Die ersten Bußgelder nach dem NetzDG werden verhängt. Getroffen hat es Facebook wegen Verstoßes gegen die Berichtspflicht.
Vor zwei Jahren verabschiedete der Bundestag das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Dieses regelt das Verhalten von Anbietern sozialer Netzwerke in Bezug auf rechtswidrige Inhalte auf ihren Plattformen. Die Anbieter, so die Gesetzesbegründung, sollen durch das NetzDG zu einer zügigeren und umfassenderen Bearbeitung von Beschwerden von Nutzerinnen und Nutzern über Hasskriminalität, sog. „hate speech“, und anderen strafbaren Inhalten in ihren Netzwerken angehalten werden.
Bislang wurden – soweit ersichtlich – noch keine Strafen wegen Verstoßes gegen das NetzDG verhängt. Nun hat das Bundesamt für Justiz (BfJ) ein Bußgeld i.H.v. EUR 2 Mio. gegen Facebook Ireland Limited als Anbieterin von Facebook wegen Verstoßes gegen die Berichtspflicht verhängt.
Zu geringe Anzahl an Meldungen nach dem NetzDG bei Facebook
Anbieter sind nach dem NetzDG dazu verpflichtet, einfache Verfahren zur Meldung rechtswidriger Inhalte anzubieten, die eingegangenen Beschwerden unverzüglich zu prüfen und den gemeldeten Inhalt bei Rechtwidrigkeit zu entfernen (bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit sogar innerhalb von 24 Stunden), § 3 NetzDG. Zudem müssen die Unternehmen alle sechs Monate einen Bericht über ihren Umgang mit Beschwerden und weitere Maßnahmen veröffentlichen (§ 2 NetzDG).
Facebook war dieser Pflicht zur Berichterstattung für das erste Halbjahr 2018 zwar nachgekommen, laut dem BfJ allerdings unzureichend. Nach den Angaben auf Facebooks Website, wurden lediglich 1704 problematische Inhalte gelöscht. Diese Zahl erschien dem BfJ erstaunlich niedrig, waren es doch bei Twitter 260.000 Inhalte und bei YouTube 215.000 Inhalte. Um einen Maßstab zu geben: Bei Twitter waren im Jahr 2018 ungefähr 321 Millionen Nutzer monatlich eingeloggt, bei YouTube waren es 1,8 Milliarden. Facebook kam im Jahr 2018 auf durchschnittlich etwa 2,3 Milliarden aktive Nutzer. Es war also stark unwahrscheinlich bis unmöglich, dass sich die Beschwerdezahlen bei Facebook in einem derartig niedrigen Bereich befinden, obwohl Facebook das größte Netzwerk bildet.
Eine mögliche Erklärung für die niedrige Zahl ist, dass Facebook nicht nur den Weg zur Beschwerde gemäß dem NetzDG im sozialen Netzwerk anbietet, sondern auch einen zweiten Weg, bei dem Inhalte, die gegen Facebooks Gemeinschaftsrichtlinien verstoßen, nach einem „Flagging“-System gemeldet werden können. Der Weg zur Meldung nach dem NetzDG befindet sich in Facebooks Hilfe-Bereich, während das „Flagging“ direkt an den einzelnen Beiträgen möglich ist. Es sei davon auszugehen, dass die Anzahl der insgesamt über das NetzDG-Formular und das „Flagging“-System eingereichten Beschwerden weitaus größer sei.
Verstöße gegen Facebooks Gemeinschaftsrichtlinien würden oft auch die Fälle nach dem NetzDG umfassen. Der Bericht zeige jedoch nur die Meldungen über das NetzDG-Formular. Es ist davon auszugehen, dass der Bericht, hätte Facebook die Meldungen beider Formulare aufgezeigt, deutlich aussagekräftiger und transparenter geworden wäre. Facebooks Darstellung der Beschwerden im Bericht sei somit verzerrt. Zudem sei der Weg nach dem NetzDG nicht ausreichend transparent gekennzeichnet und das entsprechende Meldeformular zu versteckt. Dies wirke sich ebenfalls negativ auf die Transparenz zu der Bearbeitung von Beschwerden bei Facebook aus.
BfJ bemängelt Berichterstattung
Aufgrund der unzureichenden Auflistung der Beschwerden über rechtswidrige Inhalte, liefere der Bericht von Facebook auch keine hinreichende Aussagekraft in Bezug auf die Maßnahmen, die Facebook im Hinblick auf die Anzeige von rechtswidrigen Inhalten üblicherweise trifft, so das BfJ. Dies fordere allerdings § 2 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Nummer 7 NetzDG.
Weiterhin seien die Angaben von Facebook zur Organisation, zur fachlichen und sprachlichen Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie zu den Schulungen und der Betreuung der für die Bearbeitung von Beschwerden zuständigen Personen (§ 2 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Nummer 4 NetzDG) im Bericht nicht vollständig.
Zudem habe Facebook bezüglich der Rückmeldungen auf Beschwerden ebenfalls unzureichend berichtet. Die Ausführungen von Facebook ließen keine Rückschlüsse zu, ob Begründungen der Entscheidungen zu dem jeweiligen gemeldeten Inhalt in den Rückmeldungen enthalten waren.
Aufgrund der unvollständigen Daten sei die Intention des Gesetzgebers, eine nachvollziehbare Aussage über das Beschwerdeverfahren zu erhalten, damit nicht mehr erfüllt.
Facebook will Einspruch einlegen
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Facebook hat die Möglichkeit, Einspruch einzureichen. Einem Pressesprecher zufolge will das Unternehmen dies auch in Anspruch nehmen.
Das NetzDG ist stark umstritten. Mehrere Bundestagsfraktionen, darunter AfD und Die Linke, fordern Nachbesserung oder sogar die Aufhebung des NetzDG. Erst kürzlich, am 15. Mai 2019, fand diesbezüglich eine Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz statt. Heinz-Josef Friehe, der Präsident des BfJ, erklärte dort allerdings, dass das NetzDG wirke: Mittlerweile laufen über 70 Verfahren gegen Betreiber sozialer Netzwerke. Nach Einschätzung seiner Behörde sei das NetzDG demnach durchaus geeignet, zur Einhaltung geltenden Rechts im Internet beizutragen. Lediglich bezüglich der Berichte der Betreiber und der Einrichtung angemessener Meldewege in den Netzwerken sehe die Behörde im Einzelfall Verbesserungsbedarf.