9. Oktober 2014
Uhrenwerk
TMC – Technology, Media & Communications

Mit der Software ist es nicht getan – praktische Schwierigkeiten bei der Sanktionsprüfung

Komplexe Herausforderung - was eine Software zur Sanktionsprüfung leisten muss.

Zu Zeiten von Wirtschaftssanktionen gegen Russland, Iran und andere Länder ist immer mehr von Software zur Sanktionslistenprüfung die Rede, die bei Unternehmen mit ausgeprägten Außenwirtschaftsbeziehungen zum Einsatz kommt. Einschlägige Mediendarstellungen oder Produktbeschreibungen mancher Softwareanbieter erwecken den Eindruck, dass mit Einsatz einer solchen Software Verstöße gegen Sanktionen vollständig ausgeschlossen werden können. Ganz so einfach ist es aber nicht.

Was kann eine Software zur Sanktionslistenprüfung leisten?

Jede Software zur Sanktionslistenprüfung hat die Prüfung der sogenannten personenbezogenen Sanktionen zum Gegenstand. Diese Art von Sanktionen kann für die einzeln aufgeführten sanktionierten („gelisteten″) Personen insbesondere folgende Beschränkungen zum Inhalt haben:

  • Reisebeschränkungen;
  • Einfrieren aller Gelder und wirtschaftlicher Ressourcen;
  • Verbot, den gelisteten Personen unmittelbar oder mittelbar wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

Vereinfacht dargestellt nimmt eine gängige Software zur Sanktionslistenprüfung dem Nutzer die Arbeit ab, die bei dem Nutzer verfügbaren Daten des Geschäftspartners mit den Sanktionslisten abzugleichen. Bei vollständiger oder teilweiser Übereinstimmung schlägt die Software Alarm.

Die Prüfungsergebnisse werden für Compliance-Zwecke dokumentiert. Die Sanktionslisten werden abhängig vom Anbieter häufig oder seltener aktualisiert. Je nach Konzeption der Software findet gegebenenfalls automatisch eine erneute Prüfung statt, sobald sich der Datenbestand des Nutzers ändert oder die Sanktionslisten ergänzt werden.

Die Sanktionssoftware wird teilweise auch als Erweiterungssoftware (plug-in) zum bestehenden SAP-System angeboten, so dass die Erstellung und Pflege einer gesonderten Datenbank nicht erforderlich ist. Insoweit nimmt die Software dem Nutzer einen erheblichen Teil der Prüfung ab.

Was kann die Software nicht leisten?

Die Software zur Sanktionslistenprüfung ist meist auf personenbezogene Sanktionen beschränkt und kann die anderen Arten von geltenden Sanktionen, etwa die derzeit in Bezug auf die Krim geltenden Sanktionen, nicht immer verlässlich abbilden.

Aber auch innerhalb der personenbezogenen Sanktionsprüfung kommt jede Software an ihre Grenzen, sobald es um das sogenannte mittelbare Bereitstellungsverbot geht. Das mittelbare Bereitstellungsverbot besagt vereinfacht, dass Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen gelisteten Personen nicht nur unmittelbar, sondern auch über nicht gelistete Personen nicht zur Verfügung gestellt werden dürfen.

Das kann etwa dann der Fall sein, wenn nicht gelistete juristische Personen zur Umgehung der Sanktionen eingeschaltet werden oder – und das ist oft der Fall – im Eigentum oder unter Kontrolle von gelisteten Personen stehen. Das mittelbare Bereitstellungsverbot verhindert also Umgehungskonstruktionen und bildet daher einen festen Bestandteil der EU-Sanktionspraxis.

Ermittlung der Unternehmensstruktur

Ist der Geschäftspartner, wie meistens, ein Unternehmen, so müssen im ersten Schritt die Gesellschafter des Unternehmens ermittelt werden, um einen Verstoß gegen das mittelbare Bereitstellungsverbot ausschließen zu können. Bei russischen Geschäftspartnern ist dazu etwa ein Auszug aus dem Register für juristische Personen erforderlich.

Das neu eingerichtete elektronische Register juristischer Personen ist zwar frei zugänglich, aber nicht immer aktuell, so dass gegebenenfalls ein kostenpflichtiger Auszug bestellt werden muss. Darüber hinaus steht eine sanktionierte Person oftmals erst am Ende einer Kette von Zwischengesellschaften oder verbirgt sich hinter einer Offshore-Gesellschaft in Zypern, auf den Virgin Islands oder den Bahamas.

Bereits diesen ersten Schritt wird eine Software zur Sanktionslistenprüfung häufig nicht mehr leisten können.

Umfang der Prüfungspflicht

Hält man also fest, dass eine Sanktionssoftware beim mittelbaren Bereitstellungsverbot keine völlige Sicherheit gewährleistet, stellt sich die Frage, wie ein Unternehmen mit einer Vielzahl von ausländischen Geschäftspartnern Sanktionsverstöße vermeiden kann. Muss nun die Unternehmensstruktur jedes russischen Geschäftspartners bis nach Zypern und darüber hinaus, koste es was es wolle, ermittelt werden?

Die Sanktionsverordnungen der EU enthalten keine ausdrücklichen Regelungen zum Umfang der Prüfungspflicht. Ausgehend von den Straf- und Ordnungswidrigkeitsvorschriften des Außenwirtschaftsgesetzes muss dem betroffenen Unternehmen aber zumindest ein fahrlässiger Verstoß gegen Sanktionen vorgeworfen werden können.

Außerdem sehen die EU-Sanktionsverordnungen Haftungsbefreiungen für den Fall vor, dass die Handelnden nicht wussten und keinen vernünftigen Grund zu der Annahme hatten, dass sie gegen die Sanktionsmaßnahmen verstoßen. Damit kann sich die Sanktionsprüfung im Rahmen des Möglichen und dem Unternehmen noch Zumutbaren halten.

Was noch zumutbar ist, kann wiederum von Unternehmen zu Unternehmen, von Geschäftspartner zu Geschäftspartner und von Geschäft zu Geschäft anders beurteilt werden. Auch bei dieser Entscheidung kann eine Software keine Hilfe leisten.

Einzelfallprüfung

Sind die Unternehmensstruktur und die Beteiligungsverhältnisse ermittelt und ist an dem Unternehmen des Geschäftspartners tatsächlich eine sanktionierte Person mehrheitlich oder mit Kontrollrechten beteiligt, so muss im zweiten Schritt beurteilt werden, ob das mittelbare Bereitstellungsverbot aufgrund der Besonderheiten des konkreten Falles greift.

Für die Beurteilung dieser Frage sind die im Jahre 2013 erlassenen Leitlinien des Rates der EU zur Anwendung und Auslegung von Sanktionsmaßnahmen heranzuziehen. Im Ergebnis muss eine einzelfallbezogene Risikoprüfung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände vorgenommen werden. Auch diese Einzelfallprüfung kann eine Software nicht leisten. Daher ist eine Prüfung durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), etwa durch einen Antrag auf Erteilung eines Null-Bescheids häufig zu empfehlen.

Fazit: Mittelbares Bereitstellungsverbot nicht abgedeckt

Mit dem Einsatz von Software zur Sanktionslistenprüfung können viele Schritte bei der Prüfung von personenbezogenen Sanktionen zuverlässig automatisiert und beschleunigt werden. In vielen Fällen kann das Unternehmen so bereits dem Sorgfaltsmaßstab genügen.

Beim mittelbaren Bereitstellungsverbot helfen Softwarelösungen dagegen kaum weiter. Wie viel Aufwand ein Unternehmen bei der Schließung dieser Lücke betreiben sollte, muss für jeden konkreten Fall gesondert geklärt werden.

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