6. November 2018
BRTV-Bau Urlaubsentgelt
Arbeitsrecht

Baugewerbe: Kürzung des Urlaubsentgelts nach Kurzarbeit zulässig?

Nach dem BRTV-Bau können Kurzarbeitszeiten zu einer Minderung des Urlaubsentgelts der Arbeitnehmer führen. Aber ist diese Regelung mit EU-Recht vereinbar?

Über diese Frage wird der europäische Gerichtshof (EuGH) im Verfahren C-385/17 zu entscheiden haben. Das Arbeitsgericht Verden hat den EuGH um Auslegung des Unionsrechts ersucht.

Sachverhalt: Betonbauer beansprucht volles Urlaubsentgelt trotz Kurzarbeit

Der Kläger ist als sog. Betonbauer bei der Beklagten – die dem Geltungsbereich des für allgemeinverbindlich erklärten BRTV-Bau unterfällt – beschäftigt. In den Jahren 2015 und 2016 war er für mehrere Wochen in Kurzarbeit tätig. Nachdem der Kläger seinen bezahlten Jahresurlaub für die vorgenannten Jahre genommen hatte, entstand Streit über die Höhe des Urlaubsentgelts. Denn die Beklagte hatte das Urlaubsentgelt entsprechend der reduzierten Vergütung des Klägers im maßgeblichen Berechnungszeitraum aufgrund der Kurzarbeit berechnet. Der Kläger ist hingegen der Ansicht, dass die Verdienstkürzung aufgrund der Kurzarbeitszeiten bei der Berechnung des Urlaubsentgelts keine Berücksichtigung finden darf. Vielmehr müsse das Urlaubsentgelt so berechnet werden, als habe keine Kurzarbeit stattgefunden.

Nationales Recht: Berücksichtigung von Kurzarbeit bei Berechnung des Urlaubsentgelts?

Nach deutschem Recht sind Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit eintreten, bei der Berechnung des Urlaubsentgelts nicht zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 1 S. 3 Bundesurlaubsgesetz – BUrlG). Allerdings lässt § 13 Abs. 1 BUrlG hiervon abweichende tarifvertragliche Bestimmungen zu. Eine solche abweichende Bestimmung enthält § 8 BRTV-Bau. Danach können im Baugewerbe Kurzarbeitszeiten zu einer Minderung des Urlaubsentgelts der Arbeitnehmer führen.

Offen ist nun, ob diese Regelung auch mit europäischem Recht, konkret mit Art. 7 Abs. 1 der EU-Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung im Einklang steht. Hierzu hat nun der Generalanwalt des EuGH Stellung genommen:

Unionsrecht gibt keine konkreten Vorgaben für die Berechnung des Urlaubsentgelts

Der Generalanwalt des EuGH führt in seinen Schlussanträgen zunächst aus, dass die Richtlinie den Mitgliedsstaaten nicht vorgebe, wie das Urlaubsentgelt konkret zu berechnen sei. Das Unionsrecht biete den Arbeitnehmern lediglich einen Mindestschutz – dies gelte auch bezüglich des Rechts auf Jahresurlaub. Es sei Aufgabe der Mitgliedsstaaten das Recht auf Jahresurlaub (einschließlich des Urlaubsentgelts) im Einzelnen auszugestalten.

Kern des Rechts auf Jahresurlaub darf nicht beführt werden

Allerdings dürfe der Kern des Rechts auf Jahresurlaub durch eine nationale Regelung nicht berührt werden. Dieser Kernbereich bestehe aus zwei Elementen: Dem Anspruch auf den Jahresurlaub als solchem sowie dem Anspruch auf eine Vergütung während dieses Jahresurlaubs. Letzterer setze voraus, dass der Arbeitnehmer während seines Urlaubs das „gewöhnliche Arbeitsentgelt″ erhalte. Nur so könne gewährleistet werden, dass der Arbeitnehmer die ihm zustehenden Urlaubstage für seine persönliche Erholung auch tatsächlich in Anspruch nimmt. Ist das Urlaubsentgelt zu gering, könne der Arbeitnehmer versucht sein, von einer Inanspruchnahme seines Jahresurlaubs abzusehen. Damit würde das Recht auf Jahresurlaub ausgehöhlt werden.

Prüfung, ob Kern des Rechts auf Jahresurlaub berührt wird, obliegt nationalen Gerichten

Die Prüfung, ob nach diesen Grundsätzen das Recht auf Jahresurlaub durch eine nationale Regelung unterlaufen wird, obliege – so der Generalanwalt des EuGH – den nationalen Gerichten.

Generalanwalt des EuGH: BRTV-Bau berührt Kern des Rechts auf Jahresurlaub (wohl) nicht

Gleichwohl gibt der Generalanwalt die Richtung vor: Nach Auffassung des Generalanwalts berührt die Regelung zur Kürzung des Urlaubsentgelts nach Kurzarbeit im BRTV-Bau nicht den Kern des Rechts auf Jahresurlaub. Die Bestimmung könne nicht isoliert, sondern nur im Gesamtzusammenhang mit den übrigen Regelungen des BRTV-Bau zum Jahresurlaub betrachtet werden.

Der BRTV-Bau gewähre den Arbeitnehmern jährlich 30 Werktage Urlaub und damit 10 Werktage mehr, als die gesetzliche Regelung in § 3 Abs. 1 BUrlG. Zudem berücksichtige der BRTV-Bau bei der Berechnung des Urlaubsentgelts – anders als das Bundesurlaubsgesetz, (§ 11 Abs. 1 S. 1 BUrlG) – nicht nur Zeiten der Kurzarbeit, sondern auch Zeiten mit überdurchschnittlichem Arbeitsaufwand in Form von Überstunden. Außerdem sei der Referenzzeitraum für die Berechnung des Urlaubsentgelts das gesamte Kalenderjahr, wodurch Zeiträume normaler Arbeitszeiten mit denjenigen von Kurzarbeit ausbalanciert werden. Dieses Regelungsgefüge halte die Arbeitnehmer nicht davon ab, ihren Anspruch auf Jahresurlaub einzulösen. Im Gegenteil: Dass derselbe Betrag über eine größere Anzahl von Tagen verteilt werde, sei sogar ein Anreiz für die Arbeitnehmer, die 30 Tage Jahresurlaub in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen, um die gesamte jährliche, ihnen nach dem BRTV-Bau zustehende Urlaubsvergütung zu erhalten. Das Recht auf Jahresurlaub werde daher durch die Bestimmungen des BRTV-Bau gerade nicht ausgehöhlt.

Ausblick: Entscheidung des EuGH erst 2019

Die Schlussanträge des Generalanwaltes sind für die Richter des EuGH nicht bindend. In der deutlichen Mehrzahl der Fälle sind die Richter aber in der Vergangenheit den Schlussanträgen des jeweiligen Generalanwalts gefolgt. Es ist daher davon auszugehen, dass der EuGH die Regelung zur Kürzung des Urlaubsentgelts im BRTV-Bau als europarechtskonform bewerten wird. Mit der Entscheidung des EuGH ist allerdings erst in einigen Monaten zu rechnen – wir werden berichten.

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