4. September 2018
Hinweispflicht Streitschlichtung
TMC – Technology, Media & Communications

Hinweispflicht auf Schlichtungsstelle bei freiwilliger Teilnahme

Online-Unternehmer sind verpflichtet, auf Schlichtungsverfahren hinweisen. Doch gilt dies auch für Unternehmer, die sich freiwillig zur Teilnahme bereiterklären?

Bereits seit dem 9. Januar 2016 enthält § 36 des Gesetzes über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen („VSBG“) für Online-Unternehmer, die Allgemeine Geschäftsbedingungen verwenden die Pflicht, über ihre Bereitschaft oder Verpflichtung zur Teilnahme an einem Verbraucherschlichtungsverfahren zu informieren und unter bestimmten Voraussetzungen auch auf die konkret zuständige Verbraucherschlichtungsstelle hinzuweisen. Diese Pflicht bezieht sich insbesondere auf die von der Europäischen Union neu geschaffene Plattform zur Online-Streitbeilegung.

Der Wortlaut der Norm lautet dabei wie folgt (Hervorhebung nur hier):

§ 36 VSBG: Allgemeine Informationspflichten

(1) Ein Unternehmer, der eine Webseite unterhält oder Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, hat den Verbraucher leicht zugänglich, klar und verständlich

  1. in Kenntnis zu setzen davon, inwieweit er bereit ist oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, und
  2. auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle hinzuweisen, wenn sich der Unternehmer zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet hat oder wenn er auf Grund von Rechtsvorschriften zur Teilnahme verpflichtet ist; der Hinweis muss Angaben zu Anschrift und Webseite der Verbraucherschlichtungsstelle sowie eine Erklärung des Unternehmers, an einem Streitbeilegungsverfahren vor dieser Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, enthalten. (…)

Zwei Absätze – zwei Informationspflichten

Die Vorschrift ist also zweigeteilt und beinhaltet zwei voneinander zu unterscheidende Informationspflichten. Während § 36 Abs. 1 Nr. 1VSGB nur die „erste Stufe“ der Pflicht regelt, sich grundsätzlich dazu zu äußern, inwieweit eine Bereitschaft oder Verpflichtung zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren besteht, erweitert § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG diese Pflicht um konkrete Angaben zur zuständigen Verbraucherschlichtungsstelle für den Fall, dass der Unternehmer zur Teilnahme verpflichtet ist.

Ob eine Pflicht zum Verweis auf eine bestimmte Verbraucherschlichtungsstelle (§ 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG) auch für den Fall besteht, dass ein Unternehmer sich in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen freiwillig zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren bereiterklärt, hat jüngst das Oberlandesgericht Celle entschieden (Urteil vom 24. Juli 2018 – Az.: 13 U 158/1).

Geklagt hatte der Dachverband der Verbraucherzentralen und verlangte von dem beklagten Online-Shop, die Verwendung der folgenden Klausel ohne Hinweis auf die konkret zuständige Verbraucherschlichtungsstelle zu unterlassen:

§ 12 ODR Verordnung

(…)

Zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle sind wir nicht verpflichtet. Dennoch sind wir zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle grundsätzlich bereit. Für weitere Fragen wenden Sie sich bitte an (…)

 Die Verbraucherzentrale vertrat der Auffassung, die Klausel verstoße gegen § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG, weil der Betreiber des Online-Shops neben der Information über die grundsätzliche Bereitschaft zur Teilnahme an einer Streitschlichtung, auch Angaben zur Anschrift und Webseite der zuständigen Verbraucherschlichtungsstelle machen müsse.

Das Oberlandesgericht hatte also konkret darüber zu entscheiden, ob die Pflicht aus § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG auch dann besteht, wenn eine gesetzliche Teilnahmeverpflichtung nicht vorliegt, die AGB aber die Erklärung der grundsätzlichen Bereitschaft zu einer Teilnahme enthalten.

Keine Hinweispflicht auf konkrete Schlichtungsplattform bei freiwilliger Teilnahme

Das Gericht hat die Klage des Dachverbandes der Verbraucherzentralen im Ergebnis abgewiesen und hält die oben zitierte Klausel für zulässig. Es vertritt den Standpunkt, dass die erweiterte Informationspflicht aus § 36 Abs. 2 Nr. 2VSBG an eine bereits bestehende gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Teilnahmeverpflichtung geknüpft sei. Wenn sich aus den AGB lediglich die freiwillige Bereitschaft zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren ergebe, stelle dies nach Ansicht des Gerichts noch keine Verpflichtung, sondern allenfalls das Angebot auf Abschluss einer privatrechtlichen Schlichtungsvereinbarung dar – Voraussetzung für die Hinweispflicht gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG sei aber, dass sich der Unternehmer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits verpflichtet hat.

Freiwillige Teilnahme wird nicht durch Hinweispflicht „sanktioniert“

Für die Praxis bedeutet diese Entscheidung, dass die Erklärung der grundsätzlichen Bereitschaft zur Teilnahme an einer Verbraucherschlichtung, die weder auf gesetzlicher, noch auf bereits abgeschlossener (!) vertraglicher Verpflichtung beruht, nicht dazu führt, dass auch die erweiterten Informationspflichten gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG ausgelöst werden. Es genügt nach Ansicht des Gerichts in diesen Fällen stattdessen weiterhin, sich gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG nur allgemein dazu einzulassen, inwieweit man bereit oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.

Die Entscheidung ist insbesondere in praktischer Hinsicht zu begrüßen, denn nur wer zum Zeitpunkt der Einbeziehung der AGB bereits zur Teilnahme verpflichtet ist(und nicht erst durch die Einbeziehung der AGB gegebenenfalls verpflichtet wird), ist überhaupt in der Lage, konkrete Informationen über eine möglicherweise zuständige Verbraucherschlichtungsstelle einzubeziehen.

Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Das OLG Celle hat die Revision zum Bundesgerichtshof wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob die „Bereiterklärung“ in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bereits mit einer „(Selbst-)Verpflichtung“ gleichzusetzen ist, zugelassen. Es bleibt daher abzuwarten, wie der Bundesgerichtshof sich positionieren wird.

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