6. September 2021
Vergabe Drittstaatsubvention
Vergaberecht

Vergaberecht: EU plant Ausschlussmöglichkeit für drittstaatsubventionierte Unternehmen

Für Vergabeverfahren ab einem Auftragswert von EUR 250 Mio. soll nach einem aktuellen Verordnungsentwurf ein Prüfungsverfahren verpflichtend werden

Vielen europäischen Unternehmen ist es ein Dorn im Auge, dass Konkurrenten aus Staaten außerhalb des EU-Binnenmarktes staatlich subventioniert werden und deshalb wirtschaftliche Vorteile im Kampf um Marktanteile in der EU haben. Es ist kein Geheimnis, dass sich der Zorn der Unternehmen dabei besonders häufig gegen die Konkurrenz aus China richtet. Laut dem Impact Assessment Report der EU-Kommission ist China das Drittland, das Unternehmen besonders häufig subventioniert. Da sich das EU-Beihilferecht nur gegen von EU-Mitgliedstaaten gewährte Subventionen richtet und daher gegen Subventionen aus Drittstaaten ins Leere geht, soll mit der geplanten Verordnung (Proposal for a REGULATION OF THE EUROPEAN PARLIAMENT AND OF THE COUNCIL on foreign subsidies distorting the internal market vom 5. Mai 2021 – Foreign Subsidies Regulation (FRS)) eine regulatorische Lücke geschlossen werden. Der Verordnungsentwurf sieht vor, dass wettbewerbsverzerrende Drittstaatsubventionen unmittelbar von der EU-Kommission bekämpft werden können. Dazu soll ein System etabliert werden, das neben das Kartell-, Beihilfen-, Außenwirtschafts- und Vergaberecht tritt. 

Während die Auswirkungen der geplanten Verordnung auf Fusionen bereits auf größeres Interesse gestoßen sind, sind die für Vergabeverfahren geplanten Maßnahmen bislang vorwiegend am Rande gewürdigt worden. Im nachfolgenden Beitrag wird daher der Schwerpunkt auf vergaberechtliche Neuerungen gelegt, um vor allem am Vergaberecht interessierten Lesern einen schnellen Überblick zu ermöglichen.

Verzerrung von Vergabeverfahren durch drittstaatliche Subventionen soll vermieden werden

Drittstaatliche Subventionen können ein Vergabeverfahren verzerren, wenn sie Unternehmen in die Lage versetzen, ungerechtfertigt günstige Angebote einzureichen. Um dieser Problematik zu begegnen, sieht der Verordnungsentwurf unter bestimmten Voraussetzungen eine Prüfung der abgegebenen Angebote durch die EU-Kommission vor.

Der Anwendungsbereich der geplanten Verordnung erfasst alle vom EU-Vergaberecht erfassten Verfahren für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, also für Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge sowie Bau- und Dienstleistungskonzessionen. Ausgenommen sind verteidigungs- und sicherheitsrelevante Aufträge.

Prüfungsverfahren für Vergabeverfahren ab einem Auftragswert von EUR 250 Mio.

Unterhalb dieses Schwellenwerts besteht keine Meldepflicht für Unternehmen, die Kommission kann aber von Amts wegen eine Prüfung einleiten und die Meldung etwaiger drittstaatlicher Subventionen verlangen. Besteht eine Meldepflicht, müssen Unternehmen dem Auftraggeber bei der Einreichung ihres Angebots oder Teilnahmeantrags alle in den letzten drei Jahren erhaltenen drittstaatlichen Subventionen im Wege einer Notifizierung mitteilen. Die Notifizierungspflicht gilt auch für wichtige Unterauftragnehmer und Lieferanten. Als „wichtig″ gelten Unterauftragnehmer und Lieferanten, wenn der Anteil ihres Beitrags 30 % des geschätzten Auftragswerts übersteigt. Haben Unternehmen in den letzten drei Jahren keine derartigen Subventionen erhalten, ist dies in einer Erklärung zu bestätigen. Unternehmen, die weder die erforderlichen Angaben noch eine Erklärung vorlegen, dürfen den Zuschlag nicht erhalten. 

Der Auftraggeber soll die Meldung unverzüglich zur Prüfung an die Kommission weiterleiten. Versäumen Unternehmen die Meldung oder unterbleibt die Weiterleitung, kann die Kommission auf eigene Initiative eine Prüfung einleiten. 

Keine Vergabe an drittstaatsubventioniertes Unternehmen während des Prüfungsverfahrens

Nach Eingang der Meldung führt die Kommission zunächst eine Vorprüfung durch. Hierfür steht ihr ein Zeitraum von maximal 60 Tagen zur Verfügung. Während dieser Frist darf das Vergabeverfahren fortgesetzt, der Auftrag darf aber noch nicht vergeben werden. 

Innerhalb der Frist für die Vorprüfung entscheidet die Kommission über die Einleitung einer eingehenden Prüfung. Hält sie eine eingehende Prüfung für erforderlich, ist diese im Regelfall innerhalb von 200 Tagen nach Eingang der Meldung abzuschließen. Solange die Prüfung andauert, darf der Auftrag nicht an ein Unternehmen vergeben werden, das drittstaatliche Subventionen erhalten hat. An ein Unternehmen, das erklärt hat, keine derartigen Subventionen erhalten zu haben, darf der Auftrag dagegen schon vor Abschluss der eingehenden Prüfung vergeben werden, wenn das betreffende Unternehmen nach der Angebotswertung in jedem Fall („in any case″) das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat. 

Am Ende der eingehenden Prüfung kann die Kommission

  • einen Verpflichtungsbeschluss erlassen, wenn ein Unternehmen von wettbewerbsverzerrenden drittstaatlichen Subventionen profitiert, aber Verpflichtungen anbietet, die diese Verzerrungen beseitigen;
  • die Vergabe des Auftrags an ein Unternehmen untersagen, wenn dieses keine Verpflichtungen anbietet oder die Verzerrung dadurch nicht beseitigt werden kann;
  • beschließen, keine Einwände zu erheben. 

Nach Abschluss der Prüfung kann der Auftrag auch an ein Unternehmen vergeben werden, das den Erhalt drittstaatlicher Subventionen gemeldet hatte, sofern die Vergabe nicht untersagt wurde. 

Bei Verstößen gegen die Meldepflicht drohen den betroffenen Unternehmen Geldbußen. Im Fall unrichtiger oder irreführender Angabe kann sich die Geldbuße auf bis zu 1 % des Gesamtumsatzes belaufen, bei Nichtangabe von Subventionen auf bis zu 10 % des Gesamtumsatzes. 

Sinnvolles Verfahren trotz Beeinträchtigung von Vergabeverfahren

Würde der Entwurf wie vorgelegt verabschiedet werden, stünde der Kommission zumindest bei größeren Ausschreibungen ein scharfes Schwert zur Verhinderung des Zuschlags an Bieter, die wettbewerbsverzerrende Drittstaatsubventionen erhalten, zur Verfügung. Das zur Überprüfung vorgeschlagene Verfahren ist zwar recht schwerfällig und dürfte den Ablauf der betroffenen Vergabeverfahren nicht unerheblich beeinträchtigen. Gleichwohl erscheint es sinnvoll, das Vorliegen wettbewerbsverzerrender Drittstaatsubventionen durch die EU-Kommission prüfen zu lassen, da die einzelnen Auftraggeber damit in der Regel überfordert sein dürften. Dass die Kommission es mit dem Kampf gegen wettbewerbsverzerrende Drittstaatsubventionen ernst meint, zeigt nicht zuletzt der Umstand, dass sie für die Durchsetzung der Verordnung 145 Vollzeitstellen einrichten will. 

Viele Unternehmen und auch Auftraggeber werden den Auftragswert von EUR 250 Mio. für zu hoch halten, weil so bei den meisten Vergabeverfahren weiterhin keine Möglichkeit bestünde, drittstaatsubventionierte Bieter auszuschließen. Gleichwohl ist zu erwarten, dass China die EU-Verordnung als Angriff auf die eigene Wirtschaft verstehen und mit Gegenmaßnahmen reagieren würde. Es bleibt daher abzuwarten, ob die anderen Organe der EU dem Vorschlag der EU-Kommission in vollem Umfang folgen werden.

Tags: Drittstaatsubventionen Vergabeverfahren