24. März 2014
Arbeitnehmerüberlassung
Arbeitsrecht

Das „Schüren/Brors-Gutachten″: Vorschläge für gesetzliche Änderungen beim Fremdpersonaleinsatz

Die Große Koalition hat im Koalitionsvertrag bereits angekündigt, den Fremdpersonaleinsatz wieder stärker zu regulieren. So sind für Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträge neue gesetzliche Änderungen vorgesehen. Hinsichtlich der konkreten Umsetzung sind aber nach wie vor zahlreiche Fragen offen. Vor diesem Hintergrund sorgt insbesondere ein am 17. März 2014 vorgestelltes Gutachten von Schüren/Brors für Aufsehen.

Es wurde vom Land Nordrhein-Westfalen beauftragt und trägt den Titel „Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit verhindern – Vorschläge für eine gesetzliche Regelung zur Eindämmung von Missbräuchen beim Fremdpersonaleinsatz und zur Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie″. Unter anderem enthält es einen ausformulierten Gesetzesvorschlag.

Dieser sieht im Wesentlichen folgende Anpassungen vor:

  • Klarstellung, dass die dauerhafte Besetzung von Arbeitsplätzen mit Zeitarbeitnehmern verboten ist
  • Gesetzliche Vermutung, dass eine Überlassung nicht mehr vorübergehend erfolgt, wenn der Kunden einen oder mehrere Zeitarbeitnehmer länger als 6 Monate auf einem Arbeitsplatz einsetzt
  • Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten für den Einsatz von einem oder mehreren Zeitarbeitnehmer/-n auf einem Arbeitsplatz (Ausnahme: „am Arbeitsmarkt stehen keine geeigneten Arbeitnehmer für eine befristete Einstellung beim Kunden für diese Arbeitsaufgabe zur Verfügung″)
  • Nennung des Grundes für „vorübergehenden″ Einsatz im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag; ansonsten gesetzliche Vermutung, dass Überlassung nicht vorübergehend erfolgt
  • Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Kunden bei einem Verstoß gegen das Gebot der vorübergehenden Überlassung; gleiches gilt, wenn die Überlassung im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag nicht als solche kenntlich gemacht wurde; für aus dem Ausland mit Entsendebescheinigung (A 1) überlassene Arbeitnehmer: kein Arbeitsverhältnis, aber zumindest equal pay-Anspruch
  • Zwingendes equal pay-Gebot nach einem Einsatz von 9 Monaten bei einem Kunden
  • Möglichkeit der Abweichung vom equal pay-/equal treatment-Gebot durch die Anwendung eines davon abweichenden Tarifvertrags oder eine Bezugnahme auf diesen nur noch für unbefristet tätige Zeitarbeitnehmer
  • Haftung des Kunden für equal pay-Ansprüche des Zeitarbeitnehmers  („wie ein selbstschuldnerischer Bürge″)
  • Gesetzliche Vermutung für Arbeitnehmerüberlassung, wenn der  Arbeitnehmer in der Betriebsorganisation eines Dritten tätig wird
  • Auskunftsanspruch des Zeitarbeitnehmers gegenüber Kunden über die Dauer der Einsatzzeiten von anderen Zeitarbeitnehmern auf seinem Arbeitsplatz und über den Grund des vorübergehenden Einsatzes
  • Verbot der Überlassung von Arbeitnehmern auf Arbeitsplätze, die von einem Arbeitskampf betroffen sind
  • Erweiterung des Katalogs über Ordnungswidrigkeiten, unter anderem bei Verstoß gegen das Gebot des vorübergehenden Einsatzes und gegen den equal pay-/equal treatment-Grundsatz
  • Gesetzliche Vermutung für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, wenn  „Solo-Selbständige″ in der Betriebsorganisation des Auftraggebers tätig sind

Folgende Anpassungen dienen der Stärkung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Kundenbetrieb:

  • Sind Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, in seiner Betriebsorganisation tätig, hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat auf Verlangen seine Verträge mit diesen Personen oder mit deren Arbeit- oder Auftraggebern einschließlich der Unterlagen über Einsatztage und Einsatzzeiten sowie Informationen zu den Arbeitsaufgaben und den Arbeitsabläufen einschließlich der Zusammenarbeit mit den übrigen Betriebsangehörigen zur Verfügung zu stellen.
  • Zuständigkeit des Betriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften für alle in der Betriebsorganisation oder auf dem Betriebsgelände tätigen Personen
  • Die Unterrichtungspflicht des Betriebsrats mit Blick auf die Personalplanung nach § 92 BetrVG wird ausdrücklich auch auf den geplanten Einsatz von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen und in dessen Betriebsorganisation tätig sein sollen, erstreckt.
  • Der Betriebsrat ist vor jedem Einsatz von Fremdfirmenpersonal oder einzelnen Selbstständigen auf dem Betriebsgelände oder in der Betriebsorganisation des Arbeitgebers, der länger als einen Monat dauern soll, wie bei einer Einstellung nach § 99 Abs. 1 BetrVG zu unterrichten (§ 99a Betr VG nF). Dauert ein Einsatz planwidrig länger als einen Monat, ist die Unterrichtung des Betriebsrats nachzuholen, sobald dies erkennbar wird. Der Fremdfirmenpersonaleinsatz oder Einsatz von Selbstständigen ist unzulässig, wenn der Betriebsrat zuvor nicht entsprechend unterrichtet wurde. Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber verlangen, den Einsatz zu unterlassen. Nach Ansicht der Gutachter sollen vorläufige personelle Maßnahmen nach §§ 100, 101 BetrVG nicht möglich sein.
  • Eine „Nachunterrichtung″ kann der Betriebsrat darüber hinaus verlangen, wenn es Verdachtsmomente gibt, die auf eine illegale Überlassung oder Scheinselbstständigkeit hindeuten.
  • Der Verstoß gegen § 99a Betr VG n.F. soll zudem eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit darstellen.

Wohl dem Grundsatz folgend „Wer hoch zielt, schießt weit!″ enthält das Gutachten von Schüren und Brors zahlreiche Vorschläge, die noch über die im Koalitionsvertrag vorgesehenen weitgehenden Änderungen zum Fremdpersonaleinsatz hinausgehen. Es dürfte bereits vor diesem Hintergrund zweifelhaft sein, ob die entsprechenden Vorschläge parlamentarisch durchsetzbar sind.

Nichtsdestotrotz wird durch das Gutachten zumindest ein erster Pflock eingeschlagen, der das gesetzgeberische Handeln beeinflussen kann. Sollten die von Schüren und Brors vorgesehenen Änderungen wider Erwarten tatsächlich umgesetzt werden, wären die Auswirkungen auf den Einsatz von Fremdarbeitskräften erheblich. Dies gilt insbesondere für die vorgesehenen Vermutungswirkungen.

Es bleibt letztlich zu hoffen, dass sich Schwarz-Rot eher am Wortlaut des in Zusammenhang mit Drittpersonal bereits sehr streng gefassten Koalitionsvertrags und nicht an dem Gutachten orientieren wird. Ansonsten dürfte der deutschen Wirtschaft ein regulatorischer „Bärendienst″ erwiesen werden.

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