AGG-Hoppern geht es nicht um eine tatsächliche Anstellung, sondern um Geld. Der EuGH soll nun klären, ob AGG-Hoppern Entschädigungsansprüche zustehen.
Immer wieder beschäftigen sog. „AGG-Hopper″ die Arbeitsgerichte. Anlass sind missbräuchliche Entschädigungsklagen, die darauf gestützt werden, dass der Bewerber angeblich vom Arbeitgeber diskriminiert wurde.
Hintergrund des „AGG-Hoppings″ sind Vorschriften im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), die diskriminierten Bewerbern einen Anspruch auf Entschädigung zusichern (§ 15 AGG). Die Entschädigungshöhe richtet sich dabei nach dem aufgrund der Ablehnung der Bewerbung „verpassten″ Monatsgehalt.
Entschädigungsanspruch kann rechtsmissbräuchlich sein
Wer sich aber nur deshalb auf eine Stellenausschreibung hin bewirbt, um eine Absage zu erhalten und den Arbeitgeber dann auf Entschädigung verklagen zu können, bewirbt sich nicht mit dem tatsächlichen Willen, die Stelle anzutreten und wird daher nicht diskriminiert. In diesem Fall von „AGG-Hopping“ kann nach Ansicht des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG) eine rechtsmissbräuchliche Entschädigungsforderung vorliegen.
Frage soll EuGH anhand von Unionsrecht beantworten
Der Achte Senat des BAG hat dieser Fragestellung dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Konkret soll geklärt werden, ob das Unionsrecht „AGG-Hopping“ missbilligt, indem es dahingehend auszulegen ist, dass
auch derjenige ‚Zugang zur Beschäftigung oder zur abhängigen Erwerbstätigkeit’ sucht, aus dessen Bewerbung hervorgeht, dass nicht eine Einstellung und Beschäftigung, sondern nur der Status als Bewerber erreicht werden soll, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können.
Das AGG geht auf europarechtliche Richtlinien zurück und kann daher hinsichtlich der konkreten Auslegung durch den EuGH überprüft werden.
Kläger hatte sich für Trainee-Programm bei Versicherung beworben
Dem Vorabentscheidungsersuchen des BAG liegt der folgende „typische AGG-Hopping″- Fall zugrunde: Der zum Bewerbungszeitpunkt bereits seit vielen Jahren als Rechtsanwalt zugelassene Kläger bewarb sich für ein Trainee-Programm bei der Beklagten. Diese hatte als Anforderung u.a. einen nicht länger als ein Jahr zurückliegenden oder demnächst erfolgenden sehr guten Hochschulabschluss erwünscht. Nach der Ablehnung seiner Bewerbung verlangte der Kläger eine Entschädigung gem. § 15 AGG i.H.v. 14.000,00 Euro. Er war der Ansicht, aufgrund seines Alters diskriminiert worden zu sein.
BAG geht von Scheinbewerbung aus
Aufgrund der Bewerbungsformulierung und des weiteren Verhaltens ging das BAG davon aus, dass sich der Kläger nicht mit dem Ziel einer Einstellung beworben hat sondern tatsächlich nur die Entschädigung abkassieren wollte. Damit sei der Kläger nach nicht „Bewerber“ und „Beschäftigter“ i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG.
Das Europarecht nennt jedoch in den einschlägigen Richtlinien nicht den „Bewerber“, sondern schützt den „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger und selbständiger Erwerbstätigkeit“. Nicht geklärt ist, ob dies ebenfalls voraussetzt, dass wirklich und ernsthaft der Zugang zur Beschäftigung gesucht wird und eine erfolgreiche Einstellung bei dem Arbeitgeber tatsächlich gewollt ist. Ob für das Eingreifen des europarechtlichen Schutzes das Vorliegen einer rein formalen Bewerbung (und damit auch einer Scheinbewerbung) genügt, muss nun der EuGH entscheiden.
Vielleicht sollte man vorher erst einmal klären, wann denn tatsächlich eine „Scheinbewerbung“ vorliegt. Nach meinem Verständnis ist das BAG eine Revisionsinstanz, so dass es gar keine Feststellungen dahingehend treffen kann, ob eine Bewerbung nur zum Schein erfolgt ist oder eben nicht.
Im Nachgnag überhaupt von einer Scheinbewerbung zu sprechen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Es wäre einmal an der Zeit, etwas gegen „Schein-Stellenausschreibungen“ zu unternehmen. Denn damit werden Bewerber über das Bestehen einer Stelle getäuscht. Bin gespannt, wie es weiter geht. Der EuGH ist ja immer wieder für eine Überraschung gut. Vielleicht schifft einmal mehr um die gestellte Frage herum. Befriedigend beantworten kann man diese Frage nicht.
Irgendwie wird hier die Zielrichtung des Gesetzes auf den Kopf gestellt. Ziel ist es doch, diejenigen abzustrafen, die diskriminieren. Verfolgt man die öffentliche Diskussion in unserem Lande, dann gewinnt man den Eindruck, als ob alles erdenklich Mögliche getan wird, um die Verfolgung von Diskriminierern zu erschweren. Ein Arbeitgeber, der seine Einstellung von einem Diskriminierungsmerkmal abhängig macht, sollte sich einmal überlegen, ob er im Unionsgebiet richtig ist. Die Thematik ist im Ergebnis auch eine „Scheindiskussion“. Arbeitgeber, die ihr Bewerbungsverfahren diskriminierungsfrei gestalten, müssen sich nicht vor mutmaßlichen „AGG-Hoppern“ fürchten und sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, wer unter welchen Umständen ein „AGG-Hopper“ ist. Diese leidige Diskussion könnte ganz schnell ein Ende finden, wenn der EuGH klar zu erkennen gibt, daß die innere Motivlage bei einer Bewerbung unerheblich ist.
innerhalb kürzester Zeit hat ja auch die FAZ zweimal über diesen Fall unter Namensnennung berichtet. Offensichtlich hat man dort den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in die unterse Schublade geschworfen. Es ist in jedem Falle ungewöhnlich: Eine der größten deutschen Nachrichtenmagazine, auf dem Papier seriös, zieht einen Rechtsanwalt durch den Kakao, der seiner ursprünglichsten Pflicht nachkommt, nämlich zu klagen oder gegebenenfalls unsere Rechtsfortbildung zu entwickeln. Kann man sich denn unter erwachsenen Menschen nicht auch mal sachlich und professionell dem Rechtsgespräch widmen? Man könnte meinen, dass dieser „Joachim Jahn“ zu viele Georg Lucas-Filme gesehen hat. „Das Bundesarbeitsgericht wehrt sich“ alias „The empire strikes back?“. Gegen was wehrt sich das BAG denn ? Gegen Klagen? gegen Revisionen? Gäbe es keine Revisionen mehr, dann hätten unsere obersten Bundesrichter sehr bald keinen Job mehr. Dann könnte man sehen, wie es denn um die Altersdiskriminierung bei ihnen auf dem freien Arbeitsmarkt aussieht.
Die Unternehmen /Arbeitgeber sind doch irgendwie selbst schuld. Jeder, der einigermaßen gut beraten ist, weiß wie man eine Stellenausschreibung diskriminierungsfrei verfasst. Diejenigen, die in diesem Bereich Nachholbedarf haben, zahlen eben etwas Lehrgeld. Diejenigen, die sich Wettbewerbsvorteile sichern wollen, weil sie bestimmte Bewerbergruppen von vornherein ausschließen, haben es dann auch nicht anders verdient. Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. Ich empfehle §1 AGG. Hieraus dürfte sich ergeben, daß nicht der „AGG-Hopper“ das Problem ist, sondern unsere Wirtschaft, die nicht wahrhaben will, dass Diskriminierungen auch unserer Wirtschaft schaden.
Heiß her geht es zu dieser Thematik unter
http://blog.beck.de/2015/06/22/agg-hopping-gelangt-zum-eugh
Ich dachte bisher, daß in unserem Rechtssystem Fehler einfach Geld kosten. Daß zwischenzeitlich diejenigen verfolgt werden, die Fehler aufdecken, war mir neu. Gut… irgendwie habe ich den Eindruck, daß den ganzen Urheberrechtsverletzern beim downloaden von Musiktiteln auch nichts passiert. Die öffentliche Empörung über Rechtsanwälte, die mit diesen Rechtsverletzungen Geld verdienen, ist jedoch enorm. Verkehrte Welt! Auch im Bereich des AGGs. Warum regt man sich so darüber auf, daß der EuGH eine Rechtsfrage erläutern soll? Ist das nicht seine Aufgabe? Vielleicht müssen wir uns in Deutschland auch einmal damit abfinden, daß die europäische Idee auch Rechtsgedanken zulässt, die uns bisher fremd waren.