13. April 2022
Arbeitgeberzuschuss Entgeltumwandlung
Arbeitsrecht

Der Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung gilt nicht unbegrenzt

Am 8. März 2022 hat sich das Bundesarbeitsgericht erstmals zur gesetzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers, die Entgeltumwandlung zu bezuschussen geäußert.

In zwei Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ging es insbesondere um die Frage, unter welchen Voraussetzungen durch Tarifverträge von der Zuschussverpflichtung abgewichen werden kann.

In Zeiten sinkender gesetzlicher Renten versuchen viele Arbeitnehmer*, etwaige Rentenlücken über eine betriebliche Altersversorgung zu kompensieren. Die Grundlage hierfür bildet, insbesondere dort, wo der Arbeitgeber von sich aus keine (arbeitgeberfinanzierte) betriebliche Altersversorgung anbietet, oftmals der gesetzliche Anspruch auf Entgeltumwandlung. Hiernach kann jeder Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber verlangen, dass von seinen künftigen Entgeltansprüchen bis zu 4 % der für die gesetzliche Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze im Wege der sog. Entgeltumwandlung für die Finanzierung einer betrieblichen Altersversorgung verwendet werden (vgl. § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG).

Einführung eines gesetzlichen Arbeitgeberzuschusses zur Entgeltumwandlung

Während der Arbeitgeber bis zum 31. Dezember 2018 nicht verpflichtet war, die Entgeltumwandlung finanziell zu fördern, ist dies seit dem 1. Januar 2019 anders.

Hintergrund dieses mit dem sog. Betriebsrentenstärkungsgesetz (kurz BRSG) eingeführten Paradigmenwechsels ist zum einen die Tatsache, dass der Arbeitgeber bei einer Entgeltumwandlung im Regelfall Sozialversicherungsbeiträge erspart. Denn durch die Entgeltumwandlung wird das sozialversicherungspflichtige Bruttogehalt verringert. Eine hiermit verbundene Sozialversicherungsersparnis soll der Arbeitgeber nach dem Willen des Gesetzgebers deshalb bis zu einer Obergrenze von 15 % des Umwandlungsbetrags als sog. Arbeitgeberzuschuss an denjenigen Pensionsfonds, diejenige Pensionskasse oder diejenige Direktversicherung zahlen, an die auch die Entgeltumwandlung fließt (§ 1a Abs. 1a BetrAVG). Liegt die Sozialversicherungsersparnis unterhalb von 15 %, ist dieser (geringere) Betrag maßgebend. Zum anderen wurde die Zuschussverpflichtung auch deshalb eingeführt, weil der Gesetzgeber hiermit die Hoffnung verbindet, die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung, insbesondere auch in kleinen und mittelständischen Unternehmen, weiter fördern zu können.

Zum Schutz von Bestandsverträgen wurde die Zuschussverpflichtung stufenweise eingeführt. Während der Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die nach dem 31. Dezember 2018 abgeschlossen wurden, bereits seit dem ersten Tag der Entgeltumwandlung geschuldet ist, galt für ältere, vor dem 1. Januar 2019 abgeschlossene Entgeltumwandlungsvereinbarungen zunächst bis zum 31. Dezember 2021 eine Übergangsfrist (§ 26a BetrAVG). Seit dem 1. Januar 2022 gilt die gesetzliche Zuschussverpflichtung jedoch für alle Entgeltumwandlungsvereinbarungen; auch für solche, die vor dem 1. Januar 2019 abgeschlossen wurden. Auf das Datum des Abschlusses der Entgeltumwandlungsvereinbarung kommt es seither nicht (mehr) an.

Abweichung durch Tarifverträge möglich

Zwar können die Arbeitsvertragsparteien von den Regelungen des Betriebsrentengesetzes grds. nicht individualrechtlich zum Nachteil des Arbeitnehmers abweichen; für die Tarifvertragsparteien bestehen aber weitergehende Gestaltungsmöglichkeiten. So kann u.a. in Tarifverträgen auch von den gesetzlichen Vorgaben zur Entgeltumwandlung und auch von denen zum Arbeitgeberzuschuss abgewichen werden (vgl. § 19 Abs. 1 BetrAVG).

BAG: Kollektivrechtliche Alt-Entgeltumwandlungsvereinbarung kann frühestens zum 1. Januar 2022 Ansprüche auslösen

Mit dieser Abweichungsbefugnis und deren Auswirkungen auf den neuen Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung hat sich das BAG in seinen Urteilen (3 AZR 361/21 und 3 AZR 362/21) nun erstmals befasst.

In den zugrundeliegenden Verfahren stritten die Parteien über die Verpflichtung des jeweiligen Arbeitgebers, den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss in den Jahren 2019 und 2020 zu zahlen. Die beiden Kläger betreiben seit Jahren auf der Grundlage eines Tarifvertrags zur Altersversorgung vom 9. Dezember 2008 (abgeschlossen zwischen dem Landesverband Niedersachsen und Bremen der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie e. V. und der IG-Metall) Entgeltumwandlung in den MetallRente-Pensionsfonds. Neben der Möglichkeit zur Entgeltumwandlung sieht dieser Tarifvertrag auch einen Arbeitgeberbeitrag vor (im Tarifvertrag „Altersvorsorgegrundbetrag“ genannt), der allerdings völlig unabhängig davon gewährt wird, ob sich ein Arbeitnehmer seinerseits an der Finanzierung der Altersversorgung im Wege der Entgeltumwandlung beteiligt oder nicht. In dem einen Fall kam der Tarifvertrag aufgrund beidseitiger Tarifbindung zur Anwendung, in dem anderen aufgrund eines Haustarifvertrags aus dem Jahr 2019, der auf diesen Tarifvertrag verweist.

Die Klagen waren weder in den Vorinstanzen noch jetzt vor dem BAG erfolgreich. Allerdings hat das BAG bei der Zurückweisung der Revisionen offengelassen, ob die Tariföffnungsklausel des § 19 Abs. 1 BetrAVG auf den (Verbands-)Tarifvertrag zur Altersversorgung Anwendung findet und den Anspruch der Arbeitnehmer modifizieren konnte, obwohl dieser Tarifvertrag lange vor Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes abgeschlossen wurde.

Da der Tarifvertrag zur Altersversorgung bereits am 9. Dezember 2008 zustande gekommen ist und einen Anspruch auf Entgeltumwandlung enthält bzw. ausgestaltet, sei er jedenfalls als kollektivrechtliche Alt-Entgeltumwandlungsvereinbarung zu qualifizieren, die wegen der Übergangsregelung des § 26a BetrAVG frühestens zum 1. Januar 2022 einen Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuss auslösen könne. Die in der Literatur bislang streitige Frage, ob ein Kollektivvertrag, der zwar die Rahmenbedingungen der Entgeltumwandlung festlegt, selbst aber noch keine automatische Entgeltumwandlung (i.S.e. sog. Auto-Enrollments) vorsieht, für sich genommen überhaupt die Voraussetzungen einer Alt-Entgeltumwandlungsvereinbarung i.S.d. § 26a BetrAVG erfüllt, wurde vom BAG mit anderen Worten nunmehr bejaht.

Weiterhin offen: Kann auch mit älteren Tarifverträgen (vor 2019) vom Arbeitgeberzuschuss abgewichen werden? 

Da die Klagen nur den Arbeitgeberzuschuss für die Jahre 2019 und 2020 betrafen, konnte es sich das BAG in der Entscheidung vergleichsweise „leicht machen“.

Der Verbandstarifvertrag war vor dem 1. Januar 2019 abgeschlossen und dem BAG zufolge als kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarung i.S.v. § 26a BetrAVG zu qualifizieren. Deshalb könne ein Anspruch auf einen Zuschuss ohnehin erst ab dem 1. Januar 2022 bestehen und nicht schon während der Jahre 2019 und 2020. Ob ab dem Jahr 2022 dann ein Anspruch auf den gesetzlichen Zuschuss besteht oder ob der „alte“ Tarifvertrag aus dem Jahr 2008 eine wirksame Abweichung von dem gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss enthält, musste das BAG wegen des eingeschränkten Streitgegenstands des Verfahrens nicht klären. Der Haustarifvertrag wurde dagegen erst im Jahr 2019 abgeschlossen. Damit war eine wirksame Abweichung von dem gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss möglich. 

Mit seinen Urteilen vom 8. März 2022 hat das BAG für die Praxis nach alledem lediglich klargestellt, dass Tarifverträge, die ab dem 1. Januar 2019 geschlossen werden, Abweichungen vom gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss enthalten können. Dies ist nicht weiter überraschend. Offen bleibt, was für ältere Tarifverträge gilt, die bereits vor diesem Datum abgeschlossen wurden. Können auch diese Tarifverträge wirksam von der gesetzlichen Verpflichtung zur Zahlung eines Arbeitgeberzuschusses abweichen (was wünschenswert wäre)? Das Argument, das für diese Abweichungsbefugnis spricht, gilt nach unserem Dafürhalten für sämtliche Tarifverträge, unabhängig von deren Abschlussdatum. Der Tarifvorrang erklärt sich insbesondere aus der Tarifautonomie, die verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Im Übrigen vertraut der Gesetzgeber weitgehend auf die Parität der Tarifvertragspartner, die die Gewähr für eine angemessene Berücksichtigung auch der Interessen der Arbeitnehmer bietet.

Eine andere, noch ungeklärte Frage ist, ob sonstige Leistungen einer arbeitgeberfinanzierten tariflichen Versorgung (wie hier der tarifliche Altersversorgungsgrundbetrag) auf den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss angerechnet werden können oder müssen. Möglicherweise bringen die Entscheidungsgründe nach ihrer Veröffentlichung hier eine weitere Aufklärung. Bislang liegt nur die Pressemitteilung zu den Urteilen vom 8. März 2022 vor.

Klare Vereinbarung zum Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung ratsam

Angesichts der weiterhin offenen Fragen zum Arbeitgeberzuschuss ist es für Arbeitgeber besonders wichtig, Tarifverträge zur betrieblichen Altersversorgung und auch bestehende Betriebsvereinbarungen kritisch zu prüfen. Es sollte möglichst klar geregelt werden, ob Leistungen des Arbeitgebers auf den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss anzurechnen sind oder nicht. Fehlen solche Festlegungen, sollten die maßgeblichen Kollektivvereinbarungen möglichst entsprechend angepasst werden. 

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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