9. Dezember 2021
Vergütungsordnung Gemeinschaftsbetrieb
Arbeitsrecht

BAG: Unterschiedliche Vergütungsordnungen trotz Gemeinschaftsbetrieb

Das BAG bestätigt, dass im Gemeinschaftsbetrieb verschiedene Vergütungsordnungen der beteiligten Unternehmen gelten können.

Auch wenn die Entscheidung des BAG schon etwas älter ist (Beschluss vom 12. Dezember 2006 – 1 ABR 38/05) bleibt sie weiter aktuell: Im Gemeinschaftsbetrieb können für die an diesem beteiligten Arbeitgeber jeweils im Verhältnis zu ihren Arbeitnehmern* verschiedene Vergütungsordnungen zur Anwendung gelangen. Ebenso ist es möglich, dass für einen der am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitgeber gar kein kollektives Vergütungsschema anzuwenden ist, weil ein solches zu keiner Zeit gegolten hat. Dies gilt auch dann, wenn beim anderen Arbeitgeber eine Vergütungsordnung kraft Tarifbindung gilt. Damit hat der 1. Senat den Beschluss des LAG Niedersachsen vom 17. Juni 2005 (Az.: 3 TaBV 19/05) bestätigt.

Betriebsrat beantragte Eingruppierung in den Tarifvertrag des am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmens

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die beteiligte Arbeitgeberin betreibt eine Werbeagentur, die im Jahr 1993 aus einer Verlagsgesellschaft mit 85 Beschäftigten ausgegründet wurde. Die Geschäftsführung beider Unternehmen ist personenidentisch und die Verlagsgesellschaft ist alleinige Gesellschafterin der Werbeagentur. Die in der Werbeagentur anfallenden Arbeiten wurden in den ersten Jahren von den Mitarbeitern der Verlagsgesellschaft mit erledigt. Im Jahr 2004 plante die Werbeagentur den ersten eigenen Mitarbeiter mit einer frei vereinbarten Vergütung einzustellen. Der in der Verlagsgesellschaft bestehende Betriebsrat verlangte jedoch die Eingruppierung des (ersten neu einzustellenden) Arbeitnehmers in den für die Verlagsgesellschaft einheitlich geltenden Gehaltstarifvertrag, §§ 99, 100, 101 BetrVG bzw. in die sich daraus ergebende Vergütungsordnung. Der Antrag des Betriebsrats blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Vergütungsordnungen bedürfen eines Geltungsgrundes im konkreten Arbeitsverhältnis

Grundsätzlich kann, so das BAG, der Betriebsrat analog § 101 BetrVG beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Eingruppierungsentscheidung vorzunehmen und ihn (den Betriebsrat) um Zustimmung zu ersuchen, um sein Mitbeurteilungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG zu sichern. Dies setzt neben der Zuständigkeit des Betriebsrates die Geltung einer im Betrieb bestehenden Vergütungsordnung voraus.

Das BAG lehnte jedoch vorliegend die Geltung des Gehaltstarifvertrags als Vergütungsordnung für den Arbeitnehmer ab. Es mangele an einem Geltungsgrund in Form von Tarifbindung, Betriebsvereinbarung, einzelvertraglicher Verpflichtung oder einseitiger Praxis des Arbeitgebers.

Insbesondere würde eine Geltung nach Maßgabe des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ausscheiden. Dieser gelte nur im Verhältnis zum selben Arbeitgeber und verpflichte einen Arbeitgeber im Gemeinschaftsbetrieb nicht, die Arbeitsbedingungen für seine eigenen Arbeitnehmer an denen eines anderen am Betrieb beteiligten Arbeitgebers für dessen Beschäftigte auszurichten. Folglich sieht das BAG die Arbeitgeberin nicht zur Eingruppierung verpflichtet, da bei dieser keine Vergütungsordnung eingeführt sei.

Die Entscheidung des BAG beruht dabei auf der Überlegung, dass schon im Verhältnis zum selben Arbeitgeber unterschiedliche Vergütungsordnungen jeweils für bestimmte Teile der Belegschaft gelten können. Umso mehr könnten auch im Gemeinschaftsbetrieb für die an diesem beteiligten Arbeitgeber jeweils im Verhältnis zu ihren Arbeitnehmern verschiedene Vergütungsordnungen gelten. Ebenso sei es möglich, dass für einen der am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitnehmer gar kein kollektives Vergütungsschema zur Anwendung gelangt, weil ein solches ihm gegenüber zu keiner Zeit gegolten hat. Dadurch, dass die beteiligte Arbeitgeberin nicht tarifgebunden war und auch sonst keine Vergütungsordnung galt, war sie auch nicht verpflichtet, den (ersten) Arbeitnehmer in eine Vergütungsordnung einzugruppieren – insbesondere war sie nicht verpflichtet, eine Eingruppierung in die sich aus dem Tarifvertrag des anderen Arbeitgebers ergebende Vergütungsordnung vorzunehmen.  

Fazit: Einsparungen durch Outsourcing auf dem Betriebsgelände

Letztlich wird mit der Entscheidung klargestellt, dass auch im Gemeinschaftsbetrieb verschiedene Vergütungsordnungen gelten können. Dies kann insbesondere bei Restrukturierungen und Umwandlungsfällen für notwendige Anpassungen genutzt werden. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass bei Umwandlungsfällen in der Regel Arbeitnehmer in den ausgegliederten Betriebsteilen beschäftigt sind, für die mit dem Übergang der Arbeitsverhältnisse dann auch die bislang geltende Vergütungsordnung nach § 613a Abs. 1 BGB übergeht. 

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