18. November 2015
Mindestlohnregelung, Vergabeverfahren, Vergaberecht
Vergaberecht

EuGH zur Mindestlohnregelung bei Vergabeverfahren

Die Mindestlohnregelung in Vergabeverfahren sichert ein Mindestmaß an sozialem Schutz. Eine bundesweite Regelung zum Mindestlohn reicht hierfür jedoch aus.

In zahlreichen Bundesländern wurden Vorschriften eingeführt, die von Unternehmen, die sich um die Vergabe eines öffentlichen Auftrags bewerben, die Abgabe einer Erklärung verlangen, dass sie einen bestimmten Mindestlohn zahlen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat diese Vorschriften für mit EU-Recht vereinbar erklärt – jedenfalls, solange (noch) kein allgemeiner Mindestlohn gilt.

Bewerber im Vergabeverfahren müssen Mindestlohn zusichern

Gegenstand des Rechtsstreits war das Landestariftreuegesetz (LTTG) von Rheinland-Pfalz. Das LTTG sieht – wie auch das Vergaberecht in anderen Bundesländern – einen Mindestlohn vor. Bewerber um Aufträge der öffentlichen Hand müssen schriftlich erklären, dass sie den spezifisch für die Vergabe öffentlicher Aufträge vorgegebenen Mindestlohn einhalten und auch Nachunternehmer entsprechend verpflichten.

In dem vorliegenden Fall ging es um eine Ausschreibung von Postdienstleistungen. Die Antragstellerin in dem Ausgangsverfahren war vom Vergabeverfahren ausgeschlossen worden, weil sie sich weigerte, eine entsprechende Erklärung abzugeben. Das OLG Koblenz hatte die Angelegenheit dem EuGH vorgelegt, da es Zweifel an Vereinbarkeit des LTTG mit dem europäischen Recht hatte.

Verpflichtung zur Einhaltung des Mindestlohns im Vergabeverfahren ist EU-rechtskonform

Diese Zweifel teilt der EuGH nicht. Mit seinem Urteil vom 17. November 2015 stellt er fest, dass die Anforderung, dass sich Bieter in Verfahren über die Vergabe öffentlicher Aufträge zur Einhaltung eines Mindestlohns verpflichten, mit der Vergabekoordinierungsrichtlinie (2004/18/EG) vereinbar sind und Bewerber, die keine solche Verpflichtungserklärung abgeben, vom Verfahren ausgeschlossen werden dürfen. Damit folgt der EuGH den Anträgen des Generalanwalts.

Diese Tendenz hatte sich bereits mit dem Urteil des EuGH vom 18. September 2014 angekündigt. Zwar hatte der EuGH mit dieser Entscheidung die Forderung eines Mindestlohns beanstandet. In der Begründung wurde jedoch betont, dass in diesem Fall der Mindestlohn im Hinblick auf einen polnischen Nachunternehmer gefordert worden sei und das verlangte Mindestentgelt keinen Bezug zu den Lebenshaltungskosten in Polen aufweise.

Bereits diese Begründung verwunderte, da der EuGH im Jahr 2008 in der Rechtssache „Rüffert“ (C-346/06) festgestellt hatte, dass eine Mindestlohnregelung, die nur Arbeitnehmer im Rahmen öffentlicher Aufträge schützt, nicht aber Arbeitnehmer im privaten Markt, nicht geeignet sei, den angestrebten Arbeitnehmerschutz zu gewährleisten.

Mindestlohnregelung zur Sicherung eines sozialen Schutzes

In dem nun ergangenen Urteil weicht der Gerichtshof von dieser Linie aus der Rüffert-Rechtsprechung ab. Ausgangspunkt seiner Argumentation ist, dass im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zusätzliche Anforderungen gestellt werden können, die dem Ziel des Arbeitnehmerschutzes dienen.

Die Abweichung von der Entscheidung in der Rechtssache Rüffert begründet der EuGH insbesondere damit, dass in dem damaligen Fall auf einen Tarifvertrag Bezug genommen wurde, der ein Lohnniveau festlegte, das den für die betreffende Branche geltenden Mindestlohn überschritt.

Im Unterschied hierzu wurde in der nun betroffenen Regelung des Landesvergaberechts ein Mindestlohn direkt festgelegt, der grundsätzlich allgemein und branchenunabhängig für die Vergabe aller öffentlichen Aufträge in dem betreffenden Bundesland gilt. Die Rechtfertigung für die zusätzliche Anforderung an die Bewerber um den Auftrag sieht der EuGH darin, dass mit dieser Mindestlohnregelung ein Mindestmaß an sozialem Schutz gewährt werde, da in dem im Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitraum für die betroffene Branche kein Mindestlohn galt.

Neben bundesweit geltendem Mindestlohn ist kein Raum für Regelungen in Landesvergaberecht

Mit dieser Begründung rechtfertigt der EuGH die Mindestlohnforderung im Landesvergaberecht und setzt ihr zugleich Grenzen.

Inzwischen gilt in Deutschland ein bundesweiter Mindestlohn. Damit ist ein sozialer Mindeststandard sichergestellt und die Rechtfertigung für eine Landesregelung im Vergaberecht entfällt. Diese könnte allenfalls damit gerechtfertigt werden, dass in dem betreffenden Bundesland ein höherer Mindestlohn im Interesse der sozialen Gerechtigkeit notwendig ist. Dies dürfte kaum begründbar sein. Spätestens mit Einführung des allgemeinen bundesweiten Mindestlohns durch das Mindestlohngesetz (MiLoG) vom 11. August 2014 ist die Aufrechterhaltung oder Einführung höherer Mindestentgelte für Arbeitnehmer im Vergaberecht nicht (mehr) mit EU-Recht vereinbar.

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