23. Juli 2018
Insolvenzantrag Insolvenzeröffnungsverfahren
Restrukturierung und Insolvenz

Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnungsverfahren – wie läuft das ab?

Mit Eingang des Insolvenzantrags am Insolvenzgericht beginnt das sogenannte Insolvenzeröffnungsverfahren. Doch wie sehen Antrag und Eröffnungsverfahren aus?

Der Insolvenzantrag leitet das sogenannte Insolvenzeröffnungsverfahren ein. Darin wird geprüft, ob die Voraussetzungen zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens vorliegen. Es endet mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse. Dieser Beitrag soll einen Überblick über die Antragstellung und den Ablauf des Insolvenzeröffnungsverfahrens geben.

Insolvenzantrag

Das Insolvenzeröffnungsverfahren wird ausschließlich durch die Einreichung des schriftlichen Insolvenzantrags beim zuständigen Insolvenzgericht eingeleitet. Eine Einleitung durch das Insolvenzgericht von Amts wegen kommt nicht in Betracht. Es handelt sich um ein sogenanntes Antragsverfahren. Antragsberechtigt sind der Schuldner und auch dessen Gläubiger.

Eigenantrag des Schuldners

Mit dem Insolvenzantrag erklärt ein Schuldner, dass er entweder nicht über genügend liquide Mittel verfügt, um die fälligen Forderungen seiner Gläubiger bedienen zu können (Zahlungsunfähigkeit) oder, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um die Verbindlichkeiten zu decken (Überschuldung).

Grundsätzlich ermöglicht das Gesetz Schuldnern eine relativ einfache Antragstellung, stellt jedoch je nach Umfang des Geschäftsbetriebs auch Anforderungen in Form von Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners. Der Schuldner muss seinem Insolvenzantrag deshalb etwa ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beifügen. Hat der Schuldner einen laufenden Geschäftsbetrieb, sollen die höchsten Forderungen oder z.B. die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung besonders kenntlich gemacht werden. Unter bestimmten Voraussetzungen sind diese Angaben für den Schuldner zwingend, etwa wenn Eigenverwaltung beantragt wird. Zudem sind bei laufendem Geschäftsbetrieb noch weitere Angaben zu machen, etwa zur Bilanzsumme und zu den Umsatzerlösen des vorangegangenen Geschäftsjahres.

Der Schuldner muss dem Insolvenzantrag daneben noch eine Erklärung beifügen, dass die gemachten Angaben richtig und vollständig sind. Der Schuldner kann seinen Insolvenzantrag auf verschiedene Insolvenzgründe stützen, wie auf Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), Überschuldung (§ 19 InsO) oder auf drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO).

Bei Kapital- und Personengesellschaften ist jedes Mitglied des Vertretungsorgans antragsberechtigt; bei Personengesellschaften auch jeder persönlich haftende Gesellschafter. Bei Führungslosigkeit der juristischen Person ist auch jeder Gesellschafter und jedes Mitglied des Aufsichtsrates zur Antragstellung berechtigt.

Achtung: Haftungsrisiken

Bei juristischen Personen und Personengesellschaften, an denen keine natürliche Person beteiligt ist, besteht für die Mitglieder des Vertretungsorgans eine Antragspflicht (§ 15a Abs. 1 InsO), wenn Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegen. Besteht die Geschäftsführung oder der Vorstand aus mehreren Mitgliedern, unterliegt jedes Mitglied dieser Pflicht.

Der Antrag muss ohne schuldhaftes Zögern, spätestens jedoch drei Wochen nach Eintritt des Insolvenzgrundes gestellt werden. Ein Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht kann sowohl zu einer zivilrechtlichen Haftung als auch zu einer Strafbarkeit führen.

Insolvenzantrag eines Gläubigers

Auch Gläubiger können einen Insolvenzantrag stellen. Gläubiger müssen zwar keine Forderungs- und Gläubigerverzeichnisse vorlegen und umfangreiche Angaben zum Geschäftsbetrieb des Schuldners machen – häufig können sie dies auch gar nicht –, allerdings müssen Gläubiger sowohl die eigene Forderung als auch den Eröffnungsgrund, also die eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Schuldners glaubhaft machen. Zudem müssen sie darlegen, dass sie ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben. Diese Glaubhaftmachung stellt regelmäßig eine hohe Hürde dar.

Insolvenzeröffnungsverfahren

Der Zeitraum zwischen Antragstellung und Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird als Insolvenzeröffnungsverfahren oder auch vorläufiges Insolvenzverfahren bezeichnet und dient der Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegen. In der Praxis beträgt dieser Zeitraum häufig drei Monate aufgrund des Zusammenspiels mit der Vorfinanzierung des sogenannten Insolvenzausfallgelds.

Prüfung durch das Gericht und Anordnung vorläufiger Maßnahmen

Liegt ein Antrag vor, hat das Gericht zu prüfen, ob die verfahrensrechtlichen Vorschriften gewahrt sind (Zulässigkeit des Antrags), ob ein Insolvenzgrund vorliegt und ob die Masse voraussichtlich ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Dazu ermittelt das Insolvenzgericht von Amts wegen alle Umstände, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Es gilt der sogenannte Amtsermittlungsgrundsatz.

Stellt sich bei Abschluss der Ermittlungen heraus, dass ein Insolvenzgrund vorliegt und die Kosten des Verfahrens gedeckt sind, wird das Gericht die Eröffnung des Verfahrens beschließen (§ 27 InsO). Reicht das verfügbare Vermögen des Schuldners, die sogenannte Insolvenzmasse, aber hierzu nicht aus, weist das Gericht den Insolvenzantrag mangels Masse ab (§ 26 InsO).

Gutachten eines Sachverständigen zum Vorliegen eines Insolvenzgrundes

Um herauszufinden, ob ein Insolvenzgrund vorliegt, bedient sich das Gericht regelmäßig der Hilfe eines Sachverständigen, der meistens zugleich auch der sogenannte vorläufige Insolvenzverwalter ist. Der Sachverständige arbeitet sich in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners ein, wobei der Schuldner Auskunfts- und Mitwirkungspflichten hat. In einem Gutachten legt der Sachverständige zum Abschluss seiner Ermittlungen dem Gericht dar, ob die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorliegen.

Mögliche Sicherungsmaßnahmen im Insolvenzeröffnungsverfahren

In diesem Zeitraum sind vor allem die sogenannten Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO von großer praktischer Relevanz, die eine Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners verhindern sollen, solange das Verfahren noch nicht eröffnet werden kann.

Vorläufiger Insolvenzverwalter

Die wohl häufigste Sicherungsmaßnahme des Gerichts ist die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters. Dieser kann entweder als sogenannter „starker“ Insolvenzverwalter die Verfügungsbefugnis des Schuldners übertragen bekommen, also anstelle des Schuldners dazu berechtigt sein, Rechte des Schuldners zu übertragen oder Verträge abzuschließen und durchzuführen. Diese weit reichende Befugnis bereits im vorläufigen Verfahren ist nicht nur ein starker Einschnitt für den Schuldner, sondern birgt auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht unerhebliche Haftungsrisiken und ist deshalb praktisch die Ausnahme.

In aller Regel erfolgt die Bestellung als sogenannter „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter. In diesem Fall behält der Schuldner seine Verfügungsbefugnis. Allerdings unterliegen Verfügungen dem Zustimmungsvorbehalt des Insolvenzverwalters. Die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters kann sowohl als vorherige Einwilligung als auch als nachträgliche Genehmigung vorliegen. Ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters sind Verfügungen (schwebend) unwirksam. Zwar können Verpflichtungsgeschäfte weiterhin wirksam eingegangen werden. Dies ist in der Praxis allerdings wenig hilfreich, da der Gläubiger im Zweifel nachweisen muss, dass die Zustimmung des Verwalters vorlag. Es ist daher empfehlenswert, auch Verpflichtungsgeschäfte im Insolvenzeröffnungsverfahren nur mit Zustimmung des Insolvenzverwalters einzugehen.

Weitere vorläufige Maßnahmen

Weitere vorläufige Maßnahmen können zum Beispiel die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses oder ein Vollstreckungsverbot jeglicher Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sein. Auch kann eine Postsperre angeordnet werden. Regelmäßig wird auch angeordnet, dass Zahlungen von Dritten an den vorläufigen Insolvenzverwalter gerichtet werden müssen, um befreiende Wirkung zu haben. Das Gericht hat hier einen gewissen Gestaltungsspielraum. Die gerichtlichen Maßnahmen müssen stets dazu dienen, eine Verschlechterung der Vermögenslage zu verhindern und dadurch die Gläubiger zu schützen.

Das Insolvenzeröffnungsverfahren kann auch dazu genutzt werden, einen Insolvenzplan auszuarbeiten, der häufig, aber nicht zwingend, eine Sanierung des Unternehmens bezweckt. Einen Sonderfall des Insolvenzeröffnungsverfahrens stellen die vorläufige Eigenverwaltung (§ 270a InsO) und das sogenannte Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO) dar. Bei Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung bleibt der Schuldner auch im Insolvenzeröffnungsverfahren im „Driver Seat“ und es wird lediglich ein vorläufiger Sachwalter und kein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Das Schutzschirmverfahren, das nur offen steht, wenn noch keine Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, dient der Vorbereitung einer Sanierung. Der Schuldner kann hier einen Sachwalter selbst vorschlagen und einen Insolvenzplan erarbeiten. Details zu diesen Verfahren erläutern wir in einem unserer nächsten Beiträge.

Fazit: Weichenstellung im Insolvenzeröffnungsverfahren

Die Antragstellung als einleitender Akt eines Insolvenzeröffnungsverfahrens gibt den Anstoß für ein späteres Insolvenzverfahren. Insbesondere Vorstände und Geschäftsführer müssen sich im Hinblick auf die drohende Haftung bei einer Verletzung der Insolvenzantragspflicht über den Eintritt eines Insolvenzgrundes im Klaren sein und deshalb die finanzielle Situation stets sorgfältig im Blick haben. Hierzu muss gegebenenfalls fachkundiger Rat eines Dritten eingeholt werden.

Im Insolvenzeröffnungsverfahren werden zumeist bereits die entscheidenden Weichen für das nachfolgende Insolvenzverfahren gestellt. Oft entscheidet sich, ob eine Fortführung des Unternehmens möglich ist, oder dieses stillgelegt und abgewickelt werden muss. Damit verbunden sind häufig hohe Anforderungen an das Management und eine enge Abstimmung mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter, damit eine schnelle Entscheidungsfindung möglich ist. Obwohl die eigentlichen Wirkungen des Insolvenzverfahrens erst mit dessen Eröffnung eintreten, wird das Interesse der Gläubiger an einer bestmöglichen Befriedigung ihrer Forderungen bereits im vorläufigen Insolvenzverfahren geschützt.

Unsere Beitragsreihe informiert rund um die Restrukturierung eines Unternehmens innerhalb und außerhalb einer Insolvenz. Den Auftakt machte eine Einführung in die Unternehmensinsolvenz und -restrukturierung. In den folgenden Beiträgen beleuchteten wir die Haftung von Geschäftsführern bei Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung sowie das Insolvenzgeld und die Insolvenzgeldvorfinanzierung in der Praxis. Des Weiteren widmeten wir uns der Reform zum neuen Insolvenzanfechtungsrecht, der Insolvenzantragspflicht und den Insolvenzgründen für Unternehmen. Anschließend berichteten wir über die Entscheidung des EuGH zum Beihilfecharakter der Sanierungsklausel sowie die Vorverlagerung des Zeitpunkts der Zahlungsunfähigkeit. Daraufhin setzten wir uns mit dem Ablauf des Insolvenzantrags und des Insolvenzeröffnungsverfahrens und dem Insolvenzantrag durch Gläubiger auseinander. Danach wurde die Insolvenzforderung vs. MasseforderungVerkürzung des Schutzes durch D&O – Versicherungen und Forderungen und Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz betrachtet. Weiter erschienen Beiträge zum Insolvenzantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit – Entmachtung des Gesellschafters oder Haftungsfalle für die Geschäftsführung, zu Gläubigerrechten in der Krise oder Insolvenz des Schuldners, zu Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung sowie zu Pensionsansprüchen des beherrschenden GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers in der GmbH-Insolvenz. Es folgten Beiträge zum Schutz vor der Insolvenzanfechtung durch Bargeschäfte und der Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne. Anschließend erschien ein Beitrag zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters sowie Beiträge zum fehlenden Fiskusprivileg in der vorläufigen Eigenverwaltung, der ESUG Evaluation und zur Mindestbesteuerung in der Insolvenz. Auch erschienen Beiträge zur Aufrechnung in der Insolvenz, zu Aus- und Absonderungsrechten und zum Insolvenzplanverfahren sowie zum Lieferantenpool. Weiter haben wir zu Folgen und Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, über das Konzerninsolvenzrecht und die Treuepflichten in der Krise sowie Cash Pooling als Finanzierungsinstrument im Konzern berichtet. Zuletzt klärten wir über die Haftung von Geschäftsführern und Vorständen für Zahlungen in der Krise, über das  französische Insolvenzverfahren, die Procédure de Sauvegarde und Sauvegarde financière accélérée, sowie die Forderungsanmeldung und Haftung von Geschäftsleitern für Verletzungen von Steuerpflichten auf. Ebenfalls zeigen wir die Grundlagen von Sanierungskonzepten und Sanierungsgutachten auf und gehen auf das Verhältnis von Kurzarbeiter- und Insolvenzgeld ein. Zuletzt haben wir uns mit dem Datenschutz im Asset-Deal beschäftigt.

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