Neben klassischen Venture Capital Investoren investieren auch immer häufiger Konzerne und etablierte Unternehmen in Start-ups und junge Unternehmen.
Corporate Venture Capital (CVC) oder Corporate Venturing ist eine Sonderform des Venture Capital, die sich in einigen Punkten von der klassischen Beteiligung durch Venture Capital Investoren unterscheidet. In diesem Beitrag erklären wir den Begriff Corporate Venture Capital und die zugrundeliegende Interessenlage der Parteien und gehen auf die Besonderheiten des Corporate Venture Capital im Vergleich zur klassischen Beteiligung durch Venture Capital Gesellschaften ein.
Was sind Corporate Venture Capital Gesellschaften?
Corporate Venture Capital Gesellschaften sind Tochterunternehmen oder andere abhängige Einheiten eines großen Unternehmens oder Konzerns, die speziell dafür eingerichtet werden, um für ihre jeweiligen Muttergesellschaften Investments in junge, innovative und wachstumsstarke Unternehmen zu tätigen. Dabei verfolgen CVC Einheiten meist strategische Ziele und investieren in Geschäftsideen oder Technologien, die im Zusammenhang mit dem Kerngeschäft der Muttergesellschaft stehen.
Die Interessenlage der investierenden Unternehmen ist geprägt von hohem Wettbewerbs- und Innovationsdruck
Durch junge Unternehmen mit innovativen Geschäftsideen oder außergewöhnliche technische Erfindungen von Start-ups hat sich der Wettbewerbsdruck für Konzerne und etablierte Unternehmen auf dem Markt erhöht. Sie müssen Innovationen vorantreiben, um ihre Marktstellung zu behaupten und in Zukunft wettbewerbsfähig und profitabel zu bleiben.
Um diesem „Innovationsdruck″ standzuhalten, investieren etablierte Unternehmen vermehrt in Forschung und Entwicklung. Die dafür zuständigen unternehmensinternen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen sind jedoch wegen interner Verwaltungsstrukturen im Konzern und begrenzter finanzieller oder personeller Kapazitäten oft etwas schwerfällig. Daher sind sie häufig nicht in der Lage, neue Trends auf dem Markt schnell genug zu erkennen, aufzugreifen und für das Unternehmen gewinnbringend umzusetzen. Auch eine Abkehr von alten Projekten oder eine Fokussierung auf neue, risikoreichere Ideen erfolgt oft nur langsam und widerstrebend.
Um trotzdem ein Zurückfallen hinter andere Wettbewerber zu verhindern, investieren viele etablierte Unternehmen zusätzlich zur Tätigkeit der eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in erfolgversprechende Geschäftsideen von Gründern, Start-ups und jungen Unternehmen. Dies ermöglicht ihnen, die technischen Entwicklungen und Trends in Bezug auf neue Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle zu identifizieren, zu beobachten (window on technology) und bei Bedarf darauf zuzugreifen. Wegen ihrer flachen Strukturen und unkonventionellen Arbeitsweisen gelten Start-ups auf dem Markt als weitaus innovativer und schneller als unternehmensinterne Abteilungen.
Alternativen zu strategischer Beteiligung durch Corporate Venture Capital
Die CVC Beteiligung zeichnet sich ebenso wie eine konventionelle VC Beteiligung dadurch aus, dass das investierende Unternehmen als Gegenleistung für die Gewährung finanzieller Mittel Geschäftsanteile des jungen Unternehmens erwirbt. Die Alternativen zu einer solchen strategischen Beteiligung sind die Einrichtung und der Ausbau spezieller Entwicklungsabteilungen, der Zukauf von Innovationen durch Erwerb eines ganzen Unternehmens (Mergers & Acquisitions) oder die gemeinsame Forschung und Entwicklung mit anderen Akteuren mittels Kooperationsunternehmen (Joint Ventures).
Im Vergleich zu einem VC Investment kann bei diesen Alternativen jedoch ein höherer Investitionsaufwand auf das etablierte Unternehmen zukommen. Denn für eine Minderheitsbeteiligung an einer bloßen Geschäftsidee oder einem jungen, in der Gründung befindlichen Unternehmen, dessen Erfolg noch nicht absehbar ist, sind weniger finanzielle Mittel notwendig, als für den Kauf eines ganzen Unternehmens, das bereits eine bestimmte Technologie oder Geschäftsidee entwickelt hat. Der Aufbau konzerninterner Abteilungen ist oft ebenso zeitaufwendig wie kostspielig. Ein Kooperationsunternehmen kommt gerade dann nicht in Betracht, wenn die entwickelte Geschäftsidee oder Technologie mit keinem anderen Akteur auf dem Markt geteilt werden soll.
Der Hauptunterschied zu konventionellen VC Gesellschaften ist die Verfolgung strategischer Ziele
Konventionelle Venture Capital Gesellschaften sind meist als Fonds strukturiert, die das Geld seiner Anleger investieren und dabei ausschließlich finanzielle Interessen, nämlich die Maximierung der Rendite, verfolgen.
Bei CVC Gesellschaften wird das Kapital für die Investition durch die Muttergesellschaft als einzigem Geldgeber zur Verfügung gestellt und grundsätzlich eine entsprechende Rendite angestrebt. Bei der Auswahl des geeigneten Start-ups für eine Beteiligung stehen aber vor allem strategische Interessen der Muttergesellschaft im Vordergrund. Hierzu gehören beispielsweise ein Mehrwert, der sich aus Synergien zwischen der Muttergesellschaft und dem finanzierten Unternehmen ergibt, oder der Zugang zu interessanten Geschäftsmodellen oder Technologien, die das Geschäftsmodell oder die Produktpalette des investierenden Unternehmens ergänzt.
Strategische Investoren streben längerfristige Beteiligung an
Aufgrund der Fondsstruktur klassischer VC Gesellschaften ist das Investment dieser Gesellschaften auf einen Investitionszeitraum von drei bis sieben Jahren begrenzt. CVC Gesellschaften streben unter Umständen eine längerfristige Beteiligung an, je nachdem welche strategischen Interessen mit dem Investment verfolgt werden.
Unterschiede bei Beteiligungsphasen
Während konventionelle VC Gesellschaften in vielen unterschiedlichen Phasen (von der „Seed“ Phase bis zur „Later Stage“ Phase) investieren, tendieren CVC Gesellschaften dazu, sich an „Early Stage“ oder „Mid-Stage“ Unternehmen zu beteiligen. Denn gerade in diesen Phasen sind Zielunternehmen zugänglicher für die Beteiligung eines strategischen Investors. Sie versprechen sich Vorteile vom Zugang zu einem großen Kundenstamm des investierenden Unternehmens oder eine erhöhte Glaubwürdigkeit auf dem Markt durch die Assoziierung mit einem Konzern.
Kontrollintensität kann variieren
Klassische VC Gesellschaften zielen grundsätzlich auf eine starke Kontrolle ihres Investments ab. Sie wollen dem finanzierten Unternehmen zu schnellem Wachstum verhelfen und so eine hohe Rendite erzielen. Sie fordern meist einen Sitz in einem Kontrollorgan des finanzierten Unternehmens und arbeiten eng mit dessen Management zusammen, um einen möglichst großen Einfluss auf Unternehmensentscheidungen zu haben, die den Unternehmenswert beeinflussen können.
CVC Gesellschaften fungieren zwar auch als aktive Partner des finanzierten Unternehmens, ihnen reicht aber oft neben der Gesellschafterstellung eine Beobachterrolle im Kontrollorgan aus, da es ihnen nicht allein auf die Steigerung des Unternehmenswertes ankommt. Je nach verfolgtem strategischem Ziel fordern CVC Gesellschaften jedoch unter Umständen auch einen starken Einfluss auf grundlegende Unternehmensentscheidungen.
Beim Corporate Venture Capital besteht eine große Anzahl möglicher Exit-Szenarien
Da ein konventioneller VC Investor einen Ausstieg (Exit) mit möglichst hohen finanziellen Renditen (von mindestens 20%) anstrebt, kommen für ihn nicht alle denkbaren Exit-Szenarien in Betracht. Solange ein Verkauf der Geschäftsanteile (trade sale) oder ein Börsengang (IPO) keine angemessene Rendite verspricht, wird sich der VC Investor daran nicht beteiligen und schlimmstenfalls den Verkauf oder IPO blockieren.
Weil CVC Gesellschaften und ihre Mutterunternehmen im Gegensatz dazu aus einem Investment auf unterschiedliche Weise Werte ziehen können, sind sie auch für eine Vielzahl denkbarer Ausstiegsszenarien offen. Für Sie kommt oft auch der Erwerb des finanzierten Unternehmens, eine Zusammenarbeit mit dem finanzierten Unternehmen als Hauptzulieferer oder Erstausrüster der Muttergesellschaft, die Schaffung eines Vertriebswegs für zusätzliche Produktverkäufe der Muttergesellschaft oder eine Produktintegrierung, die den Absatz des investierenden Unternehmens steigert, in Betracht.
Inkubator- und Accelerator-Programme als besondere Formen des Corporate Venture Capital
Neben Investments durch extra dafür geschaffene CVC Einheiten haben etablierte Unternehmen noch einen anderen Weg gefunden, um junge Unternehmen zu fördern und sich dabei deren Innovationstätigkeit zu Nutze zu machen: Durch sogenannte Accelerator- und Inkubator-Programme, die sich speziell an Start-ups und junge Unternehmen in einer frühen Phase richten. Die Teilnehmer solcher Programme werden von den Unternehmen nach bestimmten Kriterien ausgewählt, nachdem sich die Gründer hierfür beworben und ihre Geschäftsidee vorgestellt haben (Pitch).
Ein Inkubator-Programm richtet sich an Start-ups im Anfangsstadium, deren Geschäftsidee noch nicht ausgereift ist. Ziel des Programmes ist die Entwicklung und Ausreifung einer erfolgversprechenden Geschäftsidee. Dazu bekommt das Start-up Unterstützung vom etablierten Unternehmen durch Zurverfügungstellung von Kapital, Infrastruktur und Mentoring. Es wird eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen und den Gründern angestrebt. Im Gegenzug erhält das investierende Unternehmen eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an dem Start-up.
Ziel eines Accelerator-Programmes ist die Fertigstellung eines marktreifen Produktes, das anderen Investoren vorgestellt werden kann. Hierzu erhält ein Start-up, das bereits eine ausgereifte Geschäftsidee besitzt, Unterstützung von einem etablierten Unternehmen durch Zurverfügungstellung von Kapital, Infrastruktur und Mentoring. Als Gegenleistung erhält das investierende Unternehmen wiederum eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an dem Start-up. Im Vergleich zu Inkubator-Programmen ist die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Gründern bei Accelerator-Programmen aber weniger intensiv.
Steigende Anzahl von Corporate Venture Capital Einheiten in Deutschland
Die meisten der größten deutschen Unternehmen und Konzerne beteiligen sich bereits als strategische Investoren an jungen, innovativen Unternehmen. Besonders in Branchen mit hohem Innovationsdruck, wie z.B. der Automobilindustrie oder der Medienbranche, ist die Anzahl der CVC Gesellschaften in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Corporate Venture Capital wird auch zukünftig eine erfolgreiche Investmentstrategie großer Konzerne und etablierter Unternehmen darstellen und sich noch weiter auf bisher unberührte Branchen ausdehnen.
Dies ist ein Beitrag aus unserer Blogserie „Venture Capital Basics“. Auch die verschiedenen Arten von Venture Capital Investoren haben wir bereits beleuchtet. Weitere Beiträge folgen.