20. März 2019
Aufhebungsvertrag fair
Arbeitsrecht

Aufhebungsvertrag: „Fairness″ als Wirksamkeitsvoraussetzung?

Pressemitteilung des BAG: Verstoß gegen "Gebot des fairen Verhandelns" bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages führt zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.

Neben der Kündigung ist der Aufhebungsvertrag der in der Praxis wichtigste Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das BAG hat nun entschieden, dass Aufhebungsverträge dann in ihrer Wirksamkeit bedroht sind, wenn bei ihrem Abschluss das „Gebot fairen Verhandelns″ verletzt wurde.

Die Urteilsgründe liegen bislang noch nicht vor. Eine Pressemitteilung des BAG (Pressemitteilung Nr. 6/19) gibt allerdings Aufschluss über die groben Leitlinien der Entscheidung, die sicherlich eine kontroverse Diskussion auslösen wird.

Aufhebungsvertrag in eigener Wohnung geschlossen

Eine Reinigungsfachkraft schloss in ihrer Wohnung mit ihrem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag, der die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Zahlung einer Abfindung vorsah. Die Klägerin hatte in den Vorinstanzen vorgetragen, am Tag des Abschlusses des Aufhebungsvertrages erkrankt gewesen zu sein, was vom Arbeitgeber allerdings bestritten wurde. Die Klägerin hat den Aufhebungsvertrag später wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung angefochten sowie hilfsweise den Widerruf des Aufhebungsvertrages erklärt.

Kein Verbraucherwiderruf von Aufhebungsverträgen

Da eine Anfechtung des Aufhebungsvertrages wohl offensichtlich nicht in Betracht kam, widmete sich das BAG zunächst der Frage danach, ob der Aufhebungsvertrag widerrufen werden konnte. Verbrauchern, die außerhalb von Geschäftsräumen Verträge mit Unternehmern abschließen, können diesen nach den Vorschriften über den Verbraucherwiderruf mit der Folge widerrufen, dass sie unwirksam werden.

Schon die Vorinstanz hatte festgestellt, dass der Klägerin im Ergebnis kein Widerrufsrecht zustand. Zwar ist anerkannt, dass auch Arbeitnehmer* als solche grundsätzlich als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB zu behandeln sind. Jedoch bedarf es stets einer sorgfältigen Prüfung, ob eine Norm des Verbraucherschutzrechtes auch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anwendbar ist.

Insbesondere für die Frage nach dem Widerruf von Aufhebungsverträgen geht die herrschende Meinung davon aus, dass die Vorschriften über den Verbraucherwiderruf nicht zur Situation des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages passen. Dieser Linie ist das BAG treu geblieben und hat unter Berufung auf den im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers die Anwendbarkeit der Vorschriften über den Verbraucherwiderruf auf Aufhebungsverträge verneint.

„Gebot des fairen Verhandelns″ als Unwirksamkeitsgrund

Während die Feststellungen des BAG zum Verbraucherwiderruf zu erwarten waren, sind die weiteren Feststelllungen des Gerichts besonders aufsehenerregend. Es hat moniert, die Vorinstanz hätte nicht geprüft, ob sich der Arbeitgeber bei Abschluss des Arbeitsvertrages an das „Gebot fairen Verhandelns″ gehalten hätte.

Das „Gebot fairen Verhandelns″ ist eine vertragliche Nebenpflicht der Arbeitsvertragsparteien, die immer dann verletzt sei, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und unabhängige Entscheidung über den Abschluss des Aufhebungsvertrags erheblich erschwert. Eine Verletzung dieser Pflicht würde einen Schadensersatzanspruch nach sich ziehen, der darauf gerichtet ist, den Zustand herzustellen, der ohne die Verletzung des „Gebots fairen Verhandelns″ bestehen würde. Dies sei vorliegend der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.

Das BAG hat die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen mit der Aufforderung zu prüfen, ob die krankheitsbedingte Schwäche der Klägerin bewusst ausgenutzt und so gegen das „Gebot fairen Verhandelns″ verstoßen wurde.

Ausblick: Neuer Unwirksamkeitsgrund für Aufhebungsverträge?

Es bleibt abzuwarten, wie das BAG seine Entscheidung im Detail begründet hat. Der Veröffentlichung der Urteilsgründe kann mit Spannung entgegengeblickt werden. Zumindest auf den ersten Blick scheint es so, als habe das BAG mit dem „Gebot fairen Verhandelns″ einen neuen Unwirksamkeitsgrund für Aufhebungsverträge geschaffen. Mit Sicherheit wird die Entscheidung eine lebhafte Diskussion in der juristischen Fachwelt auslösen.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Aufhebungsvertrag Fairness Gebot des fairen Verhandelns Unwirksamkeit Verbraucherwiderruf

Isabel Meyer-Michaelis