20. Februar 2018
Konsultationsverfahren Massenentlassung
Arbeitsrecht

Blockade zwecklos – Konsultationsverfahren bei Massenentlassungen

Der Betriebsrat kann geplante Massenentlassungen trotz fehlender Einigung im Konsultationsverfahren nicht erfolgreich blockieren.

Bei Umstrukturierungen müssen Arbeitgeber eine Reihe von Rechtsvorschriften beachten. Gehen mit einer Reorganisationsmaßnahme Entlassungen einher und werden dabei bestimmte Schwellenwerte überschritten, ist ein besonderes Augenmerk auf den Massenentlassungsschutz zu legen. Eine Kündigung, die unter Verletzung des Massenentlassungsschutzes gemäß §§ 17, 18 KSchG ausgesprochen wird, ist unwirksam.

Besteht ein Betriebsrat so ist vor Massenentlassungen ein Konsultationsverfahren durchzuführen

Besteht in einem Betrieb ein Betriebsrat, so ist der Arbeitgeber vor Massenentlassungen verpflichtet, u.a. ein so genanntes Konsultationsverfahren durchzuführen (§ 17 Abs. 2 KSchG). Hierbei handelt es sich um eine Vorgabe, die europäisches Recht umsetzt.

Dem Betriebsrat soll die Möglichkeit gegeben werden, konstruktive Vorschläge zur Vermeidung oder Einschränkung der Massenentlassungen zu unterbreiten. Daneben muss der Arbeitgeber die Massenentlassungen gegenüber der örtlichen Agentur für Arbeit anzeigen.

Probleme bei Uneinigkeit der Betriebsparteien

In der Praxis stellt sich jedoch häufig das Problem, dass mit dem Betriebsrat im Rahmen des Konsultationsverfahrens keine Einigung über die geplante Reorganisationsmaßnahme erzielt werden kann.

Dies führt bei Arbeitgebern zu großer Unsicherheit und wirft die Frage auf, ob die Maßnahme trotz gescheiterter Verhandlungen umgesetzt werden darf. Denn erst wenn das Konsultationsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde, kann der Arbeitgeber die notwendige Massenentlassungsanzeige bei der örtlichen Agentur für Arbeit einreichen und im Anschluss daran Kündigungen wirksam aussprechen.

Keine Einigungspflicht im Konsultationsverfahren

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung (BAG, Urteil v. 22. September 2016 – 2 AZR 276/16) klargestellt, dass ein Arbeitgeber das Konsultationsverfahren auch dann als beendet ansehen kann, wenn der Betriebsrat keine weitere Verhandlungsbereitschaft über Maßnahmen zur Vermeidung oder Einschränkung von Massenentlassungen erkennen lässt. Damit knüpft das BAG an frühere Entscheidungen an, wonach der Arbeitgeber keiner Einigungspflicht mit dem Betriebsrat unterliegt.

Ernstlicher Wille zur Einigung ausreichend

Vielmehr muss der Arbeitgeber (lediglich) mit dem ernstlichen Willen zur Einigung in die Verhandlungen eintreten und die gegebenenfalls abweichenden Vorschläge des Betriebsrats mit in sein Kalkül ziehen und sich mit ihnen auseinandersetzen. Unschädlich ist es dabei, wenn der Arbeitgeber bestimmte Bedingungen für die Einschränkung oder Vermeidung von Entlassungen aufstellt.

Das Konsultationsverfahren gilt nach der Rechtsprechung dann als beendet, wenn der Arbeitgeber aufgrund des Verhaltens des Betriebsrats annehmen darf, dass kein Ansatz für weitere zielführende Verhandlungen besteht. An eine Mindestverhandlungsdauer sind die Beteiligten nicht gebunden. Dem Arbeitgeber kommt – so die Richter des BAG – eine Beurteilungskompetenz zu, wann er den Beratungsanspruch des Betriebsrats als erfüllt ansieht.

Voraussetzung: Zuleitung aller zweckdienlichen Auskünfte

Dies setzt jedoch voraus, dass dem Betriebsrat zuvor alle zweckdienlichen Auskünfte zu den Umständen der Entlassungen zugeleitet wurden. Nur so wird dieser in die Lage versetzt, konstruktive Vorschläge unterbreiten zu können.

Der Betriebsrat muss insbesondere schriftlich unterrichtet werden über

  • die Gründe für die geplanten Entlassungen,
  • die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
  • den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
  • die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer, sowie
  • die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.

Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers

Ein besonderes Augenmerk sollte in diesem Zusammenhang auch auf eine ausreichende Dokumentation des Verhandlungsverlaufs gelegt werden. Insoweit trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass tatsächlich der ernsthafte Versuch unternommen wurde, Beratungen mit dem Betriebsrat durchzuführen.

Praxistipp – Verhandlungen sollten sorgfältig vorbereitet werden

Die aktuelle Entscheidung zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, Verhandlungen mit Arbeitnehmervertretern sorgfältig vorzubereiten. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass eine geplante Reorganisationsmaßnahme trotz fehlender Einigungsbereitschaft der Arbeitnehmervertreter umgesetzt werden kann.

Neben dem hier angesprochenen Konsultationsverfahren im Rahmen des Massenentlassungsschutzes sind bei einer Reorganisationsmaßnahme außerdem auch die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes zu beachten. Diese sehen in bestimmtem Fällen eine Pflicht zum Versuch eines Interessenausgleichs und den Abschluss eines Sozialplans vor. Hierbei können die Beratungen über den Versuch eines Interessenausgleichs zugleich auch der Erfüllung der Konsultationspflicht des Arbeitgebers dienen, wobei dies für den Betriebsrat klar erkennbar sein muss.

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