Das LG Frankfurt a.M. gab in zwei Eilverfahren den sog. Auslistungsbegehren eines Betroffenen statt.
Der Löschungsanspruch gegen Suchmaschinen basiert auf dem Recht auf Vergessenwerden und ermöglicht es Personen, die Löschung von Links zu Informationen aus den Suchergebnissen von Suchmaschinen zu verlangen, wenn die Informationen unwahre Tatsachenbehauptungen enthalten oder das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen verletzen.
Das Landgericht Frankfurt a.M. hatte in zwei Eilverfahren über sog. Auslistungsbegehren gegen zwei Suchmaschinenbetreiber zu entscheiden. Der Betroffene verlangte von beiden Suchmaschinenbetreibern, einen Artikel eines Dritten (Inhalteanbieter) zu löschen, der bei der Eingabe seines Namens in den Suchergebnissen und im Vorschautext hierzu erschien (sog. Snippet). Der Betroffene hatte bereits zuvor gegen den Inhalteanbieter, der in den USA ansässig ist, eine einstweilige Verfügung erwirkt und beiden Suchmaschinenbetreibern die einstweilige Verfügung außergerichtlich mitgeteilt. Trotzdem wurden weder die Links zu dem Artikel noch die dazugehörigen Vorschautexte von den Suchmaschinenbetreibern gelöscht, so dass der Betroffene gerichtlich gegen beide Suchmaschinenbetreiber vorging und den Erlass von einstweiligen Verfügungen gegen beide Suchmaschinenbetreiber beantragte.
Da die einstweilige Verfügung des Betroffenen gegen den Inhalteanbieter mit Sitz in den USA zum Zeitpunkt der Entscheidungen des Landgerichts Frankfurt a.M. noch nicht zugestellt worden war, musste das Gericht sich im Rahmen des Verfahrens auch mit der Frage beschäftigen, ob eine wirksame Zustellung der einstweiligen Verfügung an den Inhalteanbieter Voraussetzung für die erfolgreiche gerichtliche Geltendmachung des Rechts auf Löschung des Betroffenen ist.
Suchmaschinenbetreiber sind zur Löschung verpflichtet
Das Landgericht Frankfurt a.M. hat im vorliegenden Fall zugunsten des Betroffenen und gegen die beiden Suchmaschinenbetreiber entschieden. Der Anspruch aus Löschung in Form der sog. Auslistung des Artikels des (dritten) Inhalteanbieters ergebe sich direkt aus Art. 17 Abs. 1 a) DSGVO i.V.m. Art. 7 und 8 GRCh.
Art. 17 Abs. 1 a) DSGVO regelt, dass der Betroffene gegen den Verantwortlichen (hier: die beiden Suchmaschinenbetreiber) das Recht hat, zu verlangen, dass seine personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht werden, wenn die personenbezogenen Daten für den Zweck, für den sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet werden, nicht mehr notwendig sind. Allerdings wird das Recht auf Löschung nicht grenzenlos gewährt: Es ist stets in Zusammenschau mit anderen Grundrechten zu sehen und muss unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden. Dies gilt nach Art. 17 Abs. 3 a) DSGVO für das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Information. Dies bedeutet faktisch, dass bei einem Löschungsersuchen in Form eines sog. Auslistungsbegehrens stets eine Interessenabwägung mit dem Recht auf Meinungsfreiheit des Inhalteanbieters und mit dem Recht auf Information der Öffentlichkeit stattfinden muss. Zugunsten des Suchmaschinenbetreibers ist nach der Rechtsprechung auch das Recht auf unternehmerische Freiheit aus Art. 16 GRCh einzubeziehen. Nur wenn das Recht auf Löschung im Einzelfall gegenüber den vorgenannten Rechten überwiegt, besteht ein Anspruch auf Löschung.
Das Landgericht Frankfurt a.M. stellt in den beiden vorliegenden Fällen darauf ab, dass nach der gegen den Inhalteanbieter erwirkten einstweiligen Verfügung der verlinkte Artikel und die darin enthaltenen Äußerungen über den Betroffenen eine Persönlichkeitsrechtsverletzung des Betroffenen darstellen würden. Die Datenverarbeitung durch beide Suchmaschinenbetreiber sei daher datenschutzrechtlich unrechtmäßig. Diese unrechtmäßige Datenverarbeitung könne für die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information nicht erforderlich sein.
Kein Nachweis der Zustellung an den Inhalteanbieter erforderlich
Das Gericht entschied, dass der Auslistungsanspruch nach Art. 17 DSGVO nicht voraussetze, dass die einstweilige Verfügung gegen den Inhalteanbieter diesem bereits zugestellt worden sei. Dies entspricht der Rechtsprechung des BGH: Der BGH hat entschieden, dass der Betroffene nicht verpflichtet ist, bereits im Vorfeld seines Auslistungsantrags überhaupt eine gerichtliche Entscheidung gegen den Inhalteanbieter zu erwirken. Hat der Betroffene eine solche gerichtliche Entscheidung erwirkt, gilt der Nachweis der „offensichtlichen Unrichtigkeit“ der in einer Publikation enthaltenen Aussagen als erbracht, wenn der Betroffene eine gegenüber dem Inhalteanbieter ergangene gerichtliche Entscheidung vorlegt, die auf der Feststellung beruht, dass in dem aufgelisteten Inhalt enthaltene Informationen, die im Hinblick auf den gesamten Inhalt nicht unbedeutend sind, zumindest auf den ersten Blick unrichtig sind (BGH, Urteil v. 23. Mai 2023 – VI ZR 476/18, Rn. 33, im Anschluss an EuGH, Urteil v. 8. Dezember 2022 – C-460/20). Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt a.M. ist insofern folgerichtig. Auf die reine Tatsache der Zustellung einer einstweiligen Verfügung gegen den Inhalteanbieter kann es daher nicht ankommen.
Gerichtliches Vorgehen gegen den Inhalteanbieter ist nicht Voraussetzung für die Geltendmachung eines Auslistungsbegehrens, erleichtert allerdings dessen Durchsetzung
Suchmaschinen müssen Artikel nur dann aus Trefferlisten löschen, wenn Angaben darin nachweislich falsch sind oder das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen. Aus Praxissicht ist festzuhalten, dass der Betroffene nicht verpflichtet ist, vor seinem Auslistungsbegehren gerichtlich gegen den Inhalteanbieter vorzugehen. Hat der Betroffene jedoch bereits eine gerichtliche Entscheidung gegen den Inhalteanbieter erwirkt, z.B. in Form einer einstweiligen Verfügung, erleichtert dies erheblich seine Rechtsdurchsetzung gegenüber Suchmaschinenbetreibern. Nach den Entscheidungen des Landgerichts Frankfurt a.M. ist es für den Erfolg eines Löschungsbegehrens nicht notwendig, dass die einstweilige Verfügung gegen den Inhalteanbieter bereits erfolgreich zugestellt wurde.
Geht der Betroffene (z.B. aus Zeit- und Kostengründen oder mangels „Erreichbarkeit″ des Inhalteanbieters) originär gegen Suchmaschinen vor, ist er verpflichtet, hinreichende Nachweise dafür vorzulegen, dass in den Suchmaschinen-Ergebnislisten verlinkte Artikel unwahre Tatsachenbehauptungen enthalten oder sein Persönlichkeitsrecht verletzten. Welche Nachweise erforderlich sind, entscheiden die Instanzgerichte jeweils im Einzelfall. Die Hürden hängen hier eher hoch.
Die Beschlüsse des Landgerichts Frankfurt a.M. bringen nur in Teilen Rechtsklarheit. Mit einer Vielzahl weiterer Entscheidungen zum Recht auf Vergessenwerden ist daher zu rechnen.
Das Recht auf Löschung nach Art. 17 DGSVO ist in diesem Jahr Gegenstand der koordinierten Aktion der Datenschutzbehörden des EDSA (Europäischer Datenschutzausschuss). Mehr dazu erfahren Sie hier in unserem Blog: Art. 17 DSGVO in der nächsten koordinierten Aktion des EDSA.