30. Mai 2018
Arbeitsrecht

Berufsrisiko: Schnelle Fahrt mit Folgen

Die Arbeitswelt hat ihre Tücken – was passieren kann, beleuchten die Beiträge dieser Serie. Heute: "Die Dienstwagennutzung im Spannungsfeld mit den Vorschriften der StVO". 

Als Rainer Schattler die Überschrift „Abmahnung″ in dem Schreiben vor ihm auf seinem Schreibtisch las, spürte er eine Hitzewelle über seinem Rücken hoch in Richtung Kopf steigen. Beim Durchforsten seines Kalenders unter dem 14.03. fiel ihm kein besonderer Eintrag auf. An einem Mittwoch konnte der Verkehr auf dem morgendlichen Weg ins Büro auch nicht so schlimm gewesen sein. Im Ledersessel hinter dem Steuer seines Dienstwagens bekam man davon aber auch nicht alles mit: Er fuhr ja meist links und vor dem Verkehr!

Und jetzt sollte er also auf der Autobahn in einem Abschnitt mit Geschwindigkeitsbegrenzung einen Kleinwagen durch dichtes Auffahren und Lichthupe bedrängt und dann mit hoher Geschwindigkeit rechts überholt haben?

Er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern. Eigentlich machten die Langsamfahrer doch sowieso immer von alleine Platz?

Aber jetzt hatte so ein Linksspurblockierer sich nicht nur sein Kennzeichen gemerkt, sondern auch den Firmennamen seines Arbeitgebers auf der Kennzeichenumrandung.

Wie hatte der oder die das denn überhaupt lesen können? Vermutlich im innerstädtischen Verkehr nach der Autobahn an einer Ampel getroffen?

Jedenfalls hatte der oder die dann nicht Anzeige bei der Polizei erstattet, sondern seinem Arbeitgeber einen Brief geschrieben.

Und irgendwo in der Personalabteilung hatten sie jetzt also ihm, Rainer Schattler, gehobenes Management (mit Fahrzeugkategorie A) eine Abmahnung geschrieben: Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung (Überhöhte Geschwindigkeit, § 3 StVO, zu geringer Abstand, § 4 StVO, Rechtsüberholen, § 5 StVO). Und dann auch noch Verstoß gegen die Dienstwagenrichtlinie; mit Hinweis auf einen möglichen Widerruf der Dienstwagennutzung.

Er konnte sich das grinsende Gesicht dieses Anzeigeerstatters vorstellen: Die Rache des Kleinwagenfahrers.

Verkehrsverstoß als Vertragsverletzung

Die Rechtsprechung hat sich – abgesehen von Haftungsfragen bei Beschädigungen – bislang in erstaunlich wenigen Fällen mit den arbeitsvertraglichen Konsequenzen von Verkehrsverstößen mit Dienstfahrzeugen befasst:

Wer die im Straßenverkehr geltenden Regeln grob verkehrswidrig und rücksichtslos missachtet und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen gefährdet, begeht nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern macht sich unter Umständen auch strafbar.

Die Rechtsprechung formuliert es so: Wenn der Arbeitnehmer im Rahmen der Ausübung seiner vertraglich geschuldeten Arbeit mit dem Dienstfahrzeug des Arbeitgebers eine Gefährdung des Straßenverkehrs begeht, ist dies an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen (LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 8. Oktober 2015 – 5 Sa 176/15). Ein Arbeitnehmer, der Dienstfahrten mit einem Dienstfahrzeug verrichtet, muss sich selbstverständlich im Straßenverkehr an die Straßenverkehrsordnung halten.

Kraftfahrer, deren Hauptleistungspflicht – wie beim LKW-Fahrer – im Führen des Kraftfahrzeugs liegt, verletzen mit Verstößen gegen die StVO ihre Hauptleistungspflichten. Verkehrsverstöße solcher Mitarbeiter sind Pflichtverletzungen im Leistungsbereich und können bis zu einer (fristlosen) Kündigung führen. Das kann so weit gehen, dass die Einnahme von Drogen die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Berufskraftfahrers auch dann rechtfertigen kann, wenn nicht feststeht, dass die Fahrtüchtigkeit konkret beeinträchtigt war (BAG, Urteil v. 20. Oktober 2016 – 6 AZR 471/15).

Auch Mitarbeiter, deren Haupttätigkeit z.B. im Außendienst, ohne Firmenfahrzeug nicht ausgeübt werden kann, verstoßen durch Verkehrsdelikte gegen ihre Hauptleistungspflichten und werden in der Regel so behandelt wie Berufskraftfahrer (BAG, Urteil v. 14. Februar 1991 – 2 AZR 525/90). Lässt es der Nutzungsvertrag zu, dass das Firmenfahrzeug von Dritten gefahren werden darf und der von einem Fahrverbot betroffene Beschäftigte angeboten hat, sich von einem Verwandten fahren zu lassen, gilt dies allerdings nur eingeschränkt (vgl. LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 3. Juli 2014 – 5 Sa 27/14).

Allerdings gehen die Gerichte grundsätzlich davon aus, dass der Arbeitnehmer sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für sein Arbeitsverhältnis ändern wird. Daher muss der Arbeitgeber solche Verkehrsverstöße grundsätzlich zunächst abmahnen.

Firmenwagennutzer mit Nebenpflichten

Und was gilt bei den Beschäftigten, die ihren Dienstwagen zwar zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzen, aber weder Kraftfahrer sind, noch das Fahrzeug für ihre Arbeitstätigkeit benötigen?

Auch hier sind Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung Verstöße gegen arbeitsvertragliche Nebenpflichten, insbesondere Nebenpflichten aus einer Dienstwagenüberlassungsvereinbarung. Vereinbarungen über die Überlassung eines Dienstwagens sehen regelmäßig vor, dass sich der Beschäftigte auch gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet, die Verkehrsvorschriften einzuhalten und den Arbeitgeber unverzüglich zu unterrichten, wenn ihnen die Fahrerlaubnis zeitweilig oder auf Dauer entzogen wird. Wer gegen solche Nebenpflichten verstößt, kann ebenfalls abgemahnt – schlimmstenfalls gekündigt werden.

Der Arbeitgeber kann sich, wenn er dem Arbeitnehmer ein Fahrzeug zur Privatnutzung überlässt, deren Widerruf vorbehalten. Er muss in einem Formularvertrag – und das sind die Dienstwagenüberlassungsverträge nahezu immer – die AGB-Anforderungen beachten. Der für den Widerruf maßgebliche Sachgrund muss dem Vertrag zu entnehmen sein; auch darf der Wert der Privatnutzung (Sachbezug als geldwerter Vorteil) 25% der Gesamtvergütung nicht überschreiten – das dürfte beim klassischen Dienstwagenberechtigten und derzeit geltenden steuerlichen Regelungen in der Praxis nicht vorkommen.

Allein der Entzug der Fahrerlaubnis kann bei Beschäftigten, die keine Fahrtätigkeit übernehmen, grundsätzlich keinen Grund zur Beendigung des Vertragsverhältnisses darstellen (LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 3. Juli 2014 –  5 Sa 27/14). Wie der Mitarbeiter ins Büro kommt, ist seine Sache. Der Betroffene kann sich fahren lassen oder auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen. Schwierig wird es allerdings für diejenigen, die mangels alternativer Beförderungsmöglichkeiten auf den Individualverkehr angewiesen sind. Können sie sich keine Fahrt zum Arbeitsplatz organisieren, riskieren sie Abmahnung und Kündigung. Dann allerdings nicht wegen des Verkehrsverstoßes, sondern wegen Zuspätkommens oder Nichterscheinens.

Aber auch wenn die Fahrt ins Büro grundsätzlich außerdienstliches Verhalten ist, kann sie kündigungsrelevant werden, wenn sie sich innerbetrieblich auswirkt. Das gilt zum Beispiel für die Trunkenheitsfahrt eines Verkäufers von Sportwagen, die ernsthafte Zweifel an seiner Zuverlässigkeit oder Eignung hervorrufen kann oder den Ruf des Arbeitgebers beeinträchtigt (ArbG Düsseldorf, Urteil v. 12. Juli 2016 – 15 Ca 1769/16).

Es gibt weitere Berufsrisiken – die Serie wird fortgesetzt. Lesen Sie hier: Berufsrisiko: Leider geheim!

Unsere Personen und die Handlung sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder tatsächlichen Begebenheiten wären rein zufällig.

Tags: Dienstwagen StVO