26. April 2011
Unterdrückung kann durch Lächeln nicht geheilt werden
Presserecht

Unanfechtbar: Bundesnetzagentur darf Pressemitteilungen über „Cold-Call″-Sünder herausgeben

Manche Dinge scheinen klar: Etwa, dass „Cold Calls″ verboten sind, dass „Gewinnspielanbieter″ ihre Rufnummer zu übermitteln haben oder das Behörden Pressemitteilungen herausgeben dürfen. Über all das hatte das Oberverwaltungsgericht NRW (Beschluss vom 08.04.2011, 13 B 237/11) dennoch zu entscheiden: Der Betreiber einer kostenpflichtigen Rufnummer wollte dies nochmals „amtlich″ bestätigt wissen.

Der Wunsch war dem OVG NRW Befehl.

Was passiert war: Die Bundesnetzagentur hatte für bestimmte Forderungen ein „Verbot der Rechnungslegung und Inkassierung″ gegen das teilweise im Ausland ansässige Unternehmen und den deutschen Netzbetreiber verhängt, der die Abrechnung vornahm: Über die Telefonrechnungen wurden so den Verbrauchern Entgelte für Gewinnspieleintragsdienste berechnet, die von Drittfirmen erbracht werden sollten. Dabei ging es um unverlangte Werbeanrufe mit unterdrückter Rufnummer. Mitgeteilt wurden der Gewinn eines Kosmetikgutscheins im Wert von 100,- Euro. Während des Gesprächs schlossen die Verbraucher dann angeblich einen Vertrag über die Teilnahme an einem Gewinnspieleintragsdienst.

Alles unzulässig, befand die Bundesnetzagentur und verhängte ein Rechnungslegungs- und Inkassierungsverbot, so dass betroffenen Verbrauchern die geltend gemachten Beträge nicht mehr in Rechnung gestellt werden durften. Falls Verbraucher bereits derartige Rechnungen erhalten hatten, kam das Verbot der Inkassierung zum Zug. All das teilte die Bundesnetzagentur in einer Pressemitteilung der (bis dahin vielleicht noch mäßig interessierten) Öffentlichkeit mit.

„Üble Nachrede″, „Boykottaufrauf″, „Eingriff in den Gewerbebetrieb″ und „Kreditgefährdung″ schrie dagegen das betroffene Unternehmen – und zog vor Gericht. Nachdem das Verwaltungsgericht Köln den Antrag abgelehnt hatte, der Bundesnetzagentur im Wege der einstweiligen Anordnung die Unterlassung von in der Pressemitteilung enthaltenen Äußerungen aufzugeben, ging es in die Beschwerde zum OVG Münster. Dort holte sich das Unternehmen allerdings – gelinde gesagt – eine „Klatsche″:

Zunächst sprachen die Richter dem Betreiber, der sich auf die Verfassung berief, die Grundrechtsfähigkeit ab. Da es sich bei der Antragstellerin um eine ausländische juristische Person handelt, könne sie sich nicht auf das Grundgesetz (vgl. Art. 19 Abs. 3 GG) berufen. Als einfachrechtliche Grundlage für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch komme allenfalls § 1004, § 823 BGB in Verbindung mit § 824 BGB oder mit dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Betracht.

Aber:

Den Tatbestand der Kreditgefährdung oder eines „Boykottaufrufs″ erkannten die Richter dabei nicht:

„Die Bundesnetzagentur weist nur auf die zutreffende Rechtslage hin. Sie informiert über die von ihr verhängten Rechnungslegungs- und Inkassierungsverbote. Auch bedeutet der Hinweis auf die Möglichkeit der Rückforderung des von Verbrauchern gezahlten Entgelts mithilfe juristischen Beistands keinen Boykottaufruf zum Nachteil der Antragstellerin, unabhängig davon, dass § 824 BGB den Fall des Boykottaufrufs gar nicht erfasst.″

Die (abweichende) Auffassung des Betreibers, sein Service stehe im Einklang mit geltendem Recht, könne auch nicht dazu führen, dass die Pressemitteilung der Bundesnetzagentur rechtswidrig sei:

„Auch ist die Darstellung in der Pressemitteilung, der Gewinnspieleintragungsservice sei rechtswidrig telefonisch beworben worden, nicht unzutreffend. Hierzu hat das Verwaltungsgericht ebenso ausführlich wie nachvollziehbar ausgeführt, dass die von der Antragstellerin veranlassten Anrufe, die auch der Bewerbung des von ihr angebotenen Gewinnspieleeintragsdienstes dienten, rechtswidrig seien, weil wegen fehlender vorheriger ausdrücklicher Einwilligung der angerufenen Verbraucher ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG vorliege. Diese Ausführungen begegnen keinen rechtlichen durchgreifenden Bedenken. Die Antragstellerin ist ihnen nicht mit schlüssigem Vorbringen entgegengetreten.″

Das Unternehmen könne sich auch nicht damit „herausreden″, dass es als ausländisches Unternehmen nichts dafür könne, dass die Rufnummer offenbar nicht beim „Kunden″ angekommen sei:

„Soweit sie behauptet, ein Fall der Rufnummernunterdrückung liege nicht vor, weil ihre Rufnummer nicht übertragen worden sei, ändert dies nichts daran, dass die Rufnummer auf dem Display der Telefone angerufene Teilnehmer nicht erschienen ist. [..] Denn Anrufende dürfen nach § 102 Abs. 2 TKG bei Werbung mit einem Telefonanruf ihre Rufnummernanzeige nicht unterdrücken oder bei dem Diensteanbieter veranlassen, dass diese unterdrückt wird. Dies gilt nach § 102 Abs. 7 TKG auch für Anrufe in das Ausland und für aus dem Ausland kommende Anrufe, soweit sie Anrufende oder Angerufene im Inland betreffen. Ob die Übermittlung von Rufnummern zur Leistungspflicht des Providers gehört, ist demnach unerheblich. Entscheidend ist, dass die Anzeige der Rufnummer auf dem Display der Telefone der Angerufenen unterbleibt. Dieser Fall ist daher dem typischen Fall einer bewussten Rufnummernunterdrückung gleichzustellen.″

Der durchaus kreative Versuch, der Bundesnetzagentur insgesamt die Berechtigung zur Herausgabe von Pressemitteilungen dieser Art abzusprechen, wird von dem Gericht ebenfalls verworfen:

„Nach § 45n Abs. 3 Satz 1 TKG, der Bestandteil der Kundenschutzbestimmungen in Teil 3 des Telekommunikationsgesetzes ist, besteht für die Bundesnetzagentur eine sehr weit reichende Ermächtigungsgrundlage für eine Informationspolitik zum Schutz der Endnutzer, wie die Formulierung, die Bundesnetzagentur könne jegliche Information veröffentlichen, belegt.″

Man darf den Mut des Betreibers ruhig bewundern, sich diese – unanfechtbare – Entscheidung „abzuholen″. Das Urteil ist im Volltext hier abrufbar. 

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