolgsfaktoren sein.
Im Jahr 2014 übernahm Matthew Benham den dänischen Club FC Midtjylland. In Zusammenarbeit mit dem Sportanalyseunternehmen Smart Odds wurde der Verein nun anhand von Algorithmen und Statistiken geführt. Sowohl die Transfers als auch die Spielphilosophie richtete sich nach Daten. Im Jahr 2015 wurde der FC Midtjylland dänischer Meister, 2018 wurde Midtjylland das zweite Mal Meister. 2019 wurde zum ersten Mal der dänische Pokal gewonnen. Außerdem schlug man in der Saison 2015/2016 Manchester United im Hinspiel des Sechzehntelfinals der UEFA Europa League.
Mittlerweile hat fast jeder Profiverein ein Team, das sich ausschließlich um die Auswertung von Daten kümmert. So kann beispielweise anhand von Leistungsdaten der Spieler eine individuelle Belastungssteuerung vorgenommen werden, damit jeder Spieler optimal regenerieren kann.
Darüber hinaus haben mittlerweile fast alle Profivereine eine Abteilung innerhalb ihres Scouting-Bereiches, die ausschließlich Daten von potenziellen Neuzugängen auswertet. Anhand dieser Daten wird dann geschaut, welches Spielerprofil am besten in das aktuelle Team passt.
KI-Systeme dürften weiterhin eine große Rolle bei Transferprozessen im Profifußball und bei Sportwetten spielen
Im April 2021 hat die Kommission der Europäischen Union den Entwurf einer Verordnung zur erstmaligen Regulierung von KI vorgelegt. Die Basis der Regulierung ist eine Unterteilung nach dem Gefährdungspotenzial der jeweiligen Anwendung, woraufhin für jede Gefährdungsstufe unterschiedliche Regelungen gelten.
Im Anhang III des Entwurfes werden Hochrisiko-Anwendungen aufgelistet, deren Einsatz umfassende Kontroll- und Prüfpflichten für die Anwender der KI hervorrufen. Nr. 4a ordnet auch KI-Systeme, die bestimmungsgemäß für die Einstellung oder Auswahl natürlicher Personen verwendet werden sollen, als Hochrisiko-Anwendung ein. KI, die Spieler aus anderen Mannschaften analysiert und im Ergebnis Empfehlungen für die besten Transfers gibt, werden dieser besonderen Regulierung aber wohl nicht unterliegen. Die geplante Vorschrift zielt darauf ab, Diskriminierung im Einstellungsprozess zu verhindern. Im Profifußball gibt es jedoch keinen klassischen Bewerbungsprozess, bei dem aus einer Vielzahl an Bewerbern ein passender Kandidat ausgewählt wird. Daher werden KI-Systeme im Transferprozess wohl auch zukünftig ohne größere Einschränkungen genutzt werden können.
Auch im Bereich Sportwetten spielt KI zunehmend eine Rolle. Die Quoten werden meist durch einen Algorithmus bestimmt, der die letzten Spiele der Vereine auswertet. Eine viel genauere Quote kann allerdings durch eine KI geliefert werden. Diese wertet nicht nur die letzten Spiele der Vereine aus, sondern kann zusätzlich noch die aktuelle Fitness individueller Spieler, Datenbanken über die sportliche Performance einzelner Spieler und Informationen aus Medienartikeln in die Quotenberechnung mit einbeziehen.
Für die Zukunft ist zu erwarten, dass KI in noch mehr Bereichen des Fußballs Einzug finden wird. Beispielsweise soll KI eingesetzt werden, um während des Spiels Abseitstore zu erkennen. So möchte man vermeiden, dass der Schiedsrichter das Spiel unterbrechen muss, um mit Hilfe des Videoassistenten die Situation selbst zu beurteilen.