Gibt es No-Gos bei der Einführung der digitalen Personalakte? Ja, wie ein Verfahren vor dem LAG Köln zeigt.
Das LAG Köln hat am 9. Februar 2023 (Az. 6 Sa 607/22) einer Entfristungsklage mit der Begründung stattgegeben, die Arbeitgeberin habe die Schriftform der Befristungsabrede nicht bewiesen. Die beklagte Arbeitgeberin konnte im Prozess die Original-Vertragsurkunde nicht vorlegen, weil sie – wie zunehmend mehr Unternehmen – (nur noch) eine digitale Personalakte führte.
Auch wenn das für manche vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung erst einmal antiquiert oder widersinnig klingen mag: Das Urteil entspricht im Ergebnis dem geltenden Recht und sollte daher von Unternehmen bei der Einführung einer digitalen Personalakte beachtet werden. Denn ansonsten sind Befristungen in Streitfällen womöglich nicht nachweisbar, mit der Folge, dass das mit der Angelegenheit befasste Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Befristung feststellt – und die befristet eingestellte Person weiterbeschäftigt und -bezahlt werden muss, selbst wenn die Schriftform an sich eingehalten worden war.
In unserem heutigen Beitrag ordnen wir die Entscheidung ein und geben wir Tipps rund um die (Ein-)Führung einer digitalen Personalakte.
Streit um Befristung vor dem LAG Köln – doch was war geschehen?
In dem Berufungsverfahren vor dem LAG Köln ging es um die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrags, und zwar in Bezug auf die Einhaltung der erforderlichen gesetzlichen Schriftform: Wäre die Befristung (form-) wirksam (§ 14 Abs. 4 TzBfG) vereinbart worden, hätten das Arbeitsverhältnis geendet und die Klage abgewiesen werden müssen. Doch was genau geschehen war, war zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmer streitig:
Der Mitarbeiter bestritt (mit sogenanntem Nicht-mehr-Wissen), dass die befristete Verlängerung seines Arbeitsvertrags schriftlich erfolgt war. Die Arbeitgeberin trug vor, der befristete Arbeitsvertrag sei von beiden Seiten ordnungsgemäß unterschrieben worden. Da sie eine digitale Personalakte führe, sei die Urkunde anschließend eingescannt und sodann vernichtet worden. Gerade diesen Aspekt bestritt der Arbeitnehmer allerdings – ob er den Arbeitsvertrag tatsächlich unterschrieben habe, könne er sich nicht mehr erinnern.
Eingescanntes Dokument genügt (unter Umständen) für Beweisführung nicht
Das LAG gab dem Arbeitnehmer Recht, wie bereits zuvor das Arbeitsgericht Köln: Da sich die Arbeitgeberin darauf berief, dass die Befristung formwirksam vereinbart worden sei, hätte sie diesen Umstand beweisen müssen. Dieser Beweis wird durch die Vorlegung der Urkunde angetreten (§§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 420 ZPO), und bei sogenannten Privaturkunden – wie Arbeitsverträgen – ist dafür die physische Vorlage des Originals erforderlich. Die Vertragsurkunde konnte die Arbeitgeberin aber gerade nicht mehr vorlegen, weil sie eine digitale Personalakte führt und die Originalurkunde vernichtet hatte.
Nun könnte man sich fragen, ob denn eine Inaugenscheinnahme des Scans der Vertragsurkunde möglich und ausreichend gewesen wäre. Doch im hier streitgegenständlichen Einzelfall half dies der Arbeitgeberin nicht, wie bereits das Arbeitsgericht in der ersten Instanz (ArbG Köln v. 22. Februar 2022 – 16 Ca 5021/21) ausführlich begründete:
Der eingereichte Scan als Augenscheinsobjekt i. S. v. § 371 Abs. 1 Satz 2 ZPO vermag das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung (§ 286 ZPO) nicht davon zu überzeugen, dass die eingescannte Urkunde im Original von beiden Parteien unterschrieben war. Bei der Beklagten werden durchaus auch Unterschriften in arbeitsrechtlichen Willenserklärungen eingescannt, die der Schriftform bedürfen, wie sie hinsichtlich der Unterschrift des Werksleiters auf dem Kündigungsschreiben vom 09.09.2021 in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat. Dieser unstreitig eingescannten Unterschrift sieht man die fehlende Originalität auf dem mit der Klageschrift vorgelegten elektronischen Scan auch nicht ohne weiteres an.
Dabei muss man zugrunde legen, dass es sich bei einem Scan rechtlich betrachtet um nicht mehr als (nur) eine Kopie der Vertragsurkunde handelt, so dass die Inaugenscheinnahme des Scans durch das Gericht streng genommen zum Beweis womöglich nicht ausreichend gewesen wäre. Doch das allein war noch nicht entscheidend: Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 286 Abs. 1 ZPO) hätte das Gericht trotzdem zu dem Ergebnis kommen können, dass die Vertragsurkunde damals im Original unterzeichnet worden war, zum Beispiel wenn sich dies aus anderen in das Verfahren eingeführten Umständen wie etwa Zeugenaussagen ergeben hätte.
Hier kam allerdings erschwerend hinzu, dass die Arbeitgeberin nicht den Vorwurf entkräften konnte, dass bei ihr gelegentlich digitale Unterschriften in Dokumente eingefügt würden, die an sich echte Schriftform erfordern. Von einem solchen Vorgehen kann aus verschiedenen Gründen nur dringend abgeraten werden – und im hiesigen Fall wurde dies der Arbeitgeberin zum Verhängnis: Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht gaben vor diesem Hintergrund der Entfristungsklage mangels Vorlage der Vertragsurkunde im Original statt.
Lohnt sich die digitale Personalakte? Ja – wenn sie richtig eingeführt wird!
Natürlich ist eine digitale Personalakte dennoch empfehlenswert: Die digitale Personalakte ermöglicht einen schnellen und einfachen Zugriff auf Informationen, spart Ressourcen und Platz ein, strukturiert die Personalverwaltung und erleichtert die Aktualisierung von Informationen. Eine digitale Personalverwaltung ist bei immer mehr Unternehmen der Standard.
Im Ausgangspunkt existieren keine gesetzlichen Pflichten, Personalunterlagen im Original aufzubewahren. Gleichwohl ist es – wie das besprochene Urteil zeigt – aus Beweisgründen dringend anzuraten, einige Dokumente im Original aufzubewahren. Dies betrifft alle Dokumente, die zur Erfüllung der gesetzlichen Schriftform (§ 126 Abs. 1 BGB) angefertigt werden, wie etwa:
- Kündigungsschreiben (§ 623 BGB);
- Aufhebungsverträge (§ 623 BGB);
- Erklärungen über vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Abwicklungsvertrag / Aufhebungsvertrag (§ 623 BGB; vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 9. Mai 2023, 2 Sa 146/22);
- befristete Arbeitsverträge und deren Verlängerung (§ 14 Abs. 4 TzBfG);
- Vereinbarungen, die ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot enthalten (§ 110 S. 2 GewO i.V.m. § 74 Abs. 1 HGB);
- Nachweise der wesentlichen Arbeitsbedingungen (§ 2 Abs. 1 S. 1 NachweisG);
- Einwilligungen der Arbeitnehmer in die Verarbeitung personenbezogener Daten (§ 26 Abs. 2 S. 3 BDSG);
- Schreiben, mit denen Teilzeitverlangen ganz (§§ 8 Abs. 5, 9 a Abs. 3 TzBfG; § 15 Abs. 7 BEEG) oder bei Elternteilzeit betreffend die Verteilung der Arbeitszeit (§ 15 Abs. 7 S. 4 BEEG) abgelehnt werden;
- Verlangen des Arbeitnehmers auf Elternzeit (§ 16 Abs. 1 S. 1 BEEG), Pflegezeit (§ 3 Abs. 3 S. 1 PflegeZG) oder Familienpflegezeit (§ 2 a Abs. 1 S. 1 FPfZG);
- Arbeitszeugnisse (§ 630 S. 1, S. 3 BGB, § 109 Abs. 1 S. 1 GewO) – wobei kaum Situationen denkbar sind, in denen dem Arbeitgeber der fehlende Nachweis des Original-Zeugnisses zum Nachteil gereichen könnte.
Bei einigen der vorgenannten Unterlagen kann die Schriftform durch eine qualifizierte elektronische Signatur ersetzt werden (§ 126a Abs. 1 BGB). Das gilt insbesondere bei befristeten Arbeitsverträgen, der Einwilligung des Arbeitnehmers* in die Verarbeitung personenbezogener Daten, dem Verlangen des Arbeitnehmers auf Elternzeit, Pflegezeit oder Familienpflegezeit sowie der Ablehnung des Verlangens auf Teilzeit oder der Ablehnung der Verteilung der Arbeitszeit. In der Praxis wird die qualifizierte elektronische Signatur in Personalangelegenheiten bislang allerdings kaum verwendet, weil Arbeitnehmer und Arbeitgeber – jedenfalls bislang – nur selten über eine qualifizierte elektronische Signatur verfügen.
Ausschließlich digital geführte Personalakte noch nicht uneingeschränkt zu empfehlen – Änderungen durch das Bürokratieentlastungsgesetz IV erwartet
Eine digitale Personalakte ist trotz allem ein sinnvoller Schritt, um Unternehmen digitaler und damit effizienter zu gestalten. Die besprochene Entscheidung des LAG Köln zeigt aber, dass zur Vermeidung von Risiken die arbeitsrechtlichen Formerfordernisse beachtet werden sollten. Eine ausschließlich digital geführte Personalakte ist nach alledem (bislang) nicht zu empfehlen.
Das mag sich im Zuge des Bürokratieentlastungsgesetzes IV ändern: Die geplante Änderung zielt nämlich darauf ab, die elektronische Form im Bürgerlichen Gesetzbuch als Regelform anzuordnen, wodurch viele Schriftformerfordernisse entfallen sollen. Das soll rechtliche Prozesse für Wirtschaft und Bürger vereinfachen und verstärkt digitalisieren. Gleichzeitig soll das Nachweisgesetz so abgeändert werden, dass Arbeitgeber nicht länger verpflichtet sind, die wesentlichen Vertragsbedingungen nachzuweisen, sofern der Arbeitsvertrag in einer die Schriftform ersetzenden gesetzlichen elektronischen Form geschlossen wurde. Außerdem beinhaltet der Vorstoß der Bundesregierung den Vorschlag, die Aufbewahrungsfristen zu kürzen; die aus handels- und steuerrechtlichen Regelungen folgenden Aufbewahrungsfristen für Belege sollen von zehn auf acht Jahre verkürzt werden.
Bisher liegt lediglich ein Eckpunktepapier des BMJ vor, ein Referentenentwurf wird aber noch in diesem Jahr erwartet. Bis dahin sollten Unternehmen im Zuge der Einführung der digitalen Personalakte prüfen, welche Unterlagen in der (digitalen oder analogen) Personalakte aufbewahrt werden sollen und Unterlagen, die der Schriftform bedürfen, in analoger Form, also im Original, aufbewahren.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.